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Und plötzlich war Kennedy weg

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Wolfgang Kucera mit Dankschreiben und dem Autogramm von JFK.
Wolfgang Kucera mit Dankschreiben und dem Autogramm von JFK. © flon

Wolfgang Kucera organisierte vor 60 Jahren den Besuch des Präsidenten in Frankfurt

Frankfurt -Kennedy kommt einfach nicht. Wolfgang Kucera kann sich noch gut an die bangen Minuten vor der Paulskirche erinnern, damals, am 25. Juni 1963. Dort soll der damalige Stadtinspektor, der für das Protokoll verantwortlich ist, den mächtigsten Mann der Welt eigentlich begrüßen. Der Plan war, dass der US-Präsident nach seiner Rede auf dem Römerberg zu Fuß zur Paulskirche aufbricht. Doch weit und breit ist John Fitzgerald Kennedy nicht zu sehen. Was nun?

Die Nervosität wächst mit jeder Minute

Mit jeder Minute, die verstrich, wuchs Kuceras Nervosität. Er erinnert sich noch genau, dass er „ordentlich Herzklopfen“ hatte und dachte, dass etwas passiert sei. Dabei hatte Kucera alles minutiös geplant - so wie die Besuche zahlreicher weiterer Prominenter, Queen Elisabeth II und Albert Schweitzer gehörten dazu.

Nachdem sich Kennedy angekündigt hatte, um einen Tag vor seiner legendären „Ich bin ein Berliner“-Rede im geteilten Berlin in der Mainmetropole zu sprechen, liefen monatelange Vorbereitungen von Kucera und seinem Stab an. Anfang Mai 1963 reiste der Pressereferent des Weißen Hauses, Pierre Salinger, zu einer Stippvisite nach Frankfurt. Er besichtigte den Römer mit dem Kaisersaal und dann die Paulskirche, von deren Wirkung er begeistert gewesen sein soll: „A beautiful setting“ habe er geschrieben.

Salinger steckte das Programm grob ab, und Kuceras Team arbeitete den Ablauf dann en détail aus. Neben zahllosen organisatorischen Erwägungen musste sich der Stadtinspektor auch mit protokollarischen Fragen beschäftigen, etwa auf welcher Seite des Goldenen Buchs Kennedy seinen Eintrag machen sollte und wie der Einband dabei abzustützen sei. Und natürlich, wie die Sicherheit Kennedys gewährleistet werden kann: Obgleich der US-Präsident damals als „nicht gefährdeter Staatsmann“ eingestuft ist, sollten dennoch 2700 Polizisten den Besuch sichern.

„Um den Römer abzusperren und Kennedys Fußweg zur Paulskirche zu sichern, beschaffte die Stadt Frankfurt für 20 000 Mark zusätzliche transportable Absperrgitter“, berichtet der 92 Jahre alte Kucera, der in Bad Homburg lebt und noch heute das Hotel „Villa Rosengarten“ betreibt. Das Sicherheitskonzept arbeitete Kucera mit Kriminaldirektor Albert Kalk aus. „Auf den Dächern waren Scharfschützen postiert, und damit keiner aus dem Abwasserkanal krabbelt, hatte man die geflutet.“

Und dann also, am großen Tag im Frühsommer 1963, der wochenlang generalstabsmäßig vorbereitet worden war, ist Kennedy plötzlich verschwunden. Nach bangem und langem Warten ist Kuceras Erleichterung groß, als er erfährt, dass der charismatische Gast sich auf seinem Triumphzug von der Begeisterung hat mitreißen lassen und - zum Entsetzen des Secret Service - vom Protokoll abgewichen war, sich unter die rund 60 000 jubelnden Menschen auf dem Römerberg gemischt und unzählige Hände geschüttelt hat. „Absperrgitter wurden im Freudentaumel umgerissen, und der Präsident verschwand für kurze Zeit in der Menge“, sagt Kucera.

Das Interesse der Deutschen an dem Amerikaner, den manche gar für eine Art Messias hielten, war seinerzeit enorm: „Nachts um vier Uhr kamen die ersten Menschen auf den Römerberg, mittags war es so voll, das kann man sich gar nicht vorstellen“, erzählt Zeitzeuge Kucera.

Schon bei seiner Ankunft winkt Kennedy, die meiste Zeit stehend und in Begleitung des zukünftigen Bundeskanzlers Ludwig Erhard und des Ministerpräsidenten Georg August Zinn, aus der deutschen Staatskarosse - einem Mercedes Benz 300d-Pullmann Landaulet - den jubelnden Menschen am Straßenrand zu. Je näher er dem Römerberg kommt, desto dichter wird das Spalier der Menschen - am Ende sollen es allein in Frankfurt rund eine Million Bürger gewesen sein. Und auch der ehemalige Stadtinspektor, der später als „Springer“ in der Frankfurter Verwaltung arbeitete und in dieser Zeit auch Verwaltungschef des Zoos und des Palmengartens war, kann dem hohen Besuch noch die Hand schütteln und einige Worte mit ihm wechseln.

„Persönlicher Schatz“ mit Signatur

Wie Kennedy auf ihn gewirkt habe? „Er war sehr zugewandt, zeigte Interesse an seinen Mitmenschen und begegnete einem auf Augenhöhe“, lässt der Bad Homburger das Gespräch Revue passieren. Anders als etwa Queen Elisabeth II, die Kucera als eher „unterkühlt“ erlebt hat.

Endlich in der altehrwürdigen Paulskirche angekommen hält Kennedy dort dann eine politische Rede. Dieser zwischen 1789 und 1833 errichtete Zentralbau ist historisch eng verknüpft mit seiner Funktion als Tagungsort der Nationalversammlung in der deutschen Revolution von 1848/49. Trotz und auch wegen des Scheiterns dieses demokratischen Aufbegehrens gilt die Paulskirche bis zum heutigen Tage als Wiege der deutschen Demokratie.

Mit der Wahl dieses Ortes hob Kennedy die demokratische Geschichte Deutschlands hervor und stellte die Bundesrepublik in diese Traditionslinie. Vor mehr als 900 Zuhörern, darunter das Bonner Kabinett und Bundestagsabgeordnete, plädiert er in einem flammenden Appell für die transatlantische Partnerschaft. Auch hier: Kennedy kommt 1963 gut an in Frankfurt.

Und wie hat es dem amerikanischen Präsidenten gefallen? Offenkundig scheint er es ebenfalls genossen zu haben - jedenfalls bekommt Kucera einige Wochen später überraschend Post vom Amerikanischen Generalkonsulat in Frankfurt - mit einem signierten Bild des Präsidenten und einem Brief: „Sehr geehrter Herr Stadtinspektor Kucera, es ist uns eine Freude, Ihnen hiermit ein Bild Präsident Kennedys mit eigenhändiger Unterschrift als Zeichen seiner Anerkennung Ihrer wertvollen Unterstützung in Zusammenhang mit seinem Besuch in der Bundesrepublik vor einigen Monaten zu überreichen.“

Noch immer ist Wolfgang Kucera gerührt, wenn er diese Zeilen liest. Sein „persönlicher Schatz“ sei das, meint der Kurstädter, und Kennedys Besuch an jenem Tag im Frühsommer 1963 zweifellos der „Höhepunkt meiner Karriere “. JULIAN DORN

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