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Stadt will frischen Wind in ihren Rebzeilen

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Blick auf die Hochheimer Weinberge, wo auch das Weingut der Stadt Frankfurt den Großteil seiner Rebflächen besitzt.
Blick auf die Hochheimer Weinberge, wo auch das Weingut der Stadt Frankfurt den Großteil seiner Rebflächen besitzt. © Thomas Remlein

Pachtvertrag mit Familie Rupp nur noch bis 2024 verlängert - Neuausschreibung wird vorbereitet.

Frankfurt. Die Stadt Frankfurt will einen Neustart im städtischen Weingut in Hochheim am Main. Die zuständige Bildungs- und Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) sucht im Rahmen einer Konzeptvergabe einen neuen Pächter. Das Gut mit einer Rebfläche von 24,9 Hektar soll in Zukunft ökologisch bewirtschaftet werden. Für die Ausschreibung hat sich das Amt für Bauen und Immobilien auch die Dienste der Hochschule in Geisenheim gesichert. Diese gehört zu den weltweit renommiertesten Universitäten für Weinbau. Eine Beratungsfirma gestaltet die Ausschreibung, die im juristischen Sinne eine Auslobung ist.

Denn zum Zuge kommen soll das beste Konzept, nicht wer die höchste Pacht zahlt. Eine Bewertungskommission wird über die Angebote entscheiden. Bei den Auswahlkriterien wird die Pacht laut Weber nur mit 30 Prozent gewichtet. Die Bewertungskommission legt danach ihr Votum der Stadtverordnetenversammlung zur Entscheidung vor.

Umstellung auf ökologischen Anbau

Weber verfolgt drei Ziele mit dem neuen Konzept: Sie will das städtische Weingut bekannter machen, der Markenauftritt soll moderner werden, es soll ökologisch geführt und der Rebensaft soll auch über die Weinstube im Römer vermarktet werden. Die Bewirtschaftung der Weinstube ist Teil der Ausschreibung. Sie soll im Januar in Fachzeitschriften veröffentlicht werden.

Das städtische Weingut wird seit 1994 von der Familie Rupp bewirtschaftet, Pächter ist der heute 71-jährige Armin Rupp. Ihm zur Seite steht sein Sohn Jürgen Rupp (50). Dort ist man über die Pläne der Stadt nicht erfreut. Die Familie fühlt sich schlecht informiert. „Mit uns wurde nicht geredet“, sagte Jürgen Rupp. Die Familie - auch ein Cousin Jürgen Rupps - arbeitet nach dessen Angaben im Betrieb. Jürgen Rupps 15-jähriger Sohn möchte ebenfalls Winzer werden. Bei einer Neuausschreibung will sich Rupp erneut bewerben. Zur geforderten Umstellung auf Öko-Weinbau sagt er allerdings: „Das mache ich nicht in drei Tagen.“ Neben dem städtischen Weingut bewirtschaftet die Familie weitere zehn Hektar Rebhänge in Hochheim.

Eine weitere Verlängerung des Pachtvertrages mit den Rupps über 2024 hinaus sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich, betonte Weber. Sie sagte aber auch, dass sich der bisherige Pächter erneut bewerben kann. 1,3 Hektar Rebfläche des städtischen Weingutes liegen direkt auf Frankfurter Gemarkung. Es handelt sich dabei um den Lohrberger Hang der sich hoch über der Großstadt erhebt. Die Rebzeilen, auf denen Rieslingtrauben wachsen, müssen per Hand geerntet werden. Die Lese an einem Samstag im Herbst ist jedes Jahr eine großes Ereignis. Weinbaurechtlich gehören der Lohrberger Hang und die Lagen rund um Hochheim zum Rheingau. Eigentlich beginnt das Anbaugebiet erst 30 Kilometer weiter westlich bei Flörsheim-Wicker. 18,8 Hektar liegen in Hochheim am Main und 4,7 Hektar in Kostheim mit den Weinlagen Domdechaney, Kirchenstück, Hofmeister, Reichestal, Daubhaus, Stein und Stielweg.

