Vogelfänger wird nur verwarnt

Stieglitzen an den Mainwasen nachgestellt
Er ist bunt, etwa 12 Zentimeter groß, federleicht, possierlich und sein abgehackter Ruf „Stieg-Lit“ hat dem Distelfink seinen zweiten Namen eingebracht. Im Juni vergangenen Jahres hatte die Tierschutzorganisation PETA Strafanzeige gegen einen Mann erstattet, der in einer Kleingartenanlage an den Mainwasen diese bedrohten Singvögel gefangen und damit gegen das Bundesnaturschutzgesetz und das Tierschutzgesetz verstoßen haben soll. Für den Täter endete der Fall nun mit einer bloßen Verwarnung. Laut Augenzeugenberichten fing der Mann mehrere Stieglitze, um sie anschließend als „Haustiere“ zu verkaufen. Da aber nur der Fang eines Vogels anhand von Bildmaterial nachgewiesen werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Az. 7130Js / 226143/21) das Verfahren im Februar 2022 ein und gab den Fall zur Prüfung und Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit an die zuständige Behörde der Stadt ab. Das Frankfurter Rechtsamt teilte nun mit, dass die Untere Naturschutzbehörde das Vergehen als geringfügige Ordnungswidrigkeit gemäß einstufte und das Verfahren „mit einer Verwarnung ohne Verwarngeld“ abschloss.
An dieser Entscheidung der Naturschutzbehörde Frankfurt, den Täter ohne Bußgeld davonkommen zu lassen, übt PETA scharfe Kritik. „Singvögel aus der Natur einzufangen, ist ein Verbrechen an der Natur und an den eingesperrten Tieren selbst. Dennoch hat die Naturschutzbehörde in Frankfurt der Tat weniger Gewicht beigemessen, als Falschparken“, so Peter Höffken, Fachreferent bei PETA. „Die ’Verwarnung ohne Verwarngeld’ hat keinerlei abschreckende Wirkung. Dass Frankfurt es nicht für nötig hält, wenigstens ein paar Euro Bußgeld gegen die Plünderung der Natur zu verhängen, ist beschämend und gefährlich.“
Für einige selbsternannte Vogelliebhaber sind Stieglitze wegen ihrer bunten Farben und ihrem schönen Gesang begehrte Trophäen. In einem Käfig verkümmern die Tiere aber und sterben oft viel zu früh. Wie alle Singvögel stehen sie unter Schutz und dürfen nicht eingefangen werden. Stieglitze gehören zur Familie der Finken und sind fast überall in Deutschland zu Hause. Im Frühjahr gehen sie auf Partnersuche und folgen dem Gesang.
Wegen des Verlusts an Lebensraum hat sich die Anzahl der Tiere in Deutschland seit 1990 halbiert. Michael Hormann von der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland hob 2016 hervor, wie bedeutend die Frankfurter Kleingärten für das Überleben der Tierart seien. Noch knapp 400 000 Brutpaare gebe es in Deutschland. „Das ist zwar noch recht viel. Aber es ist alarmierend, dass eine Art immer mehr verschwindet, die eigentlich mit vielfältigen Bedingungen zurechtkommt.“ Damit stehe der Stieglitz für viele andere Arten, die ebenfalls bedroht sind. 2016 wurde er deshalb zum Vogel des Jahres gekürt. Stieglitze leben gerne in kleinen Gruppen, „bilden sogar Wohngemeinschaften“, so Hormann. „Oft bauen sechs Paare ihre Nester in unmittelbarer Nähe, manchmal sogar im selben Apfelbaum.“ Bedroht sei der kleine Singvogel, der auch den Winter in Deutschland verbringt, weil sein Lebensraum immer schneller verschwinde. Dabei sei es gar nicht schwer, für den Stieglitz ein Netzwerk kleiner Biotope zu schaffen - auch in Frankfurt. ou/hau