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„Vollmundiges Schöppche“: Frankfurt erwartet neuen Apfelweinjahrgang

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Von: Holger Vonhof

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Die Apfelernte in Frankfurt war wie in ganz Hessen in diesem Jahr eher durchschnittlich. Auf die Aromatik des Apfelweins hat das aber keinen Einfluss.

Frankfurt - Alexander Nöll, der Juniorchef der mehrfach preisgekrönten Alt-Griesheimer Kelterei Nöll aus Frankfurt, fährt mit den Händen durch die Apfelhäcksel, die per Schlauchleitung aus der Mühle in die große Bandpresse gepumpt werden, und strahlt; ein süßlicher Duft liegt in der Luft. Die Äpfel sind geerntet und die Produktion des „Frankfurter Nationalgetränks“, das sogar Weltkulturerbe ist, kann beginnen. „Wir haben eine schöne Aromatik, eine schöne Säure und einen hohen Zuckergehalt.“ Die Sonne hat den Äpfeln rote Bäckchen gemacht, und rote Bäckchen - Verzeihung: Wangen - werden auch die Apfelweintrinker bekommen, denn mehr Zucker bedeutet, dass der Alkoholgehalt höher liegt.

In Hessen wird Apfelwein nach traditioneller Herstellung ohne Zugabe von Fremdzucker und in vollständiger Gärung produziert. Der hessische Apfelwein hat deshalb etwa 5,5 Prozent Alkohol und enthält damit im Gegensatz zu Wein aus Trauben, der einen Alkoholgehalt von 9 bis 14 Prozent hat, erheblich weniger Umdrehungen. Das, was jetzt aus der Presse fließt, hat mehr Öchsle als sonst; bei unverschnittenen 6,5 Prozent dürfte der diesjährige Apfelwein landen. „Das wird ein aromatisches, vollmundiges Schöppche“, schätzt Alexander Nöll.

Apfelwein aus Frankfurt: Keltereien starten mit Herstellung nach Ernte - „Da geht und das Herz auf“

Für ihn als Mitglied des Verbandes der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaftkeltereien beginnt jetzt die wichtigste Zeit des Jahres: Gestern hat der Obstbauer eine Lkw-Ladung Äpfel angeliefert; jetzt wird gekeltert. „Wegen des langen, heißen Sommers rechnen wir zwar mit einer etwas geringeren Erntemenge als im vergangenen Jahr, aber dafür mit einem qualitativ hochwertigen Apfelwein“, sagt Martin Heil, der Verbandsvorsitzende der hessischen Kelterer. Zusammen mit Staatssekretär Oliver Conz aus dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eröffnete er gestern in der Kelterei Nöll die Kelter-Saison, die - je nach Sorte - bis etwa Ende Oktober dauert. „Die Mühle läuft nur ein paar Wochen, das ist schon etwas Besonderes“, sagt Heil, „Da geht uns das Herz auf.“

Sind die Äpfel gemahlen, werden die breiigen Häcksel in den Trichter der Bandpresse gepumpt. Sie presst den Saft aus dem Fruchtfleisch, der jetzt saisonal als „Süßer“ getrunken wird oder aber bis zum Winter zu Apfelwein vergärt.
Sind die Äpfel gemahlen, werden die breiigen Häcksel in den Trichter der Bandpresse gepumpt. Sie presst den Saft aus dem Fruchtfleisch, der jetzt saisonal als „Süßer“ getrunken wird oder aber bis zum Winter zu Apfelwein vergärt. © Maik Reuß

„Jetzt haben wir Berlepsch, Boskop, Braeburn und ein paar Cox-Sorten bekommen“, zählt Alexander Nöll auf. „Später kommen dann noch Trierer oder Bohnapfel dazu, die mehr gerbstofforientiert sind.“ Nölls Äpfel kommen aus dem Vordertaunus, von der Bergstraße und aus dem Odenwald. Die rund 30 familiengeführten Keltereien des Verbandes kaufen derzeit alles auf, was sich zum Keltern eignet: Die Apfelwein-Lager der hessischen Gastronomie sind weitgehend leer; der lange Sommer und die entspannte Pandemie-Lage haben dazu geführt, dass viel Apfelwein durch hessische Kehlen geflossen ist. Martin Heil fordert die Menschen dazu auf, ihre Streuobstwiesen abzuernten und das Obst nicht am Boden verfaulen zu lassen: „Äpfel gehören ins Glas.“

Energiekrise wirkt sich auch auf die Apfelweinproduktion in Frankfurt aus

Wie andere Gewerbe haben auch die Kelterer mit den hohen Energiepreisen zu kämpfen: Apfelsaft muss erhitzt werden, um ihn haltbar zu machen; Chemikalien sind hierzulande verboten. Auch fehlende Kohlensäure und der Fachkräftemangel macht den Kelterern Sorgen, aber die Kunden honorieren das hessische Traditions-Handwerk und seine ökologische Komponente, die nicht bei Streuobstwiesen und Insekten- oder Vogelvielfalt endet: Die Mitglieder des Verbands der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaft-Keltereien füllen ausschließlich in umweltfreundliche Verbands-Mehrwegflaschen ab: „Da schert keiner aus“, freut sich Heil. „Wir sehen positiv in die Zukunft, denn wir wissen: Wir haben tolle Produkte.“

Übrigens: Die meisten Keltereien zahlen für angelieferte Äpfel einen höheren Preis als im Vorjahr. In der Griesheimer Kelterei Nöll kann man seine Äpfel nach Gewicht verkaufen oder sich ein Kontingent aufschreiben lassen, um dann übers Jahr gegen eine kleine Zuzahlung Apfelsaft und Apfelwein zu beziehen. (Holger Vonhof)

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