Städtische Bühnen Frankfurt: "Das Haus ist einfach am Ende"

Roland Sittner, der Betriebsratsvorsitzender der Bühnen, über katastrophale Arbeitsbedingungen, lähmende UNgewissheit und fällige nächste Schritte
Seit Jahren wird über die Zukunft der Städtischen Bühnen am Willy-Brandt-Platz diskutiert, denn das Gebäude ist marode. Deshalb haben sich die Stadtverordneten schon vor zwei Jahren für einen Neubau und gegen eine Sanierung ausgesprochen. Weitere Entscheidungen gab es seither aber nicht. Jetzt macht der Betriebsratsvorsitzende der Städtischen Bühnen, Roland Sittner, Druck. Denn die Arbeitsbedingungen für die 1100 Beschäftigten sind alles andere als gut.
Herr Sittner, Sie arbeiten seit 47 Jahren an den Städtischen Bühnen. Das heißt: Sie konnten den Verfall der Theater-Doppelanlage beobachten. Wie schlimm ist die Situation denn?
Der Brandschutz ist unzureichend, Dächer und Fassaden mangelhaft. Der Sonnenschutz fehlt. Technik, Heizung, Sanitäranlagen, Elektrik, alles ist veraltet. All das wird versucht, in den Theaterferien einigermaßen wieder in Gang zu setzen oder die Defizite zu beseitigen, was aber aufgrund des Alters des Gebäudes nicht mehr wirklich möglich ist. Das Haus ist einfach am Ende. Zu dem Schluss kamen ja auch die zahlreichen Experten, die in den vergangenen Jahren das Gebäude untersucht haben.
Welche Auswirkungen hat der Verfall des Gebäudes auf die Arbeitsbedingungen hier?
Die Arbeitsbedingungen sind belastend. Wir schlagen uns hier unter harten Bedingungen durch.
Können Sie Beispiele nennen?
Ein großes Problem neben den Defiziten und Mängeln ist sicherlich der Platzmangel, die fehlende Fläche. Das hat beispielsweise zur Folge, dass sich Orchestermusiker vor den Proben oder Aufführungen im Keller einspielen müssen, ohne Frischluft und Tageslicht. Außerdem können wir hier nicht alle Kulissen deponieren, weshalb sie täglich zwischen Lager und Willy-Brandt-Platz hin- und hertransportiert werden müssen. Und das Ensemble und die Techniker müssen ebenfalls zu den Probebühnen quer durch die Stadt pendeln.
Gibt es weitere Probleme?
Sicherlich. Ein weiteres, ganz großes Problem ist die Sonneneinstrahlung im Sommer. Die Künstlergarderoben und andere Räume heizen sich derart auf, dass die Kollegen und Kolleginnen ins Hausinnere gehen müssen, um sich abzukühlen. Das stellt natürlich auch die Maskenbildner vor große Herausforderungen, weil die Schminke nicht hält und verläuft. Zudem sind die Werkstätten übereinander angeordnet, was die Produktion von Kulissen erschwert. Die Arbeitsbedingungen sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Und das sind nur einige Beispiele von vielen.
Deshalb haben sich die Stadtverordneten schon vor zwei Jahren gegen eine Sanierung und für einen Neubau ausgesprochen. Dennoch fordern die Initiative "Zukunft Städtische Bühnen" und der Bund Deutscher Architekten weiterhin den Erhalt des maroden Gebäudes wegen der besseren Ökobilanz. Sie rollen schon mit den Augen. Was entgegnen Sie solchen Aussagen?
Wir sind über solche Initiativen irritiert. Die Untersuchungen verschiedenster Fachleute der vergangenen Jahre haben ganz klar belegt: Eine Sanierung wäre unwirtschaftlich und nicht nachhaltig, weshalb die Stadtverordneten durch einen Beschluss davon auch Abstand genommen haben. Die Kollegen wünschen sich, dass jetzt endlich die nächsten Schritte in Angriff genommen werden, damit es endlich zum Abriss und Neubau kommt.
Die Initiative "Zukunft Städtische Bühnen" hat Ihnen jüngst ein Gesprächsangebot gemacht. Sie haben abgelehnt. Warum?
Ich will mich dazu eigentlich nicht mehr äußern. Wir haben uns nie grundsätzlich einem Gespräch verweigert. Es ist aber aus unserer Sicht derzeit nicht erforderlich. Die Politik hat sich per Beschluss für einen Neubau entschieden, also müssen wir auch nicht mehr über eine Sanierung diskutieren.
