Staatsanwalt stellt Todes-Ast aus Frankfurts Stadtwald sicher

Nachdem eine Spaziergängerin (73) im Stadtwald von einem Ast erschlagen wurde, ermittelt nun der Staatsanwalt. Trägt die Stadt Frankfurt eine Mitschuld?
Frankfurt -Nach dem tödlichen Unfall im Stadtforst entscheidet jetzt der Untersuchungsrichter im Amtsgericht Frankfurt, ob eine Obduktion erforderlich ist. „Wir ermitteln, wenn Fremdverschulden möglich ist“, sagte die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwältin Nadja Niesen gestern. Mehr konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Am Samstag war kurz nach 14 Uhr eine Frau (73) im Stadtwald nahe der „Grastränke“ am Beckerweg von einem Ast erschlagen worden. Die Frau war in Begleitung einer weiteren Frau.
Umweltdezernentin: „Ich will nicht spekulieren“
„Ich will nicht spekulieren, was da geschehen ist, und ich weiß nicht, wo genau es geschehen ist“, sagt Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) am Dienstag. „Am Samstag war alles weiträumig von der Polizei abgesperrt, wir kamen nicht hin.“ Eine Baumgutachterin sei nach dem Vorfall vor Ort gewesen, der gebrochene Ast des Baumes, eine Buche, sei sichergestellt worden. Was die Gutachterin festgestellt hat, konnte Heilig nicht sagen.
Rechtsanwalt: Stadt muss auch auf die Bäume achten
Es geht möglicherweise um die Frage der Fahrlässigkeit. Wenn auch in einem Wald immer mit „waldtypischen“ Gefahren bis hin zu stürzenden Bäumen zu rechnen sei, so ist die Stadt doch auch in der Pflicht, Spazierwege zu sichern. Dieser Auffassung ist der Frankfurter Rechtsanwalt Stephan Otto: Sei in einem kommunalen Wald ein Weg angelegt, möglicherweise ausgewiesen als Wander- oder Spazierweg, „dann muss die Stadt auch im Rahmen der Instandhaltung auf die Bäume achten“, sagt Otto. Das gelte aber nicht für jede Schneise oder jeden „wilden Weg“. „Man müsste also prüfen, wo genau das geschehen ist, was für ein Weg das ist, der Beckerweg, man müsste schauen, wann die Bäume zuletzt geprüft wurden, man müsste schauen, ob der Schaden erkennbar gewesen wäre et cetera.“
Ermittlungen auch nötig, falls Angehörige auf Schadenersatz klagen
Die Staatsanwaltschaft ermittele immer bei nicht natürlichen Todesursachen. Meist würden die Verfahren eingestellt, weil kein Fremdverschulden vorliegt. „Im vorliegenden Fall könnten die Angehörigen Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragen, wenn sie beispielsweise eine Schadenersatzklage einreichen“, erläutert der Rechtsanwalt.
Heilig betont jedoch, dass der Stadtforst auch entlang der wichtigsten Waldwege die Standsicherheit der Bäume prüfe. „Im Stadtgebiet haben wir alleine zehn Baumprüfer im Einsatz, die Tag für Tag die Bäume an den Straßen, in den Parks und auf den Friedhöfen auf ihre Standfestigkeit untersuchen.“ So würden auch immer Bäume entdeckt, die dann gefällt werden müssten, sagt Heilig.
Klimawandel schwächt Bäume sehr
Die Stadt - und sie als Umweltdezernentin, die schon ihre Diplomarbeit über das Waldsterben verfasst hat - erlebe zurzeit den Klimawandel und seine Folgen hautnah. Vier heiße und niederschlagsarme Sommer innerhalb weniger Jahre hätten die Bäume im Frankfurter Stadtwald erheblich geschwächt. „Die Folgen sind vermehrt Trockenschäden und unvermittelte Abbrüche von Ästen“, heißt es einer Pressemitteilung, die das Umweltdezernat am Dienstagnachmittag versendete. Für Astabbrüche verantwortlich sei eine unzureichende Wasserversorgung der Äste und Baumkronen, wodurch insbesondere der Zelldruck und somit die Spannung auf der Oberseite der Äste nachlasse. In der Folge brächen teils sogar äußerlich völlig gesund erscheinende und belaubte Äste ab.
Zusätzlich habe sich durch die trockenen Sommer auch der Totholzanteil in den Kronen der Bäume deutlich erhöht. „Der Zustand unserer Bäume macht uns große Sorgen“, sagt die Umweltdezernentin. „Pilzkrankheiten wie die Weißfäule verbreiten sich im Holz in einem nie zuvor erlebten Tempo. Das bestätigen uns auch Baumgutachten immer wieder.“ Die Trockenheit schwäche den Baum, der Pilz habe dann ein leichtes Spiel, sich breit zu machen.
Um sparsam mit dem Wasser umzugehen und den Verlust durch Verdunstung zu reduzieren reagierten Bäume, indem sie Blätter und Nadeln abfallen ließen. Die Holzfasern könnten die Äste nicht mehr halten. Zwar gehörten Astabbrüche und Baumstürze zu waldtypischen Gefahren. Dennoch weist die Stadt seit einigen Jahren auf die Situation im Wald hin. Sturm, aufgeweichte Böden und Schnee im Herbst und Winter erhöhten die Möglichkeit von Astabbrüchen oder Baumstürzen. Die Bevölkerung werde daher um erhöhte Aufmerksamkeit beim Aufenthalt in der Nähe von Bäumen gebeten. (Thomas J. Schmidt)