Energiesparen in Frankfurt: Wenn die Dunkelheit die Stadt verschluckt
Spar-Beleuchtung hinterlässt bei vielen, die abends in Frankfurt unterwegs sind, ein mulmiges Gefühl. Die Stadt wirkt schon am frühen Abend gespenstisch.
Frankfurt - Zehntausende Laternen sind gedimmt, viele ganz ausgeknipst. Schon am frühen Abend wirkt Frankfurt gespenstisch. Die Nebenwirkung vom Energiesparen ist ein mulmiges Gefühl. Anders ist es auf dem Eisernen Steg. Der Übergang ist und bleibt auch nachts beleuchtet. Wer aber auf dem Holbeinsteg steht und den Eisernen Steg sucht, sieht schwarz. Die Brücke mit den vielen Liebesschlössern wird - ebenso wie der Dom - von der Dunkelheit verschluckt. Am Mainufer bewegen sich Gestalten, die nur an ihren Umrissen zu erahnen sind.
Wer nah rangeht, findet leere Lachgasflaschen, die wie Sahnespender aussehen, auf den Wiesen und an Gebüschen. Ob der ständig wachsende Trend zum Lachgasrausch den Konsumenten die Angst vor der Dunkelheit nehmen soll, oder für das Wärmegefühl eingesetzt wird, ist nicht klar. „Das ist echt schlimm geworden“, sagt ein Türsteher vor dem Freigut-Schiff. „Am liebsten würde man dauernd die Polizei holen.“
Frankfurt: Am liebsten würde man dauernd die Polizei holen
Frankfurt spart Energie. 2491 Illuminationsleuchten am Mainufer und an den Brücken sind aus. 218 Bodeneinbaustrahler ebenfalls. 33 000 verkehrssichernde Straßenlaternen laufen im reduzierten Betrieb. Nur in der Innenstadt, im Bahnhofsviertel und an Fußgängerüberwegen ist es noch hell.
Am Museumsufer wirken die unbeleuchteten Platanen wie Gespenster, die ihre Ast-Arme nach Passanten recken. Das Gekicher vom Ufer unterstützt das mulmige Gefühl. Hunde von Leuten, die mit ihnen Gassi gehen, knurren leise. Wer nach Alt-Sachsenhausen geht, wird am frühen Abend, bevor die Lokale ihre Lichter einschalten, von fast kompletter Dunkelheit umgeben. Nur die Flammen der Gaslaternen leuchten wie kleine Glühwürmchen. Einige Bewegungsmelder gehen an, wenn sich jemand noch dunklen Eingängen nähert. „Quer durch Alt-Sax gehe ich erst, wenn die Bars öffnen. Das ist viel zu gruselig hier“, sagt die 26-jährige Ornella, die lieber weite Umwege „mit Autolichtern und anderen Leuten“ in Kauf nimmt. „Passiert ist mir noch nie was. Aber das Gefühl in der Finsternis passt zu jedem Krimi.“
Energiesparen in Frankfurt: Telefonieren kann Angst im Dunkeln lindern
In Hibbdebach am Main ist es noch dunkler. So dunkel, dass Liebespaare lieber nicht vom Holbeinsteg zum Nizzapark spazieren gehen, auch wenn das Tor offen ist. Sie bleiben oben auf der Straße und beobachten einige huschende Gestalten, die nur an ihren Konturen zu erkennen sind. Es ist ein ungewohntes, mulmiges Gefühl, das einen beschleicht, seit die Beleuchtung eingespart wird. Ähnlich wie bei Kindern, die sich im Dunklen fürchten. Die fiktiven Monster unter dem Bett tauchen in Form von Ästen und Umrissen von Gebäuden auf, die nur schemenhaft zu erkennen sind. Gespenster, die keine sind.
Durch die Evolution lässt sich Angst vor Dunkelheit erklären. Einst waren Menschen nachts besonders bedroht, weil Beutegreifer unterwegs waren. Sie blieben in ihren Höhlen. Dass Frauen im Dunkeln deutlich mehr Angst haben als Männer, liegt an der Sorge vor unangenehmen Begegnungen, Übergriffen oder sogar Vergewaltigung. Schon immer lernen Mädchen, nachts nicht allein im Park oder durch dunkle Gassen zu gehen. Eine bundesweite Dunkelfeldstudie des Bundeskriminalamtes (BKA) mit einer Befragung von fast 45 000 Bürgern, die kürzlich veröffentlicht wurde, bestätigt dies. Demnach meiden vor allem Frauen nicht nur den öffentlichen Nahverkehr bei Dunkelheit.

Frankfurt wirkt dunkler als früher
Etwa 58 Prozent haben bereits vor zwei Jahren Umwege um dunkle Plätze und Parks gemacht. Bei Männern waren es nur halb so viele. Auch wenn die Laternen in der Innenstadt „normal“ leuchten, wirkt es dunkler als früher, weil die meisten Geschäfte ebenfalls Strom sparen und die Schaufenster dunkel sind. Fast makaber wirkt ein nicht weit vom dunklen Rossmarkt entferntes Fenster, das eine schwarz gekleidete männliche Person vor weißem Hintergrund zeigt. Wer in Begleitung ist, lacht. Wer alleine ist, wechselt die Straßenseite.
Wer sich im Dunkeln fürchtet, sollte beim Gehen telefonieren. Wer keinen Ansprechpartner im eigenen Umfeld hat, kann sich an das Heimwegtelefon wenden. Unter der Telefonnummer (0 30) 12 07 41 82 begleiten Ehrenamtliche jeden Anrufer telefonisch nach Hause. Der Anruf ist bei Flatrates aus dem deutschen Mobilfunknetz kostenfrei. Im Notfall sollte die 110 gerufen werden. (Sabine Schramek)