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Frankfurts Wahlkreis der Kontraste: Von Verelendung, Verödung und Verdrängung

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Kein ungewöhnlicher Anblick im Bahnhofsviertel: Dealer und Drogenabhängige werden von der Polizei kontrolliert. FOTO: Bernd Kammerer
Kein ungewöhnlicher Anblick im Bahnhofsviertel: Dealer und Drogenabhängige werden von der Polizei kontrolliert. © Bernd Kammerer

Vom beschaulichen Eckenheim bis zum noblen Westend: Der Wahlkreis 36 könnte unterschiedlicher nicht sein.

Frankfurt – Mitten im Stadtgebiet liegt der Wahlkreis 36 und bildet - zumindest geografisch betrachtet - das Herz von Frankfurt. Und so steckt auch in den neun Stadtteilen, die der Wahlkreis umfasst, alles, was die Mainmetropole ausmacht: von dem kleinen, schnuckeligen Fachwerkhäuschen in Eckenheim, über die schicke Luxusvilla im Westend, die neue Altstadt am Römerberg, die Zeil, die Bankentürme bis hin zu den Drogentreffs im Bahnhofsviertel. Heterogener kann ein Wahlkreis kaum sein. Die Herausforderungen in den unterschiedlichen Stadtteilen sind jedoch ähnlich. Steigende Mieten, Wohnungsnot, Luxussanierungen, Verdrängung - all das gibt es am Dornbusch ebenso wie in Eschersheim, Ginnheim und im Gallus.

Wer die bei der Landtagswahl antretenden Direktkandidaten allerdings nach dem größten Problem im 36er fragt, der bekommt die einstimmige Antwort: das Bahnhofsviertel mit all den Dealern, den Drogenkranken, der Kriminalität, der Obdachlosigkeit und dem herumliegenden Müll. Denn Fakt ist: Seit Beginn der Corona-Pandemie ist das Quartier zwischen Hauptbahnhof und Gallusanlage, zwischen Mainzer Landstraße und Untermainkai noch weiter abgestürzt. Cracksüchtige prägen das Bild. Viele Frankfurter meiden das Viertel inzwischen. Zu gefährlich. Zu heruntergekommen. Zu armselig.

„Land und Stadt müssen im Bahnhofsviertel verstärkt zusammenarbeiten“

Doch wie lassen sich die Zustände dort lösen? Die Ideen der Wahlkreiskandidaten sind sehr unterschiedlich, sehr vielfältig. So fordert der CDU-Direktkandidat und Landtagsabgeordnete Ralf-Norbert Bartelt, der den Wahlkreis bisher vier Mal gewonnen hat, eine Waffenverbotszone für das Bahnhofsviertel sowie die Einrichtung von Videokameras. Zudem schlägt er vor „Drug-Checking“ anzubieten, nachdem der Bundestag die Voraussetzungen dafür erfüllt hat. In Berlin können Erwachsene bereits ihre Drogen vor dem Konsum auf Wirkstoffgehalt und Verunreinigungen prüfen lassen. „Land und Stadt müssen im Bahnhofsviertel verstärkt zusammenarbeiten“, so Bartelt. „Wir werden als Land prüfen, die Landespolizei noch weiter personell zu verstärken.“

Eine Waffenverbotszone und mehr Videoüberwachung fordert auch der SPD-Direktkandidat Turgut Yüksel. Er ist zudem der Ansicht, dass die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden und Städten verbessert werden müsse. Denn viele, die die Drogenhilfseinrichtungen in Frankfurt nutzen, kommen gar nicht aus der Stadt. Weiterhin benötige man laut Yüksel mehr Polizeipräsenz, mehr ausgebildete Sozialarbeiter, mehr Sauberkeit, wozu auch das öffentliche Toilettenkonzept gehöre, sowie mehr Unterbringungsmöglichkeiten, um Obdachlosigkeit zu reduzieren.

Linke spricht sich gegen Waffenverbotszone im Bahnhofsviertel aus

Obdachlosigkeit ist ein gutes Stichwort für den Linken-Wahlkreiskandidaten Eyup Yilmaz. Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit seien in einer reichen Stadt wie Frankfurt „beschämend“, zumal zehntausende Wohnungen und über eine Million Quadratmeter Büroflächen leerstünden. Er fordert mehr „Housing First“-Projekte, um „einen Zufluchtsraum für Obdachlose und drogenabhängige Menschen“ zu schaffen, mehr finanzielle Mittel, um die Präventionsarbeit zu verstärken, sowie mehr Personal und mehr Räume für Drogennutzer. Eine Waffenverbotszone hingegen lehnt Yilmaz ab. „Diese ’Law and Order’-Politik wird nicht dazu beitragen, die Probleme zu lösen“, so Yilmaz. Im Gegenteil. Solch eine Zone könnte seiner Meinung nach dazu führen, dass „noch mehr Menschen mit Migrationshintergrund von den Ordnungsbehörden ohne Grund verdächtigt und belästigt“ würden.

Patrick Schenk, AfD-Direktkandidat im Wahlkreis 36, ist hingegen, wenig verwunderlich, der Meinung, dass nur „restriktive Maßnahmen“ erfolgversprechend seien. „Polizei und Staatsanwaltschaft müssen hier strikt vorgehen und sich dabei auf die Unterstützung der Stadt verlassen können“, so Schenk. Soziale Hilfsmaßnahmen müssten beibehalten, die Reinigungsintervalle noch einmal erhöht werden. „Nur, wenn der Fokus von früh bis spät auf diesem Viertel liegt und sich in der Region herumspricht, dass Frankfurt als Stadt eines ’Laissez-faire’ uninteressant geworden ist, wird meines Erachtens nach eine Verbesserung eintreten“, so Schenk.

Grüne: Zeil wird nach 20 Uhr zu einem „Angstraum“

Einen „Pain Point“, einen Schmerzpunkt, nennt FDP-Direktkandidatin Isabel Schnitzler das Bahnhofsviertel. „Dieses muss dringend vom Kopf auf die Füße gestellt werden, damit der Hauptbahnhof wieder ein würdiger Ankunftsort ist“, so Schnitzler. Das Land müsse der Kommune helfen, für Sicherheit und Sauberkeit zu sorgen und den Drogenkonsum von der Straße zu holen.

Für Grünen-Direktkandidatin Julia Eberz ist neben dem Bahnhofsviertel die Innenstadt ein „Sorgenkind“. „Durch die einseitige Fokussierung auf Einkaufen verödet die Zeil nach 20 Uhr und wird für Menschen zu einem Angstraum“, so Eberz. Ihrer Ansicht nach müsse für die Zeil mit den vielen leerstehenden Geschäften langfristig ein neues Konzept her. „Durch eine Mischnutzung aus Einkaufen, Gastronomie, Kultur und Wohnen kann auch in den Abendstunden für eine Belebung und damit für einen Aufschwung der Zeil gesorgt werden.“ Na dann . . . (Julia Lorenz)

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