Vorsicht, Oma!

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang freundlich: „Rate Mal, wer hier spricht“, sagte der Mann am Telefon und manche der alten Damen merkte gar nicht, dass es gar nicht der Neffe, Enkel oder ein anderer naher Verwandter war. Gestern saß wieder ein sogenannter Enkeltrick-Betrüger auf der Anklagebank des Landgerichts.
Der 40-Jährige lässt zeitgleich bei den Justizbehörden in verschiedenen großen Städten „arbeiten“ – in Berlin wurde er bereits verurteilt, in Köln läuft das Verfahren noch und nun sollten die Frankfurter Straftaten zur Verhandlung kommen. Jedes Mal ging es um die gleiche Masche: Im Telefonbuch wurden besonders nostalgisch klingende Vornamen herausgesucht – bei Mathilde, Agathe, Kunigunde war die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um ältere und meistens allein lebende Menschen handelt. Und manch eines dieser Opfer hatte einfach nicht mehr die Geisteskraft, um den Schwindel zu durchschauen.
Gleiche Masche
Der angebliche Enkel ließ die „Oma“ wissen, dass er sich gerade bei einem Autohändler aufhalte und einen neuen Wagen besichtige. Um ihn zu kaufen, benötige er aber zusätzliches Geld. In einem anderen Fall ging es um einen angeblichen Notartermin beim Hauskauf und damit verbundenen Geldbedarf. Einer der Mittäter sprach später bei den Opfern vor und kassierte ab. In mehreren Fällen aber wurde die Geldübergabe bereits polizeilich überwacht und der Verlust für die Opfer damit verhindert. So gelang es bereits frühzeitig, die Mittäter festzunehmen und zu verurteilen.
Dem Anrufer, im Kriminellenjargon „Keiler“ genannt, aber gelang zunächst die Ausreise nach Schweden, von wo er erst Anfang dieses Jahres nach Deutschland abgeschoben werden konnte. Weil die 23 Taten in Köln länger zurücklagen, kam er zunächst in Kölner Untersuchungshaft, von wo aus er gestern auch nach Frankfurt gebracht wurde.
Dort entwickelte sich der Prozess aber in eine andere Richtung, als sich das die Richter vorgestellt hatten. Nachdem sich die Staatsanwältin geweigert hatte, eine das Verfahren beschleunigende Absprache mit der Verteidigung zu treffen („Deal“), beschloss der Angeklagte, überhaupt keine Aussage mehr zu machen. Der Prozess war damit schon nach wenigen Stunden ergebnislos am Ende angelangt. Nun plant Vorsitzender Richter Klaus Eckhardt für die Zeit nach dem Abschluss des Kölner Verfahrens eine größere Beweisaufnahme. Die dürfte sich allerdings schwierig gestalten.
Schon verstorben
Drei der 15 Geschädigten sind bereits verstorben, eine weitere ist hochgradig dement. Zehn der Frauen erklärten sich nach Rückfrage des Gerichts altersbedingt außerstande, für eine Zeugenaussage zum Landgericht zu kommen.
So werden den Richtern die Aussagen der bereits rechtskräftig verurteilten Mittäter sowie die umfangreichen Protokolle der polizeilichen Telefonüberwachung bleiben, um den Angeklagten überführen zu können.
(ge)