Vorsitzender des Kleingärtner-Regionalverbandes kritisiert fehlende Unterstützung

Im Montagsinterview spricht Oliver Lang vom Kleingärtner-Regionalverband über die große Flächenkonkurrenz in Frankfurt und kritisiert die Behörden.
Kleingärtner haben es in Frankfurt nicht leicht. Überall wird gebaut, Flächen sind knapp. Seit zehn Jahren setzt sich der Regionalverband Kleingärtner Frankfurt/Rhein-Main für mehr grüne Oasen in Stadt und Umland ein. Im Gespräch mit FNP-Mitarbeiterin Brigitte Degelmann erzählt Vorsitzender Oliver Lang vom mühsamen Kampf mit Behörden und davon, wie nützlich eine geerbte Wohnung bei diesem Engagement sein kann.
Herr Lang, beim Stichwort Kleingarten denken viele an Gartenzwerge und akkurat gestutzte Hecken...
... oder an Grillen, Bier trinken und Faulenzen (lacht).
Wie ist das denn beim Regionalverband Kleingärtner Frankfurt/Rhein-Main, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiern kann?
Ganz anders. Wir haben innerhalb kürzester Zeit sehr viel bewirkt. Uns kommt es aufs Kleingartenwesen in Frankfurt und in der Region generell an, das wollen wir weiterbringen, indem wir dafür Lobbyarbeit betreiben und dabei vielleicht auch der Stadt mal auf die Füße treten. Denn das Kleingartenwesen hat hier leider ein stiefkindliches Dasein.
Warum?
Schauen Sie sich beispielsweise mal die Kleingartenordnung der Stadt an. Die stammt aus dem Jahr 1999, manche Pachtverträge mit Vereinen basieren sogar noch auf der Ordnung aus den 1980er-Jahren. Darin sind aber Themen wie Biodiversität, Umweltschutz und neue Entwicklungen bei der Gartenbewirtschaftung höchstens Randaspekte oder werden gar nicht genannt. Das kann doch nicht sein in Zeiten des Klimawandels. Gerade unter den heutigen klimatechnischen Aspekten wäre Permakultur ein guter Ansatz. Oder Pflanzen enger zusammensetzen, damit nicht so viel Erde sichtbar ist, wegen der Austrocknung und der Erosion; oder diese zu mulchen, um Humus aufzubauen. Wir haben inzwischen einen neuen Entwurf für eine Kleingartenordnung ausgearbeitet.
Eigentlich ist das doch Aufgabe der Stadt.
Ja, aber da kümmert sich keiner. Mein Eindruck ist, dass man die Kleingärtner nur dann braucht, wenn’s um politische Wahlen geht, weil da doch einige Tausend Personen dahinterstehen. Ansonsten merken wir immer wieder, dass die Stadt personell entweder unterbesetzt ist, oder dass dort Personen tätig sind, die keine Verantwortung übernehmen wollen oder dürfen, und dass Zuständigkeiten nicht klar definiert sind.
Woran machen Sie das fest?
Neben dem Regionalverband haben wir zum Beispiel eine gemeinnützige Stiftung gegründet, welche bundesweit in dieser Form übrigens einmalig ist. Mit dieser Stiftung versuchen wir unter anderem, im Rhein-Main-Gebiet Gelände zu erwerben, um dort Kleingärten zu manifestieren. Schließlich gibt es dafür Nachfrage ohne Ende: Im Kleingartenverein Buchhang, wo ich Vorsitzender bin, arbeiten wir derzeit die Interessentenliste aus dem Jahr 2020 ab. Mit der Stiftung haben wir eine Fläche in Höchst gefunden. Die Firma, der sie momentan noch gehört, braucht sie nicht mehr und will sie loswerden. Deshalb haben wir bei der Stadt nachgefragt, ob wir dort einen Kleingartenverein etablieren könnten. Dort hieß es aber: Da könnt ihr nichts machen, das ist Seveso-Gebiet, da kann nichts Neues entstehen.
Wegen der Richtlinie, die auf einen schweren Chemie-Unfall in der norditalienischen Stadt Seveso zurückgeht und die besagt, dass zu risikoträchtigen Industriebetrieben ein Sicherheitsabstand einzuhalten ist?
So ist es. Dort wohnen aber Menschen, es gibt Kindergärten, Schulen, eine Kirche und sogar Freizeitgärten. Nach einigem Hin und Her wurden wir ans Amt für Bau und Immobilien verwiesen. Und da sagte man uns, dass die Fläche im Bebauungsplan als Parkplatz ausgewiesen sei. Deshalb dürfe man dort keine Kleingärten anlegen, nicht einmal vorübergehend. Obwohl niemand da einen Parkplatz bauen will. Ein anderes Beispiel ist Zeilsheim.
