Stück für Stück entschwebt die Brücke

Abriss des Cassellstegs dauert bis März - Neubau wird sobald nicht beginnen
Am Ende der Adam-Opel-Straße legt Sebastian Löding den Blick zum Himmel frei. Auf der Cassella-Brücke wirft er die vom Baustaub weiß gefärbte Seilsäge an. Das diamantbesetzte Seil, so dick wie ein kleiner Finger, schlackert in der Luft, bevor es in der schmalen Ritze verschwindet, die die Kette schon in den Beton geschnitten hat. „In einer Sekunde laufen 20 Meter Seil durch die Maschine und den Beton“, erklärt Löding. Sie schneiden den Körper der alten Brücke in Stücke. Am Geländer sind weiße Planen befestigt. Sie fangen den Dreck ab, der von der Schnittstelle umherspritzt. Wie Leichentücher bäumen sich die Planen im Wind.
Anderthalb Stunden dauert es, bis sich das Seil einmal durch den Betonkoloss gefressen hat. Dann hebt der 400-Tonnen-Kran auf der Adam-Opel-Straße das vier Meter lange und 30 Tonnen schwere Brückenstück für den Abtransport auf einen Lkw. Seilsäge und Planen wandern weiter. Etwa fünf Teile trennen Löding und seine Kollegen am Tag von der Cassella-Brücke.
Vollsperrung vermeiden
Nach 58 Jahren verschwindet mit der Cassella-Brücke das dominante Bauwerk, dass die Straßenecke Adam-Opel- und Leo-Gans-Straße seit 1964 geprägt hat. Für Markus Wittmann, dem Projektleiter beim Amt für Straßenbau und Erschließung (ASE), ist der Abriss nichts Besonderes. „Bei solchen Betonbauwerken blutet mir nicht das Herz.“ Anders sei das architektonisch interessanten Stahlbrücken. „Spannend wird es, wenn wir im März den Teil über der Hanauer Landstraße abbauen“, sagt Wittmann. Dabei soll - bis auf einen kurzen Zeitraum - eine Vollsperrung der wichtigsten Einfallsstraße im Frankfurter Osten vermieden werden. Der Abriss muss mit dem Auto- und Straßenbahnverkehr in Einklang gebracht werden.
Auch wenn das Ende der Abrissarbeiten an der alten Cassella-Brücke absehbar ist, wann mit dem Neubau begonnen wird, kann das ASE nicht sagen. Zu weit in der Zukunft liegt dieser Tag, zu viele Unsicherheiten auf dem Weg dahin. Noch ist die Bauplanung nicht angelaufen. Auch wenn der Ortsbeirat 11 (Fechenheim, Riederwald, Seckbach) und die Stadtverordnetenversammlung unlängst den Magistrat aufgefordert haben, den Neubau zu beschleunigen, um die wichtige Verbindung zwischen Fechenheim Nord und Süd wieder herzustellen.
Seveso, Baurecht und die Nordmainische
Die Problemlage, in der das ASE den Neubau plant, ist komplex. Angefangen beim Allessa-Park: Die Cassella-Brücke führt über den Industriepark, der wegen seiner Chemiefabriken den Seveso-III-Richtlinien unterliegt, europäische Sicherheitsnormen, die Chemieunfälle verhindern sollen. Wie beim Abriss muss auch beim Neubau der Industriepark Flächen für die Bauarbeiten zur Verfügung stellen. Darüber müssen sich die Allessa-Gesellschaft und die Stadt einigen. In diesem Herbst rechnet das ASE mit der Einigung. Dann könnten die Planungen ausgeschrieben werden. „Die Vergabeunterlagen für die Ingenieurleistungen zur Neubauplanung liegen ausschreibungsreif vor“, sagt Michaela Kraft, Leiterin des ASE.
Auch muss die Stadt erst Baurecht für den Neubau schaffen. Dies ist unter anderem nötig, da seit 1964 die Seveso-Richtlinien entstanden sind. Außerdem werden die barrierefreien Zugänge, „die als Rampen doppelt so lang sein müssen wie die der alten Cassellabrücke, weitere Betroffenheiten auslösen“, erklärt Kraft. Auch müsse der Bau auf die Planungen der Nordmainischen S-Bahn abgestimmt werden.
Die neue Cassella-Brücke soll entlang der Cassellastraße über die Bahnschienen hinaus verlängert werden. Dort entsteht mit der Nordmainischen die S-Bahnhaltestelle Fechenheim. Sie soll über das Ergänzungsbauwerk „Fuß- und Radwegeüberführung Cassellastraße“ angebunden werden. „Das Baurecht dafür wird über das Planfeststellungsverfahren zur Nordmainischen S-Bahn geschaffen“, erklärt Kraft.
Dann ist da noch die Eigentümergemeinschaft der Hanauer Landstraße 509-511. Die Brücke wird über Teile ihres Grundstücks verlaufen. Sie hat beim Neubau also ein Wörtchen mitzureden und könnte wenig begeistert sein, dass Fußgänger und Radfahrer künftig auf Höhe der Oberen Geschosse in die Wohnungen winken können. Mit der Eigentümergemeinschaft möchte das ASE sprechen, wenn die Planungsleistungen vergeben wurden. Bis die Teile der neuen Brücken einschweben, vergehen also noch Jahre. Friedrich Reinhardt