Viel Bürokratie für 8,50 Euro

Mehr als 100 Tage gilt das Mindestlohngesetz nun schon, und außer Ärger über den zusätzlichen bürokratischen Aufwand gibt es nur wenige Nachteile. Nicht einmal die Verfügbarkeit von Taxis hat sich verringert, und das, obwohl Taxifahrer zu den wenigen Berufsgruppen gehören, deren Jobs wegen des Mindestlohns weniger werden.
Harald Fiedler, der Vorsitzende der DGB-Region Frankfurt Rhein-Main, weiß: 160 000 Arbeitnehmer in der Region profitieren vom Mindestlohn, darunter 80 000 geringfügig Beschäftigte. Zur Region zählen neben Frankfurt auch der Taunus, Limburg, Wiesbaden und der Rheingau.
Taxigedränge nahm ab
Am massivsten hatte das Taxigewerbe vor der Einführung des Mindestlohns gewarnt. Hier haben die Beschäftigten durchweg weniger als 8,50 Euro verdient. „Sonntagsnachts haben sich die Fahrzeuge auf den Stellplätzen gedrängt“, sagt Thomas Schmidt, Geschäftsführer der Vermittlung Taxi68 mit rund 90 Fahrzeugen. „Mittlerweile passiert das nicht mehr.“ Wenn kein Umsatz zu erwarten sei, stehen die Autos im Betriebshof. Einen Fahrer dafür zu bezahlen dafür, dass er wartet, sei zu teuer. „Wir müssen die Wartezeit ja als Arbeitszeit rechnen.“ Michael Jenisch, Sprecher des Ordnungsamts, berichtete, dass sich noch niemand beschwert habe, weil zu wenige Taxis unterwegs seien, die Wartezeit zu lange sei.
Manche Stelle ging verloren. Noch 30 Fahrer arbeiten für Sandeep Sandhu in der Rödelheimer Landstraße. Der Taxiunternehmer hatte vor 2014 noch 43 Fahrer beschäftigt. „Zehn musste ich bis jetzt entlassen, drei haben sich selbst etwas Neues gesucht“, sagt der Chef. „Es ist momentan schwer für uns.“
Eine Bilanz der Jobverluste kann Hans-Peter Kratz, der Vorsitzende der Taxivereinigung Frankfurt, nicht ziehen. In Frankfurt waren bis Ende 2014 rund 5000 Fahrer für 1100 Unternehmen in 1712 konzessionierten Fahrzeugen unterwegs. „Ich glaube, viele warten noch ab, ob es sich wieder rechnet, wenn die Taxitarife erhöht worden sind“, so Kratz. Um 15 Prozent will die Vereinigung die Tarife anheben. Zurzeit prüft die Stadt den Antrag. Entschieden wird im Sommer.
In den Tankstellen-Shops sind die Preise bereits gestiegen. Peter Hengstermann, Bundesvorsitzender im Tankstellen-Interessenverband, berichtet, dass nur so die Aushilfen in der umsatzschwachen Zeit bezahlt werden könnten. Immerhin: „Ein Drittel bis zur Hälfte der zusätzlichen Lohnkosten wegen des Mindestlohns tragen die Mineralölgesellschaften in Form einer Reduzierung der Pacht.“ Dies sei ein Erfolg der Lobbyarbeit.
Das Mindestlohngesetz brachte zusätzliche Bürokratie. Felix Diemerling, Inhaber der Baudekoration Diemerling GmbH und Regionalobermeister der Maler- und Lackiererinnung, klagt: „Selbst Hilfskräfte bekommen bei uns laut Tarif mehr als neun Euro pro Stunde. Trotzdem müssen wir jetzt für jeden Mitarbeiter – gewerbliche wie kaufmännische – die Arbeitszeit protokollieren.“ Er würde ja diesen zusätzlichen Aufwand gerne betreiben, sagt Diemerling. „Wenn es denn etwas bringen würde. Aber der Zoll ist so schwach besetzt, der kann auf den Baustellen niemanden abschrecken.“ Schwarzarbeit, Sozialversicherungsbetrug und Unterbezahlung seien dort der Alltag, Mindestlohngesetz hin oder her.
Keine unbezahlte Arbeit
Deniz Saat, Direktor des Hotels Mainstation mit sieben Angestellten, sieht jedoch auch Vorteile: „In unserer Branche ist die Erfassung der Arbeitszeit auch eine Frage der Gerechtigkeit. Ich habe in anderen Funktionen erlebt, dass Mitarbeiter zehn Stunden gearbeitet haben, aber nur acht bezahlt bekamen.“ Gerechte Dienstpläne, Überstundenzahlung oder Freizeitausgleich seien jetzt leichter durchzusetzen. Die Lohnkosten dürften steigen, auch wenn bislang schon kein Lohn niedriger war als 8,50 Euro.
Für Studenten auf der Suche nach Jobs waren die Zeiten selten besser als jetzt. „Ich bin erstaunt, wir erhalten mehr Angebote als zuvor“, sagt Katrin Wenzel, Sprecherin des Studentenwerks. Etwa 75 Stellen sind zurzeit offen.