Was ist da passiert?
Dort sind wir ebenfalls auf eine Fläche gestoßen: knapp 4000 Quadratmeter verbuschtes Land mit Brombeeren, das war früher mal ein Garten. Da würden zehn Kleingarten-Parzellen draufpassen. Wir sind dann zum zuständigen Ortsbeirat, und der hat eine entsprechende Anfrage gestellt. Daraufhin hat der Magistrat geantwortet, dass das Gelände für Kleingärten geeignet sei.
Das heißt, Sie konnten loslegen?
Nein, denn im Flächennutzungsplan beziehungsweise im Bebauungsplan ist das Gelände als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen. Deshalb mussten wir einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung stellen. Den hat die Untere Naturschutzbehörde aber abgelehnt. Auch eine Rodung des Geländes hat sie uns untersagt, im Hinblick auf die Biodiversität, die es inzwischen dort gebe. Daraufhin haben wir beschlossen, dort eine Streuobstwiese anzulegen, das ist ja eine landwirtschaftliche Fläche. Auf einmal hieß es: 200 Euro, dann dürfen Sie roden. Auf solche Schwierigkeiten stoßen wir immer wieder. Und wir sehen, dass es solche Probleme bei anderen Projekten nicht gibt.
Was meinen Sie damit?
Zum Beispiel die Obdachlosenunterkunft im Ostpark. Die war erst provisorisch errichtet, dann ein festes Gebäude, das dann sogar noch baulich erweitert wurde - obwohl das alles Landschaftsschutzgebiet ist. Aber da wurde der Bebauungsplan einfach ratzfatz geändert. Ich habe nichts gegen die Obdachlosenunterkunft, aber warum ist so etwas nicht auch für die Kleingärtner, das Kleingartenwesen generell, möglich? Schließlich leisten wir wichtige Arbeit.
Inwiefern?
Kleingärten sind grüne Oasen in der Stadt, die viele ökologische Funktionen übernehmen. Sie sind zum Beispiel Biotope für seltene Tiere und Pflanzen, schützen den Boden, sorgen für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt und dienen als Frischluftschneisen. Es sind Lernorte, um Kindern begreifbar zu machen, wie etwas wächst. Man kann dort Natur erfahren und findet Ausgleich zum beruflichen Alltag. Für die Stadt sind wir letztlich kostengünstige Handlanger, die Grünflächen am Leben erhalten und für Artenvielfalt sorgen. Außerdem sind Kleingärten gelebte Integration, weil sie Menschen aus allen sozialen Schichten und verschiedenster Nationalitäten über Generationen hinweg verbinden.
Die Stadt hat ja inzwischen ein Kleingartenentwicklungskonzept in Auftrag gegeben, um das Frankfurter Kleingartenwesen für die Zukunft gut aufzustellen.
Ja, das haben wir angestoßen und daran arbeiten wir auch mit. Das Konzept sollte eigentlich schon längst vorliegen. Aber wir warten immer noch darauf. Ich hätte auch gerne einen Kleingartenrat. Den gibt es zum Beispiel schon in Berlin, Leipzig, Dresden und Karlsruhe. Das ist ein Fachgremium, das Magistrat und Verwaltung unterstützt und auf derselben Ebene arbeitet wie ein städtischer Ausschuss. Deshalb kann er zum Beispiel auch Anträge stellen und muss nicht auf irgendeine parteipolitische Unterstützung warten.
Was den Kleingärtnern in Frankfurt mehr Gewicht verleihen würde.
Genau. Das haben wir der Stadt auch vorgeschlagen. Aber seit einem Jahr gibt es unter anderem dazu keine Gespräche mehr - weil man immer noch auf das Kleingartenentwicklungskonzept wartet.
Was macht der Regionalverband denn sonst noch - außer der Stadt Frankfurt auf die Füße zu treten?
Sehr viel. Wir haben zum Beispiel den historischen Rosengarten am Röderbergweg nahe dem Ostpark reaktiviert und neu bepflanzt sowie andere Urban-Gardening-Projekte unterstützt. Zusammen mit dem zuständigen Ortsbeirat haben wir angestoßen, dass ein vorher unbenannter Weg zwischen Dortelweiler Straße und Wetterauer Straße den Namen Kleingartenweg bekommen hat - um ein sichtbares Zeichen für das Frankfurter Kleingartenwesen zu setzen und die Verdienste derjenigen zu würdigen, die in mehr als 100 Vereinen Teile des Frankfurter Grüns pflegen. Außerdem haben wir eine bilinguale Broschüre in verschiedenen Sprachen über Kleingärten herausgegeben.
