Von Generation zu Generation

Schau von Rafael Herlich zeigt Alltag jüdischer Familien
Für die Schillerschüler ist es ein Blickfang. 14 Portraits jüdischer Familien hängen im Flur, der zur Schulaula führt. „Die Schüler sind sehr interessiert. Ich habe schon viele vor den Fotos stehen sehen“, berichtet Schulleiterin Claudia Wolff. Sie bietet der Fotoausstellung von Rafael Herlich Raum - zunächst geplant für eine Woche. Doch schon gestern bei der Vernissage bat sie um eine Verlängerung. Also: Zwei Wochen.
Herlich freute sich darüber. „Ich bin froh, wenn die Kinder und Jugendlichen die Bilder sehen und darüber nachdenken“, sagt der engagierte Fotograf. Er ist aktiv in der jüdischen Gemeinde und portraitiert das Leben dort seit Jahrzehnten. So sind auch die Fotos entstanden. Sie zeigen meist Familien - alt und jung. Die Alten, die, als sie jung waren, unter dem Schrecken des Nationalsozialismus gelitten haben. Ein Ehepaar umgibt das Enkelkind, beide mit blankem Arm, bei beiden ist eine inzwischen verblasste und etwas verschwommene Tätowierung zu sehen - die Gefangenennummer aus dem KZ. „Sie haben überlebt“, sagt Herlich über die von ihm portraitierten. „Sie haben dem Tod getrotzt und das Leben weitergegeben.“ Daher der Titel der Ausstellung: Von Generation zu Generation.
Auf den meisten Bildern sind die Alten - viele leben schon nicht mehr - mit ihren Kindern und Enkeln abgebildet. Wie bei Benjamin Graumann vom Vorstand der jüdischen Gemeinde. Er war bei der Vernissage gestern dabei. „Das ist mein Großvater Salomon“, sagt er und deutet auf das Foto. Wer will, kann sich die Geschichten hinter den Bildern mittels QR-Code aufs Smartphone holen. Dann wird jeweils ein kurzer Text vorgetragen. Ein Gadget, das Herlich bei dieser Ausstellung zum ersten Mal probiert.
Für Harry Schnabel, ebenfalls Vorstandsmitglied, ist das Zusammenleben der Juden mit den Nichtjuden beides: Einfach und schwierig. „Am liebsten“, sagt er, „ist es mir, wenn man ganz normal reden kann. Über Fußball, über die Politik. Man muss nicht immer über das Judentum reden, man muss nicht immer über unsere Erfahrungen mit den anderen reden. Wir sollten ganz normal zusammenleben.“ Die jüdische Gemeinde Frankfurt mit 6500 Mitgliedern sei fast eine Kleinstadt - mit allem, was dazugehört. „In die jüdische Schule gehen 40 Prozent nichtjüdische Kinder“, sagt Schnabel.
Antisemitismus sei das eine, aber Schulleiterin Wolff glaubt, dass es häufig nur eine Verharmlosung, Bagatellisierung des Bösen ist, wenn Jugendliche Hakenkreuze schmieren. Das seien keine Antisemiten. Sie wollten provozieren. Wie an der Schillerschule 2018. „Seitdem haben wir ein Auge drauf, dass das nicht verharmlost wird. Wir machen Veranstaltungen zum Thema“, sagt Wolff. „Ab der neunten Klasse bieten wir das an.“ An der Schule sei seitdem nichts mehr vorgefallen.
Eines der Angebote an diesem Tag, anlässlich der Ausstellungseröffnung, ist eine Lesung: Bertil Oppenheimer, Schwede mit deutscher Familiengeschichte, hat diese Familiengeschichte erforscht und berichtet den Schülern in der voll besetzten Aula, auf welch gefährlichen Wegen seine Eltern den Nazis entkamen und wie verschlungen die Wege in Schweden wurden - bis sie endlich als Flüchtlinge anerkannt waren und bleiben durften. tjs