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Visuelle Tagebücher erzählen Zeitgeschichte

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Von: Gernot Gottwals

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Der Fotograf Bernhard Hüsken mit einem seiner Lieblingsmotive: dem scheinbar unverwüstlichen Zeitungsverkäufer an der Kreuzung Miquel-/Adickesallee mit der Eschersheimer Landstraße.
Der Fotograf Bernhard Hüsken mit einem seiner Lieblingsmotive: dem scheinbar unverwüstlichen Zeitungsverkäufer an der Kreuzung Miquel-/Adickesallee mit der Eschersheimer Landstraße. © sauda

Bernahrd Hüsken (69) stellt in Sachsenhausen 62 Bilder aus vier Jahrzehnten aus.

Der bedächtige Herr mit Zigarre, der Zeitungsverkäufer auf der Straße oder die fürsorgliche Krankenschwester: Wenn Bernhard Hüsken (69) fotografiert, kommt es ihm weniger auf das perfekte Arrangement an, sondern auf den richtigen Augenblick und den Menschen in seiner momentanen Situation. „Meine Fotos sind visuelle Tagebücher“, stellt Hüsken fest. Sie dokumentieren Alltagwelten mit den zugehörigen Leuten, Stationen, Gebäuden und Umgebungen.

Als die Welt noch analog war

„Menschen Leben“ heißt daher Hüskens aktuelle Ausstellung, die gestern in der Stadtteilbibliothek eröffnet wurde. Es handelt sich um eine Werkschau mit 62 Bildern der vergangenen 40 Jahre, die über die BSW-Fotogruppe Frankfurt zustande kam. „Die ältesten Bilder mit analoger Schwarzweißkamera entstanden noch in der Dunkelkammer, ich wechselte dann bald zur digitalen Fotografie und setze auch Farben ein, wenn sie die Stimmung besser zum Ausdruck bringen“, sagt Hüsken.

So wie bei dem Frankfurter Zeitungsverkäufer, den man übrigens unter dem Namen Dirk von der Eschersheimer Landstraße kennt. „Die rote Farbe von Dirks Kleidung, den verkauften Boulevardzeitungen und den roten Rücklichtern der Autos ergänzen sich hier zu einer Einheit“, sagt Hüsken.

Der Rundgang beginnt mit frühen Portätbildern etwa aus der Zeit der 1980er Jahren. Aus dieser Zeit stammt auch das Foto vom Herrn mit Zigarre: „Ich habe es inzwischen digitalisiert. Dass es mit einer analogen Kamera fotografiert wurde, könnten Experten bei einem Originalabzug anhand der Abstufungen der Grautöne erkennen“, verrät Hüsken.

Acht Bilder von kranken Menschen erzählen auch von Hüskens langjährigem Beruf als pflegerischer Leiter von Intensivstationen in der Uniklinik, in der Klinik Rotes Kreuz und im Bürgerhospital. Sie bilden eine große Bandbreite im Krankenalltag ab, von der fürsorglichen Krankenschwester, die sich einer betagten Patientin mit liebevoller Hingabe widmet, bis zu eher einsamen Patienten, nach denen wenig geschaut wird.

Besondere Erinnerungen hängen auch an einem älteren Mann, der als Schwerkranker wehmütig aber würdevoll in die Kamera blickt. „Dass er wenige Tage später sterben sollte, konnte man zum Zeitpunkt des Fotos jedoch nicht wissen“, sagt Hüsken. Von anderen Patientinnen sieht man nur ein schlafendes Auge oder den Griff nach dem Glas Wasser, dem Element des Lebens.

„Die Bilder meiner Ausstellung kann man kaufen, doch möchte man sich einige davon nicht unbedingt an die Wand hängen“, räumt Hüsken ein. Doch es gibt Ausnahmen: Etwa die Abendstimmung am Meer und den Spaziergänger, der wie ein flüchtiger Schatten über den Strand huscht- möglich macht es die längere Belichtungszeit. Stimmungsvoll inszeniert sind auch ein neugieriger Sonnenblick zwischen den Doppeltürmen der Deutschen Bank oder die gekonnte Inszenierung einer Straßenunterführung, in der sich zwei Personen begegnen. „Hierfür habe ich zwei einzelne Bilder zusammengefügt“, erklärt Hüsgen.

Doch zur Straßenfotografie gehören auch Bilder von bettelnden Personen und dem Einsatz von Polizeikräften bei Demonstrationen. „Manche meiner Aufnahmen sind auch bei der Aktion Occupy Frankfurt entstanden“, sagt Hüsken. Hier wird das visuelle Tagebuch zum Dokument eines Zeitzeugen. Apropos: „Dass Fotografen irgendwann nicht mehr selbst unterwegs sind, um ihre Eindrücke festzuhalten, sondern mit der Hilfe von künstlicher Intelligenz ihre Bilder zusammenzumontieren, sind meine größten Bedenken für die Zukunft der Fotografie.“ Denn so entstandene Fotos wären keine Zeitzeugnisse mehr.

Die Öffnungszeiten Bis zum 16. Juni, montags und freitags 11- 17 Uhr, dienstags und donnerstags 13 bis 19 Uhr, mittwochs 11-19 Uhr, samstags 11 bis 14 Uhr.

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