Zu den berühmtesten Weinlagen des Rheingaus gehört der Hochheimer Viktoriaberg. Diese Weinlage wurde nach der englische Königin Victoria benannt, nachdem diese 1845 Hochheim besuchte. Fünf Jahre dauerte es, bis die englische Königin die Erlaubnis gab, den Weinberg nach ihr zu benennen. Und die Rieslingweine aus dem Victoriaberg werden heute noch an der Tafel der englischen Königsfamilie gerne getrunken. Es ist der berühmte „Hock“. Von dem Wein heißt es „A good hock keeps off the doc“. Übersetzt heißt das: „Der gute Hock hält den Doc fern.“

Spitzenlagen des Rheingaus

Auch die Hochheimer Domdechaney zählt zu den Spitzenlagen des Rheingaus. Kein Wunder, dass in Hochheim Weine produziert werden, die zu Deutschlands Spitze zählen. Erwähnt sei beispielsweise das Weingut Künstler, das dem Verband deutscher Prädikatsweingüter angehört. Rund 200 deutsche Spitzewinzer gehören dem Verband an. Weber hofft, dass sich möglicherweise auch VDP-Mitglieder um die Pacht des städtischen Weingutes bewerben. „Ich fände es gut, wenn sich in Hochheim ansässige Nachbarn bewerben“, sagte sie.

Die Pachtpreise für Weinberge sind im Rheingau stabil. Im Durchschnitt liegen sie derzeit bei 1500 Euro je Hektar, erklärte der Geschäftsführer des Rheingauer Weinbau Verbandes, Dominik Russler. Bekannte Einzellagen, die als Großes Gewächs oder Erstes Gewächs klassifiziert sind, können deutlich darüber liegen. Russler vertritt rund 500 Mitglieder, die rund 3200 Hektar Weinberge bewirtschaften.

Die Familie Rupp startete mit einer Pacht von jährlich 150 000 Mark, darin sind der Gutshof und die Gebäude enthalten. Die Produktionsanlagen gehören den Rupps. Die Stadt erhält 20 Prozent Rabatt auf die Weine, die bei Feierlichkeiten im Römer ausgeschenkt werden. Auch städtische Mitarbeiter kaufen um 15 Prozent günstiger ein als andere Kunden. Thomas Remlein

Kommentar: Das städtische Weingut ist kein Erbpachthof (Thomas Remlein)

Die Stadt Frankfurt hat selbst leidvolle Erfahrungen mit Neuausschreibungen gemacht. Als die Internationale Automobilausstellung (IAA) vom Veranstalter neu ausgeschrieben wurde, bewarb sich die Mainmetropole erneut um die Leitmesse. Natürlich kam sie nicht zum Zug. Denn der Veranstalter wollte einen Neubeginn.

Den will auch die Stadt bei ihrem Weingut, dessen Verpachtung neu ausgeschrieben wird. Insofern ist die Unruhe bei der bisherigen Pächterfamilie Rupp begründet. Sie bewirtschaftet das Gut fast 30 Jahre lang. Ein städtisches Weingut ist aber kein Erbpachthof. Der Magistrat muss darauf achten, dass aus einem Pacht- kein faktisches Besitzverhältnis wird. Es ist das gute Recht der Stadt als Eigentümer, sich auf dem Markt umzuschauen und nicht alles ungeprüft weiter laufen zu lassen.

Gegenwärtig ist in vielen Weinbau-Betrieben eine neue Generation an Winzern und auch Winzerinnen am Start. Ihre Vertreter sind meist zwischen 30 und 40 Jahre alt und gehören nach Ansicht von Fachleuten zur bestausgebildeten Winzergeneration jemals. Der Grund: Viele von Ihnen haben die Welt bereist und Erfahrungen in Weinbauländern wie Chile, Australien, den USA, Südafrika gemacht. Andere haben an der renommierten Weinbau-Universität in Geisenheim studiert, manche beides.

Sollte bei der Ausschreibung ein überzeugendes Angebot eines Jung-Winzers vorliegen, wäre das gut. Sollte der bisherige Pächter mit einem guten Konzept überzeugen, auch gut. Möge der beste Bewerber für das städtische Weingut gewinnen.

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