Haben sich die Mitglieder der Initiative denn mal an Sie gewandt, um sich das Gebäude zeigen zu lassen?
Nein.
Waren denn schon mal Stadtverordnete vor Ort? Immerhin entscheiden die ja, wie es weitergeht.
Ich weiß, dass Politikerinnen und Politiker von Kollegen durchs Haus geführt wurden. An den Betriebsrat hat sich bisher aber niemand gewandt, um sich die Situation mal aus dem Blickwinkel der Beschäftigten anzuschauen. Sollte der Wunsch bestehen, verschließe ich mich da nicht. Dann können wir all das, was wir immer berichten, auch mal vor Ort zeigen.
Was zeigen Sie dann als erstes?
All das, was den Neubau rechtfertigen würde. Das würde eine sehr lange Begehung werden.
Werden Sie denn in politische Entscheidungen involviert beziehungsweise nach Ihrer Meinung gefragt?
Wir sind im regelmäßigen Austausch mit dem Leiter der Stabsstelle Zukunft der Städtischen Bühnen und der Kulturdezernentin. Das heißt: Wir konnten bisher immer unsere Positionen, Forderungen und die Notwendigkeiten benennen.
Derzeit sind noch drei Standortvarianten für Schauspiel und Oper in der engeren Auswahl: Die Kulturmeile mit Schauspiel am Willy-Brandt-Platz und Oper an der Neuen Mainzer Straße, die Spiegellösung mit Oper am Willy-Brandt-Platz und Schauspiel gegenüber in den Wallanlagen sowie ein Neubau der Theater-Doppelanlage am jetzigen Standort. Welche Variante favorisieren Sie?
Für uns ist es am wichtigsten, dass die neuen Bühnen zentral liegen, am besten am Willy-Brandt-Platz, damit sie für alle Kollegen gut erreichbar sind. Denn nicht alle, die hier arbeiten, wohnen auch in unmittelbarer Nähe. Die Beschäftigten, aber auch unsere Besucherinnen und Besucher kommen aus allen Himmelsrichtungen.
Gibt es weitere Kriterien?
Die Werkstätten und Probebühnen müssen vor Ort an den Spielstätten untergebracht werden, damit auch die vielen Fahrten durch die Stadt aufhören. Dafür gibt es zwei Varianten: die Kulturmeile und die Spiegellösung.
Das heißt: Einen Neubau der Theater-Doppelanlage am Willy-Brandt-Platz lehnen Sie ab?
Diese Variante würde bedeuten, dass die Werkstätten auf die grüne Wiese gebaut würden. Das wollen wir nicht, weil es auch nicht sinnvoll wäre.
Bei dieser Variante müssten Oper und Schauspiel auch für viele Jahre in ein Interim.
Das stimmt. Auch die Kosten durch zwei Interims wären immens.
Jetzt mal Hand aufs Herz: Lieber Kulturmeile oder Spiegellösung?
Wir könnten mit beiden Varianten leben.
Was wäre denn Ihre Vision von den neuen Städtischen Bühnen? Wie sollten sie sein? Wie sollten sie aussehen?
Architektonisch sollten sie sicherlich ein tolles, ansprechendes Gebäude werden. Aber entscheidend für die Kollegen ist, dass wir gute, zeitgemäße Arbeitsbedingungen bekommen. Natürlich finden wir aber unter anderem auch die Idee richtig und gut, dass man die künftigen Städtischen Bühnen auch tagsüber neben dem Spiel- und Probenbetrieb für Bürgerinnen und Bürger öffnet.
Bis die Bagger rollen, kann es aber noch Jahre dauern. Wie ist denn die Stimmung bei den Beschäftigten?
Die Kolleginnen und Kollegen sind ungeduldig. Das Thema beschäftigt uns als Betriebsrat, aber auch als Beschäftigte, schon seit vielen Jahren. Aber es geht einfach nicht so richtig vorwärts. Und mit jedem Tag mehr ohne Veränderung wird das Haus immer älter und das Risiko größer, dass uns irgendwann die Betriebserlaubnis entzogen wird. Das wäre natürlich eine Katastrophe.
Vor diesem Hintergrund: Bis wann muss der Neubau Ihrer Ansicht nach stehen?
Das ist schwer zu sagen. Das große Problem ist, dass auch immer etwas Unvorhersehbares eintreten kann, was dann den Entzug der Betriebsgenehmigung zur Folge haben kann. Fest steht aber: Wir dürfen nicht noch mehr Zeit verlieren. Jetzt muss sich schnell für eine Standortvariante entschieden und ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden. Denn Abriss und Neubau müssen so schnell wie möglich kommen.