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Teure Fernwärme sorgt bei den Frankfurtern für Sorgen und Verwirrung

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Von: Thomas J. Schmidt

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Westhafen Frankfurt: Im Heizkraftwerk der Mainova im Hintergrund wird die Fernwärme erzeugt, in den Neubauten davor genutzt. FOTO: Michael Schick
Westhafen Frankfurt: Im Heizkraftwerk der Mainova im Hintergrund wird die Fernwärme erzeugt, in den Neubauten davor genutzt. © Michael Schick

Für Kunden sind die stark gestiegenen Preise kaum nachvollziehbar. Die Mainova verweist auf komplizierte Berechnungen.

Frankfurt -Erheblich steigende Kosten fürs Heizen ihrer Wohnungen machen zehntausenden Frankfurter Fernwärmekunden Sorgen. „Ich verstehe das überhaupt nicht“, klagt ein Bornheimer Mieter, der sich an diese Zeitung gewandt hat. „Bei uns im Hochhaus mit 144 Wohnungen ist die Abrechnung der Fernwärme unverständlich. Wir sparen, wir machen Wärmedämmung, und trotzdem zahlen wir mehr.“

Und dies sogar schon vor Putins Krieg: „Bei mir“, so der Mieter, „wurden 2020 989,54 Euro fällig für 71,07 Einheiten“, also die Umrechnung der Megawattstunden auf die Heizkörper im Haus. „Hinzu kamen 4,9 Kubikmeter Warmwasser.“ Im Folgejahr 2021 habe er trotz Energiesparens 1274,85 Euro bezahlt - für 69,87 Heizeinheiten und 4,2 Kubikmeter Warmwasser. Die Verteuerung ist zu erklären: Schon 2021 stieg der Rohstoffpreis deutlich.

14,53 Cent pro Kilowattstunde ohne Preisdeckel

Die im März in Kraft getretene Energiepreisbremse soll nun einen zusätzlichen Anstieg, verursacht durch die Energiekrise infolge des Kriegs in der Ukraine, abfedern: Die Fernwärmepreise sind auf 9,5 Cent brutto je Kilowattstunde gedeckelt, aber nur für 80 Prozent des Vorjahresbezuges. Der Rest muss voll bezahlt werden. Im Falle der Mainova sind dies 14,53 Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommen Grundpreis, Verrechnungspreis, CO2-Aufschlag.

Ab Jahresende, spätestens ab 20. April 2024, muss der neue Preis komplett gezahlt werden, weil die Energiepreisbremse ausläuft. Eine Familie in einem Reihenhaus mit zehn Kilowatt Anschlussleistung und 12 000 Kilowattstunden Verbrauch muss dann 2485,91 Euro im Jahr zahlen. In einem Mietshaus mit 30 Wohnungen, 160 Kilowatt Anschlussleistung und 288 000 Kilowattstunden Verbrauch werden pro Partei 1882,32 Euro fällig. „Wer soll das bezahlen?“, fragt Gerd Wilcken (SPD), langjähriger Stadtbezirksvorsteher von Bornheim. „Die Politik muss etwas machen, und zwar schnell.“

Viel Gas und Kohle, nur wenig Müll

Dass viele Wohnungen an die umweltschonendere Fernwärme angeschlossen wurden, hat die Politik nämlich selbst vorgegeben. Nicht nur in Großsiedlungen der Sechziger- und Siebzigerjahre wie der Nordweststadt oder am Bornheimer Hang wird mit Fernwärme geheizt. Den Anschlusszwang bestimmte die Stadtpolitik auch für neuere Wohngebiete wie Riedberg, Europaviertel, Rebstock, Parkstadt Höchst, den Frankfurter Bogen in Preungesheim und Sachsenhausens Deutschherrnviertel. Von den explodierenden Heizkosten und der Fernwärme-Unsicherheit sind dadurch nun viele zehntausende Frankfurter betroffen.

Noch gibt es Hoffnung, dass es nicht so schlimm kommt - zumindest für Fernwärmekunden. Die nächste Preiskalkulation der Mainova, die ab 1. Oktober gelten wird, könnte zur Reduzierung führen, weil sich der Fernwärmepreis stark an den zuletzt stark gesunkenen Kohle- und Erdgaspreisen ausrichtet.

Wärme aus Frankfurter Müll? Nix da!

Aber wie das? Der Mieter wundert sich: „Ich dachte, wir heizen umweltfreundlich mit Wärme aus der Müllverbrennung.“ Da irrt er sich. Die Mainova betreibt vier Heizkraftwerke, nur eines davon im Nordwesten verbrennt Müll. Die anderen laufen fossil. So wird in Niederrad Erdgas eingesetzt, in der Gutleutstraße Kohle und Gas. Das Heizkraftwerk Messe verfeuert Gas. CO2-neutral sind nur das Müllheizkraftwerk in Heddernheim und das Biomasse-Kraftwerk in Fechenheim, das aber noch nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen ist. In Summe sieht es in Frankfurt so aus: Gas liefert 41 Prozent der Fernwärme, Kohle 29 Prozent, Öl zwei Prozent, 28 Prozent die regenerative Energiequelle Müll.

