Frischluftzufuhr verbaut? Stadt verteidigt Genehmigung für alles überragende Rechenzentren

Die Gebäude in Frankfurt seien nach „Art und Maß der näheren Umgebung“, auch die Notstromaggregate seien „unkritisch“.
Frankfurt - Kräne ragen in den Himmel über dem Seckbacher Gewerbegebiet. Die Gwinnerstraße und vor allem die Friesstraße wandeln sich derzeit in rasender Geschwindigkeit. Vier neue Rechenzentren sollen allein an diesen beiden Straßen entstehen, teilte die Stadt jüngst mittels einer Karte mit. Die meisten vom Rechenzentrenbetreiber Equinix. Doch die Karte ist längst veraltet. Neue Baustellen sind hinzugekommen. Zusätzliche Daten-Center entstehen, während beim Verwaltungsgericht Frankfurt noch die Klage gegen die vielen Notstromdieselmotoren verhandelt wird.
Kritik an diesem Wandel richtet sich auch an die Stadt, die mit den Bauanträgen genehmigt, dass an den Straßen oftmals graue, fensterlose Fassaden hochgezogen werden. Aus den Reihen der Bürgerinitiative „Wir wohnen hier“ wurde die Kritik laut, die großen Kästen könnten der Innenstadt die Frischluftzufuhr aus dem Enkheimer Ried verbauen. Für das Gewerbegebiet gibt es noch keinen Bebauungsplan. Die Gebäude müssen sich daher nach „Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen“, heißt es im Baugesetzbuch. Wie konnten die alles überragenden Bauten also genehmigt werden?
Große Rechenzentren in Frankfurt: Wandel bleibt nicht ohne Kritik
Die Stadt sieht keinen Widerspruch. „Das Maß der baulichen Nutzung wird aus der im Bestand vorhandenen Bebauung abgeleitet und entspricht der heterogenen Bebauungsstruktur vor Ort.“ Neben dem ersten Rechenzentrum am Ende der Friesstraße steht das fünfstöckige Bürogebäude, in dessen Erdgeschoss sich die öffentliche Kantine „Werksküche“ befindet. Ansonsten ist das Rechenzentrum umgeben von zweigeschossigen Werkshallen oder dreigeschossigen Bürogebäuden. In seiner Antwort verweist der Magistrat in punkto „heterogene Bebauungsstruktur“ auch auf dieses Rechenzentrum. Mit der Baugenehmigung dafür hat die Stadt Frankfurt also neue Maßstäbe gesetzt.
Ein weiterer Streitpunkt sind die mit Diesel betriebenen Notstromaggregate. Sie sollen sicherstellen, dass die Rechenzentren auch bei einem Stromausfall weiterarbeiten können. Derzeit klagt der hessische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die Genehmigungen von mehreren Notstromdieselmotoren. Die Frage sei, ob der „Stand der Technik“ umgesetzt wurde, ob also die Regeln der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) korrekt angewandt wurden, erklärt der BUND. Sollte der Verein Erfolg haben, könnte Equinix gezwungen werden, die Generatoren auszutauschen.
Stadt Frankfurt sieht in den Abgasen der Dieselmotoren kein Problem
Zwar hätten genehmigte Bauvorhaben Bestandsschutz und nachträgliche Ansprüche an den Bauherren kämen nicht in Betracht, erklärt die Stadt. Anders könne es aber mit der Genehmigung der Notstromaggregate sein. „Diese nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigten Anlagen können nachträglich an den Stand der Technik anzupassen sein.“ Die „erweiterte Grundpflicht“ gelte etwa für Notstromgeneratoren mit einer Feuerungswärmeleistung über 50 Megawatt.
Die Stadt sieht in den Abgasen der Dieselmotoren allerdings kein Problem - zumindest kein rechtliches. Immissionsgrenzwerte stellten eine gute Luftqualität sicher. „Die Emissionen der Rechenzentren von Stickoxiden unterschreiten nach den Immissionsprognosen die Irrelevanzschwelle und sind für die Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid und Feinstaub (PM10) nicht ausschlaggebend.“ Auch speziell die Notstromaggregate seien „hinsichtlich der Vorgaben zur Luftreinhaltung und Luftqualität im Allgemeinen unkritisch“. Fraglich sei nur, ob sie nicht zu viel Stickstoff ins Naturschutzgebiet Seckbacher Ried emittierten. Um das sicherzustellen, sei die zulässige Betriebszeit der Notstrommotoren begrenzt worden, berichtet der Magistrat. (Friedrich Reinhardt)