Uwe Becker: Der Katholik, der leidenschaftlich gegen Antisemitismus kämpft

Am 5. März haben die Frankfurter die Wahl: 20 Kandidaten bewerben sich um das Amt des Stadtoberhauptes. In einer Serie stellen wir einzelne Kandidaten vor. Heute: Uwe Becker (CDU).
Frankfurt -Uwe Becker (53) genießt einen seltenen Moment. Er steht mit seiner Frau Kerstin (50) in der heimischen Küche in Nieder-Eschbach und kocht. Auf dem Speiseplan steht Datscher. Das Gericht besteht aus Kartoffelteig und einer Soße aus Eiern, Sahne und Käse. Dazu gibt es Salat. „Das Rezept hat meine Mutter aus dem Sudetenland mitgebracht“, erzählt Uwe Becker. Schon seine Oma habe es gekocht. Alle in der Familie lieben das Gericht, auch die beiden Kinder (22), Zwillinge, ein Junge und ein Mädchen.
Während Uwe Becker die Kartoffeln schält, bespricht das Ehepaar, was an diesem Tag noch zu tun ist, welche Termine noch anstehen. Davon gibt es im Hause Becker derzeit nicht wenige. Uwe Becker befindet sich mitten im Wahlkampf. Am 5. März tritt er für die CDU bei der Oberbürgermeisterwahl an.
Sein Traum: An Frankfurts Spitze zu stehen
An der Spitze von Frankfurt zu stehen, davon träumt Becker bereits seit mehr als zehn Jahren. Zweimal wäre der 53-Jährige schon gerne angetreten. Doch die CDU entschied sich immer für andere Kandidaten. Einmal für Boris Rhein, heute Hessens Ministerpräsident, ein anderes Mal für Bernadette Weyland. Jetzt aber hat Becker eine Chance bekommen. „Ja, ich traue es mir schon länger zu, meine Heimatstadt maßgeblich zu führen“, sagt Becker und schiebt hinterher: „Den Menschen zu dienen. Es gibt nichts Schöneres in der Politik.“ Nach Berlin, in die Bundespolitik, habe es ihn hingegen nie gezogen, zu sehr sei er mit Frankfurt verwachsen. „Frankfurt ist mein Anker, hier schlägt mein Herz.“
In die Bundespolitik hat es ihn nie gezogen
Geboren ist Uwe Becker zwar in Bad Homburg, Nieder-Eschbach aber ist sein Heimatort. Die Familie ist in dem Stadtteil stark verwurzelt. Beckers Großonkel Heinrich, ein Sozialdemokrat, war vor der Nazi-Herrschaft und nach dem Zweiten Weltkrieg Bürgermeister in Nieder-Eschbach, eine Straße ist sogar nach ihm benannt. Und so ist dort auch Uwe Becker gemeinsam mit seinen zwei älteren Schwestern aufgewachsen, ging dort zur Schule, spielte beim Turn- und Sportverein Nieder-Eschbach Handball.
Wer sich mit Uwe Becker unterhält, erlebt einen bodenständigen Mann, der die Worte, die er ausspricht, bedacht auswählt. Er strahlt Ruhe aus, Gelassenheit. Das bestätigt auch seine Frau Kerstin. „Egal, was passiert, er bewahrt immer die Ruhe.“
Kennengelernt haben sich die Eheleute 1995 bei der Bankakademie. Sie arbeitete damals bei der Dresdner Bank, er bei der Frankfurter Sparkasse 1822. „Wir haben schnell gewusst, dass wir für immer zusammenbleiben wollen“, erzählt sie. 1997 machte Becker seiner Kerstin, eine gebürtige Kelsterbacherin, einen Heiratsantrag - im Flugzeug auf dem Weg von Frankfurt nach Paris. Das war natürlich zuvor mit der Lufthansa abgesprochen. „Der Pilot hat durchgesagt, dass es ein Problem gibt und hat Uwe nach vorne ins Cockpit gebeten“, erzählt sie. Das habe bei einigen Fluggästen für einen Schreck gesorgt. Kerstin Becker aber habe gleich geahnt, was passieren wird. Uwe Becker griff zum Bordmikrofon und hielt um die Hand seiner Freundin an. Sie sagte „Ja“, die Passagiere applaudierte und von den Flugbegleiterinnen gab es noch Rosen und eine Flasche Sekt geschenkt. Bei der Geschichte bekommt Kerstin Becker noch heute funkelnde Augen. „Ich fand das schön. Ich mag Kitsch“, sagt sie. Die Hochzeit folgte 1999. Die Zwillinge erblickten 2000 das Licht der Welt.
