Städtische Bühnen Frankfurt: Die Zukunft bleibt unklar

Ein Buch über das Wolkenfoyer diskutiert die Frage, wie mit der Raumkunst umgegangen werden soll.
Frankfurt -Für die Zukunft der Städtischen Bühnen hilft ein Blick nach Münster: Dort baute man 1954 ein modernes Theater und integrierte die kriegszerstörte Fassade des vorherigen Altbaus als Kulisse. Doch in Frankfurt scheinen die Wege eher auseinanderzudriften: Während die "Aktionsgemeinschaft Schauspielhaus" den Seeling-Bau von 1902 rekonstruieren will, sprechen sich Magistrat und Schauspielhaus für eine komplette Neubaulösung aus.
Und die "Initiative Zukunft Bühnen Frankfurt" will das denkmalgeschützte Glasfoyer mit der plastischen Deckeninstallation "Wolken" des Künstlers Zoltan Kemeny am jetzigen Standort erhalten. Mit ihrem neuen Buch "Zoltan Kemenys Frankfurter Wolkenfoyer - Entstehung und Zukunft einer gefährdeten Raumkunst" zeigt die Initiative Wege auf, die jetzige Doppelanlage mit saniertem Foyer neu zu denken und andere Möglichkeiten zur Neugestaltung zu entwickeln.
Frankfurter Initiative will Überzeugungsarbeit leisten
Das Verblüffende daran: Rückwärtige Teile vor allem der Opernbühne, des Magazins und Verwaltungstrakts können zurückgebaut werden - und freigelegte nicht denkmalgeschützte Teile des Seeling-Baus ließen sich, sofern gewünscht, sogar integrieren. Doch zunächst gilt es Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) spricht sich in ihrem Grußwort für eine "kritische Revision" des denkmalgeschützten Foyers aus, das bei Tageslicht "wie eine leere Hülle" wirke. Auch wenn die Wolken eine wichtige Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft bilden, wie sie auf Anfrage dieser Zeitung erklärt.
Der Herausgeber und Architekturtheoretiker Philipp Oswalt erteilt der Idee, das Foyer zu transferieren, und so einen Neubau an anderer Stelle zu ermöglichen, ohne dass das Denkmal dabei verlorengeht, im Buch eine klare Absage: "Das Aufhängen neu arrangierter Skultpturbestandteile an einem anderen Raum in einer anderen Architektur wäre nichts weiter als ein nostalgisches Dekor", betont er und erklärt auf Anfrage, das Foyer sei "sanierungsfähig und keineswegs dysfunktional".
Transparente Architektur sollte das Frankfurter Theater öffnen
Doch vor dem Blick auf die Gegenwart und Zukunft thematisiert das Buch zunächst die Entwicklung der heutigen Doppelanlage und die Inspirationen für Kemenys Wolkenfoyer im Kontext der deutschen und europäischen Nachkriegsmoderne. Oswalt, Claudia Blümle und Jan Ladzardzig nennen als Vorbilder und Vergleichsobjekte unter anderem die Bühnenneubauten in Münster, Malmö, Hamburg, Gelsenkirchen, Mannheim und Berlin.
Dort und übrigens auch am Frankfurter Bundesrechnungshof bevorzugte man häufig eine kastenförmige, transparente Architektur, die gerade das Schauspiel nach außen zur Straße öffnen statt es nach innen als konservativen Musentempel bewahren wollte.
Zeichnet sich Münster durch Fassadenreste der Kriegsruine aus, so setzen andernorts Glasschliffwände oder Skulpturen als Kunst am Bau besondere Akzente. Im Frankfurter Theaterfoyer sind es 148 Wolkenkörper aus Messing, nach den Worten des Künstlers "ein zweites Theaterspiel wie die Akte einer unendlichen Komödie passend zu Marc Chagalls Bild ,Commedia dell'Arte'", mit dem nach Micha Brumliks Deutung die "abstrakten goldenen Himmelskugeln in melancholischer Heiterkeit korrespondieren".
Dieter Schwarz beschreibt Kemenys Künstlerleben unter dem Einfluss jüdischer und ungarischer folkloristischer Einflüsse, Hannsgeorg Beckert und Alfons Maria Arns die Wirkung von Architektur und Plastik und "Frankfurts Theaterhimmel voller goldschimmernder Wolken" bei der Eröffnung 1963.
Doch wurde das Wolkenfoyer für die Ewigkeit erschaffen? Astrid Wuttke räumt ein, dass moderne Konstruktionen aus leichten, vorgefertigten Bauweisen als auszutauschende Verschleißteile schlechter altern als handwerkliche, massive Gemäuer.
Fünf Entwürfe für ein Weiterbauen
Was aber keineswegs rechtfertige, einen "ungeliebten Betonklotz" im Sanierungsstau einfach loswerden zu wollen. Wuttke stellt daher die Ergebnisse ihres Entwurfsprojekts "Städtische Bühnen weiterbauen" mit fünf Studentinnen und Studenten der Universität Kassel vor. Die Grundaufgabe: Das Wolkenfoyer erhalten, dafür je nach Bedarf Standorte für Teilneubauten zwischen Wallanlagen und Osthafen entwickeln.
In allen vorgestellten Entwürfen zeigen sich Ansätze, hinter dem Foyer Teile der jetzigen Doppelanlage für neue Entwürfe um- oder auch rückzubauen. Sofie Hoyer legt in ihrem Entwurf "Promenade Théâtrale" ein Stück der verbauten Seeling-Fassade als "Außentribüne an den Wallanlagen" frei. Und Valerie Wieczorek ergänzt das Foyer um einen begrünten Theaterturm, der die Fassaden des Seeling-Baus als Wände eines offenen Zuschauerraums für ein Sommertheater einrahmt. Münster lässt grüßen.
Das Buch über Zoltan Kemenys Wolkenfoyer ist im Deutschen Kunstverlag erschienen und kostet 28 Euro.