Doch die Mainova macht es komplizierter und erstellt ihre Fernwärmerechnungen mit einer Formel mit ganz anderen Anteilen: Müll mit 15 Prozent, Kohle mit 25, Gas mit 30 Prozent. Die fehlenden 30 Prozent fallen zu gleichen Teilen auf Fixkosten, Lohnkosten und das „Marktelement“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich, dass Versorger durch Gerichtsurteile gezwungen sind, nicht nur ihre tatsächlichen oder prognostizierten Kosten an die Kunden weiterzugeben, sondern diese Kosten in Beziehung zu setzen mit dem Wärmemarkt insgesamt. Was für Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen sollte, macht die Fernwärmerechnungen noch unverständlicher.

Verbraucherschützer beklagen Intransparenz

Letztlich nämlich berechnen sich die Energiekosten über Brüche: Der Wert des aktuellen Jahres geteilt durch den Wert des sechs Jahre zurückliegenden Referenzjahres. Entscheidend ist dabei, welchen Durchschnittspreis die Märkte erwarten.

Beispiel Kohle: Hier wird für die nächsten zwölf Monate ein Tonnenpreis von im Schnitt 214,70 Euro erwartet. Vor sechs Jahren betrug er 63,08 Euro. Ergibt einen Faktor von 3,4, um den sich die Kohle verteuert hat. In die Mainova-Formel fließt das ein: 25 Prozent (Anteil der Kohle) mal 3,4. Beim Gaspreis noch schlimmer: Er ist um den Faktor sechs gestiegen, was die Mainova mit dem Anteil von 30 Prozent multipliziert.

Kein Wunder, dass da niemand durchsteigt, zumal alle Energieversorger nach eigenen Formeln rechnen. Die Intransparenz bemängeln Verbraucherschützer seit langem. Klar ist: Fernwärmekunden müssen zahlen, sie können den Anbieter nicht wechseln. Und die Preise steigen. Selbst wenn sich Kohle und Gas in den nächsten Monaten verbilligen sollten und Kunden ein wenig durchatmen können: So günstig wie vor der Energiekrise wird es wohl nicht wieder werden.

Mainova setzt auf Gas und Wasserstoff statt auf Erdwärme

Trotz hoher Gaspreise hält der Energieversorger Mainova an seinem Vorhaben fest, das Heizkraftwerk West (HKW) im Jahr 2026 von Steinkohle auf Erdgas umzustellen. Zwei Gasturbinen lösen dann die Kohleblöcke ab. Die Turbinen sollen in der Lage sein, Wasserstoff zu verbrennen und Strom und Heizwasser herzustellen. Das Heizwasser fließt ins Frankfurter Dampfnetz, das Fernwärmenetz, an das unter anderem die DFB-Akademie, der Uni-Campus Westend und der Palmengarten angeschlossen sind.

Laut Mainova fließt Heizwasser mit einer Temperatur von bis zu 130 Grad Celsius und einem Druck von 13 Bar durch die Fernwärmeleitungen. Das Fernwärmenetz ist 300 Kilometer lang. Die Gasturbinen könnten zu 75 Prozent Wasserstoff nutzen und später auf 100 Prozent „Wasserstofffähigkeit“ umgerüstet werden, sagt Sprecher Sven Birgmeier. Weil Wasserstoff noch nicht ausreichend verfügbar sei, bleibe Erdgas vorerst eine tragende Säule. Durch die Umstellung auf Erdgas stößt das Heizkraftwerk laut Mainova von 2027 an jährlich 400 000 Tonnen weniger CO2 aus. Der Ausstoß reduziere sich damit um die Hälfte. Die Investition beträgt 300 Millionen Euro.

Steinkohle aus den USA und Russland

Die Steinkohle, die im Heizkraftwerk West verbrannt wird, stammt aus den Vereinigten Staaten und aus Russland. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine prüft die Mainova, wie sie weniger Kohle aus Russland beziehen kann. Einen Einsatz von Erdwärme lehnt das Unternehmen aus technischen und räumlichen Gründen ab. „Der Einsatz von Geothermie ist für die Anforderungen des Kohleersatzes am HKW West nicht geeignet“, sagt der Sprecher. Um das Fernwärmenetz zu speisen, müsse Dampf mit bis zu 340 Grad Celsius und 18 Bar Druck zur Verfügung stehen. Das Heizwasser aus Geothermie sei aber kühler und habe weniger Druck.

Die Forderung nach einer Umstellung des Heizkraftwerks West auf Tiefengeothermie kommt von der CDU Sachsenhausen. Deren Vorsitzender Jochem Heumann weist darauf hin, dass das Wasser im Oberrheingraben und im Untergrund von Frankfurt in zwei bis drei Kilometern Tiefe bis zu 170 Grad warm sei. „Dieser natürliche Schatz muss gehoben und zur Gewinnung von Fernwärme, Strom und grünem Wasserstoff verwendet werden“, sagt er.

Erdwärme auf dem Rebstockgelände

In München versorgen die Stadtwerke Tausende Wohnungen mit Fernwärme aus heißem Thermalwasser. Dort befindet sich auch die größte Geothermieanlage Deutschlands, die Wärme für 80 000 Menschen liefern kann. Auch Frankfurt liege geografisch günstig und müsse „endlich handeln“, sagte Heumann.

In Frankfurt wurde auf dem Rebstockgelände bereits erfolgreich nach Erdwärme gebohrt. Das neue Rebstockbad in Frankfurt soll mit Erdwärme beheizt werden.

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