Schon als Kind politisch aktiv
Damals war Becker bereits politisch aktiv. „Ich habe schon als Kind zusammen mit meinen Eltern abends die Nachrichten geschaut und das Weltgeschehen eingesaugt“, erzählt er. Als Jugendlicher schloss er sich dann der Jungen Union an. Der Grund dafür waren die Grünen. Denn eigentlich stand Becker damals noch den Sozialdemokraten nahe, so wie sein Vater, der Fabrikarbeiter war. Doch als sich die SPD in den 1980er Jahren immer mehr den Grünen annäherten, konnte Becker mit dieser Entwicklung nichts mehr anfangen. „Die SPD war mit ihren Positionen nicht mehr meine Partei“, sagt Becker. Er selbst orientierte sich zu den Konservativen.
Bei der CDU machte sich Becker schnell einen Namen. 1995 wurde er in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. 2001 übernahm er den Vorsitz der CDU-Fraktion im Römer. 2004 wechselte er hauptberuflich in die Politik, wurde Geschäftsführer der Fraktion. Zwei Jahre später wurde er zum hauptamtlichen Stadtrat gewählt, war zunächst Dezernent für Soziales, Jugend und Sport. 2007 wurde er Stadtkämmerer. Von 2016 bis 2021 war er zusätzlich Bürgermeister. Dann wählte ihn die neue Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt ab. „Das hat natürlich weh getan.“ Die Option, der Politik den Rücken zu kehren, gab es für ihn aber nicht. Seit 2022 ist er hessischer Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten. „Ich wollte mich weiter gesellschaftlich und politisch einbringen“, sagt Becker. Er hat am Esstisch Platz genommen. Hinter ihm an der Wand hängt ein Bild vom See Genezareth in Israel. Auch über dem Sofa hängt eine große Fotografie, die den Sonnenuntergang über dem Meer vor Tel Aviv zeigt.
Sein Herz schlägt für Israel
Israel - für dieses Land schlägt Beckers Herz. 2004 besuchte er auf einer Delegationsreise erstmals Frankfurts Partnerstadt Tel Aviv. „Ich verliebte mich sofort in Land und Leute“, erzählt der Katholik. „Die Dynamik, die Energie, die von diesem Land ausgeht, hat mich fasziniert.“ Doch einfach nur in das Land reisen, reichte ihm nicht aus. Er engagiert sich als Präsident der Freunde der Tel Aviv University in Deutschland und in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Seit 2019 ist er hessischer Antisemitismusbeauftragter. „Ich will, dass Juden, egal ob in Frankfurt oder in Tel Aviv, ohne Angst leben können.“
Die Unterstützung für sein politisches und gesellschaftliches Engagement bekommt Becker seit jeher - auch jetzt wieder - von seiner Frau. Sie hält ihm in all den Jahren den Rücken frei. Sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, arbeitet selbst nur in Teilzeit. Dass sie oft alleine zu Hause ist, stört sie nicht. „Ich kenne es nicht anders“, sagt Kerstin Becker. Die OB-Kandidatur ist für sie eine Selbstverständlichkeit. „Wir alle wissen, wie sehr sein Herz daran hängt“, sagt sie. Er fügt hinzu: „Ohne sie würde das aber nicht gehen.“
Und so würde sich eines zumindest nicht ändern, sollte Uwe Becker die OB-Wahl in Frankfurt gewinnen. Zeit, um mit seiner Frau Kerstin gemeinsam zu kochen, würde er weiterhin wenig haben.