Viel Dreck und Duschen auf der Wiese

Mieter fordern Modernisierungsvereinbarung
Modernisierungsmaßnahmen durch die Nassauische Heimstätte in der Adolf-Miersch-Straße sollen Mieterhöhungen zwischen 120 und 180 Euro pro Monat mit sich bringen. Dagegen wehren sich die Anwohner und haben sich zusammengeschlossen.
Keine Antwort auf Rückfragen
Schöne Bescherung: Heiligabend brachte der Briefträger die Vollmacht zur Modernisierung der Wohnung. Bis zum 11. Januar sollte eine Vollmacht an die Nassauische Heimstätte (NH) übergeben werden. Rückfragen per Brief wurden nicht beantwortet. Stattdessen sei eine Mahnung gekommen. So schildern es zumindest Anwohner der Adolf-Miersch-Siedlung. „Es wird Druck gemacht“, sagt Daniel Katzenmaier von der Mietergewerkschaft Frankfurt. Er kennt die Ängste der Mieter ebenso wie Jürgen Ehlers, Wilfried Michel und Rita Krötz von der Nachbarschaftsinitiative Nordend, Bornheim, Ostend (NBO).
In diesem und im kommenden Jahr sollen viele Wohnungen in der Adolf-Miersch-Straße energetisch saniert werden. Das gab es bereits in der Jugenheimer Straße, die zur Siedlung gehört. Mit schlechten Erfahrungen. „Eine Ersatzwohnung gab es nur wegen Corona. Die war erst nicht zu finden, weil es keinen Terminplan vom Vermieter gab. Ich musste mir ein Hotel suchen. Vorkasse wurde nur auf massiven Druck für das Zimmer geleistet und ich musste wegen Bauverzögerung zweimal umziehen. Es sind noch eine ganze Menge Kosten offen“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte. Aus Angst vor Repressalien.
Im August begann die Sanierung, die im Oktober fertig sein sollte. Erst im Januar konnte sie wieder zurück in ihre Wohnung. „Vor der Sanierung habe ich 40 Euro im Monat für Gas und Heizung bezahlt. Jetzt 80 Euro“, sagt sie. Ob sie weniger Energie verbrauche, wisse sie noch nicht. „Zumindest zieht es nicht mehr durch die Fenster. Aber ich habe immer wenig Energie verbraucht. Das Bad, das komplett rausgerissen wurde, obwohl es erst 2016 eingebaut wurde, ist durch ein gleiches wie früher ersetzt worden.“ Noch sei die Miete gleich, sie werde um 100 bis 120 Euro erhöht für die 55 Quadratmeter, für die sie 500 Euro zahlt.
Bad und Küche werden erneuert
„Seit 55 Jahren wohne ich hier. Jetzt soll ich ab März in einem Container auf der Wiese duschen und auf die Toilette gehen und in dem Baudreck wohnen, wenn Bad und Küche rausgerissen werden für die neuen Rohre. Das mache ich nicht mit. Ich unterschreibe nichts, wenn ich keine Ersatzwohnung bekomme“, sagt eine andere Mieterin wütend. Ehlers nickt. „Es ist sehr viel unklar. Auch die angeblichen Einsparungen für die Energie- und Heizungskosten. Die ersten Abrechnungen zeigen keine geringeren Kosten für die Mieter. Sie können nicht mehr ihren Anbieter frei wählen, sondern müssen die teuren Preise einer Tochtergesellschaft der NH zahlen.“
Mit Hilfe der NBO und der Mietergewerkschaft haben die etwa 55 Prozent der Betroffenen, die nicht unterschrieben haben, eine Modernisierungsvereinbarung aufgesetzt. Darin wird unter anderem Ersatzwohnraum für die Dauer der Modernisierung gefordert, eine Anpassung der Miete um höchstens 50 Euro und ein verbindlicher Zeitplan für die Bauarbeiten. Das Papier sei der NH im Oktober zugegangen. Erst vor kurzem sei der Mietergemeinschaft schriftlich ein Gesprächsangebot der NH zugegangen, in dem sie sich bereit erkläre, eine kollektive rechtsverbindliche Vereinbarung zu treffen. Einen Termin gebe es noch nicht.
Michel berichtet, dass es Infostände und Proteste gab. Anfragen an den abgewählten Oberbürgermeister seien ebenso wenig beantwortet worden wie an Wohnungsbauminister Tarek Al-Wazir (Grüne), der auch Aufsichtsrat der NH ist. „Die Mieten sollen je nach Wohnungsgröße um 120 bis 180 Euro im Monat erhöht werden. Die NH gehört zu fast 90 Prozent dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt. Sie sollte denken, dass sie ein Vorbild sei für eine sozial gerechte Modernisierungsvereinbarung“, so Ehlers.
Schlechter Schlaf aus lauter Angst
„Einige Mieter wohnen nach dem Wiederaufbau seit über 50 Jahren hier, viele andere arbeiten in systemrelevanten Berufen am Flughafen, an der Uniklinik, in Kitas oder Reinigungen“, weiß Katzenmaier. Eine Mieterin ist den Tränen nah. „Ich kann vor Sorge kaum noch schlafen. Ich habe Angst. Angst, entwurzelt zu werden.“ SABINE SCHRAMEK