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Droht Frankfurts Wasserhäuschen das Aus? Stadt kündigt Radeberger-Gruppe die Pachtverträge auf

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Wasserhäuschen sind Teil der Frankfurter Lebensart, und sie zählen für viele Menschen längst als Kulturgut. Hier trifft man sich, hier zischt man ein Bierchen mit anderen oder kauft Süßigkeiten ein oder was sonst noch so fehlt zu Hause. Hier das "Gudes" am Matthias-Beltz-Platz.
Wasserhäuschen sind Teil der Frankfurter Lebensart, und sie zählen für viele Menschen längst als Kulturgut. Hier trifft man sich, hier zischt man ein Bierchen mit anderen oder kauft Süßigkeiten ein oder was sonst noch so fehlt zu Hause. Hier das "Gudes" am Matthias-Beltz-Platz. © Monika Müller

Die Stadt Frankfurt hat den Rahmenvertrag mit der Radeberger-Gruppe, dem Kioskbetreiber der kultigen Wasserhäuschen, gekündigt. Sie schlägt nun eine andere Lösung vor. 

Frankfurt – Die Stadt Frankfurt hat der Radeberger-Gruppe den Rahmenvertrag für rund 40 Wasserhäuschen in der Stadt gekündigt. In der Folge dürften nun Kioskbetreiber, die ihre Verkaufsstätten von Radeberger gepachtet haben, demnächst von dort eine Kündigung erhalten.

„Kein Anlass zur Panik“, signalisierte gestern Barbara Brehler-Wald Entwarnung. Die Büroleiterin von Bau- und Immobiliendezernent Jan Schneider (CDU) versichert: Keiner der betroffenen Kioskbetreiber müsse um seine Existenz bangen. Die Stadt wolle künftig direkt an die Geschäftsleute vermieten. Zu Pachterhöhungen werde es nicht kommen. „Schlechter als jetzt wird es nicht für die Betreiber“, sagte Brehler-Wald der „Frankfurter Neuen Presse“.

Wasserhäuschen in Frankfurt: Zu wenig Geld landet von Radeberger in der Stadtkasse

Mit dieser Bemerkung hob sie ab auf etliche Verpflichtungen, die Radeberger den Pächtern auferlegt habe, von einer vertraglich festgelegten Exklusivität, nur Radeberger-Produkte an ihrem Kiosk anzubieten, über festgelegte Mindestabnahmemengen an Getränken bis zu einer vergleichsweise großen Bevorratung auf Lager. Mit der Erfüllung der eigenen Verpflichtungen den Kioskbetreibern gegenüber sei Radeberger indessen oft eher zurückhaltend gewesen. So sei der Brauerei-Riese der dem Verpächter obliegenden Instandhaltungsverpflichtung für die Verkaufsstätte oftmals nicht nachgekommen, habe diese vielmehr auf die Kioskbetreiber abgewälzt. Das soll, sagt Brehler-Wald, absehbar der Vergangenheit angehören. Sie stellt in Aussicht: "Für die Kioskbetreiber könnte es sogar günstiger werden."

Dass die Stadt nun Radeberger die Verträge kündigt, liegt aber nicht vorrangig daran, dass ihr das Wohl der Wasserhäuschen-Betreiber am Herzen läge. Es geht um Geld, speziell darum, dass von der Pacht, die Radeberger bei den Kioskbetreibern einnimmt, zu wenig in der Stadtkasse landet. Seit 2018 diskutiere man das mit der Brauerei. Weil die Verhandlungen mit Radeberger über eine Pachterhöhung aber nicht nur zäh, sondern auch erfolglos waren, habe man zum letzten Mittel der Kündigung gegriffen. "Mit Radeberger gibt es keine Basis der Zusammenarbeit mehr", so Brehler-Wald.

Stadt Frankfurt will Wasserhäuschen mit öffentlichen WCs ausbauen – Radeberger stellt sich quer

Der Plan sei, die Brauerei von der Verpflichtung freizustellen, die Wasserhäuschen abzubauen. Die Stadt will die Verkaufsstätten erhalten. "Wir wollen unbedingt, dass die Betreiber weitermachen", so Brehler-Wald. Wo die Grundstücksflächen groß genug seien und nicht mehr reserviert werden müssten für umfängliche Getränkevorhaltungen, zu denen Radeberger die Pächter verpflichtet hat, könnten öffentliche Toilettenanlagen errichtet werden.

Mit Radeberger als Vertragspartner konnte die Stadt die WC-Idee nicht direkt umsetzen, weil sie keinen direkten Zugriff auf ihre eigenen Flächen hatte. Zum Scheitern der jahrelangen Verhandlungen trug auch bei, dass man sich nicht einigen konnte über ein tragfähiges und für alle Beteiligten zufriedenstellendes Toiletten-Konzept. Radeberger hatte zwar grundsätzliche Verständigungsbereitschaft signalisiert. Als es aber um Details wie Seife, Sauberkeit und Sicherheit ging und um einen Pachtnachlass für die Kioskbetreiber, wenn sie für all das sorgen müssten, kam man nicht weiter.

Stadt Frankfurt wollte im März Konzept für mehr Öffentliche Toiletten vorstellen

Einem Magistratsbericht zufolge sollte nach Jahren endlich Ende März ein Konzept für mehr öffentliche Toiletten in Frankfurt vorgestellt werden. Stattdessen erfolgte der Bruch mit Radeberger. Schließt die Stadt demnächst mit den Wasserhäuschen-Betreibern direkt Mietverträge für die Verkaufsstätten ab, könnte die Umsetzung der Toiletten-Pläne problemlos sein – zumindest organisatorisch. Ob und wie die Stadt das Vorhaben, an womöglich rund 20 Kiosk-Standorten öffentliche WCs zu bauen, finanziell umsetzen kann, ist die andere Frage.

Immerhin ist die Stadt nach Ablauf der Kündigungszeit mit Radeberger, die laut Brehler-Wald in den meisten Fällen ein halbes Jahr betrage, wieder Herrin im eigenen Haus respektive auf der eigenen Fläche. Das ist auch für die Kiosk-Pächter vorteilhaft: Wo Reparaturen oder umfängliche Instandsetzungen an den Wasserhäuschen anfielen, ist jetzt die Stadt ansprechbar und zuständig.

Pachtverträge zwischen Stadt Frankfurt und Radeberger noch mit Henninger und Binding geschlossen

Die jetzt gekündigten Pachtverträge zwischen der Stadt und der Brauerei sind überwiegend bereits vor Jahrzehnten geschlossen worden, mit heimischen Brauereien wie etwa Henninger und Binding, die inzwischen auch zur Radeberger-Gruppe gehören. Radeberger ist die größte Brauerei-Gruppe Deutschlands mit 16 Produktionsstandorten in Deutschland für Bier und alkoholische Getränke.

Radeberger äußerte sich gestern nicht zu den Kündigungen der Stadt. Anfragen der „Frankfurter Neuen Presse“ blieben unbeantwortet.

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