Frankfurter Bahnhofsviertel: Führung durch Drogenszene soll Aufklärung leisten
Die Führung „Crack, Koks, Heroin“ durchs Frankfurter Bahnhofsviertel soll Aufklärung leisten und für eine andere Drogenhilfe sowie -Politik werben.
Frankfurt - Es sind nur wenige Menschen am Kaisersack im Bahnhofsviertel. Das liegt daran, dass die Polizei bis vor wenigen Minuten hier und in der Münchener Straße Personenkontrollen gemacht hat. "Die Menschen, die sich hier täglich treffen, sind krank", so Tom Holz (45). "An den Kaisersack kommen vor allem Drogenkranke, die substituiert werden. Ihnen geht es vergleichsweise gut. Sie können zum Arzt und bekommen Methadon oder andere Ersatzmittel in offiziellen Hilfseinrichtungen, bei Ärzten oder in Apotheken."
Holz muss es wissen, er war acht Jahre lang bis 2019 Fachleiter von OSSIP, dem Projekt Offensive Sozialarbeit, Sicherheit, Intervention, Prävention, das 2004 gemeinsam vom Drogenreferat, dem Ordnungsamt, dem Polizeipräsidium und den Drogenhilfeeinrichtungen gegründet wurde. Ziel ist, den öffentlichen Drogenkonsum in Frankfurt zu minimieren und Zugang zu den Leuten zu bekommen, die nicht durch die Hilfeangebote erreicht werden können. "Hey Tom", "Hallo Tom, was geht", begrüßen ihn die Männer und Frauen auf dem Platz mit sichtbarer Freude in den Augen. Jeder kennt ihn, er kennt sie.
Tour durch das Bahnhofsviertel in Frankfurt: Drogenabhängige sind Menschen, denen geholfen werden muss
Nur eine Ecke weiter werden Crackpfeifen gestopft, Menschen torkeln, inhalieren und verdrehen die Augen. "Es sieht schlimm aus im Viertel", findet auch Ulrich Mattner. Der Szenekenner stellt eine neue Tour vor, die er ab Oktober mit Holz anbietet. "Crack, Koks und Heroin im Frankfurter Bahnhofsviertel" soll aufklären. Darüber, was Drogen mit Menschen machen und darüber, dass Drogenabhängige Menschen sind, denen geholfen werden muss. "Behinderte lässt man nicht auf der Straße vegetieren. Suchtkranke werden kriminalisiert statt inkludiert", sagt er und geht zügig an einer Gruppe vorbei, in der sogenannte Crack-Steine von einer Hand in die andere wandern. "Inkludieren" meint, den Suchtkranken zu helfen.

"Die meisten haben keine Krankenversicherung, keine Wohnung. Durch ihre Sucht haben sie alles verloren und geraten immer tiefer in die Elends-Spirale. Weil sie Stoff brauchen, brauchen sie Geld, weil sie Geld brauchen, werden sie kriminell", so Holz, der einst in die Drogenhilfe ging, weil er etwas verbessern wollte für diese Menschen. "Es war zu wenig, was sich in 26 Jahren, in denen im Bahnhofsviertel die Drogenszene aktiv ist, getan hat", sagt Holz, der jetzt in Wiesbaden beim Jugendhilfeverein Moja als Geschäftsführer arbeitet.
Frankfurter Weg als Liberalisierung von Drogenkonsum: "Wer krank ist, braucht Hilfe statt Ausgrenzung"
Der Frankfurter Weg ist eine Liberalisierung des Drogenkonsums. Allerdings mit verhärteten Vorgaben, die kaum angepasst werden. Wo früher Heroin gespritzt wurde, wird es jetzt geraucht oder gezogen. Dafür gibt es keine Hilfe. Das Züricher Programm, auf das die Stadt Frankfurt positiv geblickt hat, scheint in Frankfurt nicht übernommen zu werden, da es nach Ansicht von Mattner am Betäubungsmittelgesetz scheitert. In Zürich ist das offene Drogenproblem unter Kontrolle, weil es neben Repression, Prävention und Therapie auch Überlebenshilfe für die Süchtigen gibt.
Die Verelendung dieser Menschen auf der Straße ist dort nicht mehr existent. Das Recht auf soziale Hilfe ist dort nicht mehr an den Verzicht auf den Drogenkonsum gebunden. "So könnte man das Problem lösen. Wenn Drogenkranke woanders als auf der Straße übernachten können und nicht nur notfallmedizinische Hilfe bekommen, verschwindet das Elend. Nicht der Konsum an sich, aber vieles andere würde den Kranken, den Anwohnern und Geschäftsleuten im Viertel erspart bleiben", erklärt Holz.
"Crack, Koks, Heroin im Bahnhofsviertel": Aufklärung statt Elendstourismus in Frankfurt
Der Spaziergang ist zügig. "Das Viertel ist kein Zoo oder Elendstourismus. Der Anblick gepaart mit Erklärungen ist wichtig zur Aufklärung", sind sich Holz und Mattner einig. In einem Hotel werden Statistiken gezeigt, warum sich die Situation nicht längst gebessert hat. Die beiden Männer hoffen, dass damit auch die Stadt aufwacht, um sich intensiv für humane Verbesserungen der Drogenkranken einzusetzen. "Wer krank ist, braucht Hilfe statt Ausgrenzung. Die Kosten für Gefängnisstrafen, Polizeieinsätze und Imageschaden der Stadt würden enorm sinken. Den Menschen kann geholfen werden, damit sie wieder in die Gesellschaft integriert statt kriminalisiert werden." Der Kaisersack ist wieder voller Menschen. Die Polizeikontrolle von vorhin vergessen.
"Crack, Koks, Heroin im Bahnhofsviertel" gibt es am 17. Oktober, am 15. November und am 6. Dezember jeweils von 18.30 Uhr bis 20 Uhr für Teilnehmer ab 15 Jahren. (Sabine Schramek)
Im Frankfurter Bahnhofsviertel werden auch Führungen durch Laufhäuser angeboten. Domina „Vanessa“ erzählt dann von ihrem Alltag.