Aus welchem Grund?
Viele Menschen, die nicht aus Deutschland stammen und vielleicht auch Sprachschwierigkeiten haben, wissen gar nicht, was ein Kleingarten eigentlich ist und welche Rechte und Pflichten damit verbunden sind. Das wollten wir ändern. Dafür sind wir übrigens von der hessischen Landesregierung 2016 als „Initiative des Monats“ ausgezeichnet worden. Das kleingärtnerische Themen nun bei der Hessischen Gartenakademie als Bildungsurlaub für Berufstätige angeboten werden, geht ebenfalls auf unsere Eingaben zurück. Außerdem bieten wir auch Workshops für Vereine an und hatten auch mal eine Ferienbetreuung für Schulkinder in einem Verein organisiert, damit sie sehen, was in der Natur passiert.
Wie kam es überhaupt zur Gründung des Regionalverbands? Schließlich gibt es ja die Stadtgruppe als Dachverband für die mehr als 100 Kleingartenvereine in Frankfurt, ebenso den hessischen Landesverband.
In der Stadtgruppe war ich auch im erweiterten Vorstand tätig. Irgendwann habe ich aber bemerkt, dass die Arbeit dort nicht so ganz meinen Vorstellungen entspricht. Im Kleingartenwesen gibt es noch viele alte Strukturen, da herrscht oft noch so eine Asbach-Uralt-Denke. Ich komme aus der freien Wirtschaft, da sind Führungsaufgaben und Management anders definiert. Da geht es professioneller zur Sache, zielorientiert. Während meiner Zeit in der Stadtgruppe habe ich immer wieder erlebt, dass Gärten einfach wegfielen, weil dort gebaut wurde. Da habe ich mich immer gefragt, wie das sein kann. Was machen diese Dachorganisationen eigentlich? Warum vertreten sie die Interessen der Kleingärtner nicht stärker? Deshalb habe ich mich unter anderem vor zehn Jahren mit anderen Mitstreitern zusammengetan und den Regionalverband gegründet.
Was vermutlich nicht bei allen gut ankam.
Stimmt, die andere Organisation hat massiv und mit allen Mitteln versucht, unsere Gründung und Aktivitäten zu unterbinden. Sie hat zum Beispiel sämtlichen Kleingartenvereinen untersagt, bei uns Mitglied zu werden. Dementsprechend sind wir ein kleiner, aber feiner Verband, uns gehören vier Vereine mit rund 500 Gärtnern an, vielleicht bald mehr (lacht). Trotzdem sind wir viel aktiver als die Stadtgruppe und wir haben in den vergangenen Jahren auch viel mehr erreicht. Damit unterscheiden wir uns wesentlich von den bislang gewohnten und in die Jahre gekommenen Akteuren in diesem Bereich. Das Kleingartenwesen hat eine mehr als 100-jährige Tradition. Das wird auch weiterhin Bestand haben, aber um das zu erhalten, müssen sich das Denken und die Leitung der Institutionen weiterentwickeln.
Wie sind Sie selbst eigentlich zu den Gärtnern gekommen?
Das war Zufall. In den 1990er-Jahren wollte ich mit meiner Lebenspartnerin Birgit Mai nur ein Gartengrundstück pachten, aus Naturverbundenheit und weil uns das so an unsere Kindheit erinnert hat. Da ich aus der Finanzbranche komme, habe ich die Kassenprüfung übernommen, war dann zweiter Kassierer im Kleingartenverein Buchhang und schließlich zweiter Vorsitzender. Im Jahr 2002 hat der damalige Vorsitzende hingeschmissen, und ich habe die Nachfolge übernommen. Dabei habe ich mich immer mehr damit beschäftigt, wie so ein Verein eigentlich funktioniert, wo man Fördermittel bekommt, wie die Strukturen von Mitgliedern, Verein und Verband ineinandergreifen und sich gegenseitig ergänzen. Das fand ich spannend und ich bin immer tiefer in die Materie reingerutscht.
Mit Birgit Mai haben Sie ja sogar die oben erwähnte gemeinnützige Stiftung gegründet, um das Klein- gartenwesen zu fördern.
Ja, ein Großonkel von mir hatte eine schicke Eigentumswohnung, die habe ich verkauft und das Geld in diese Stiftung gesteckt, da wir selbst keine Kinder haben. Da kann etwas von uns weiterleben und man kann etwas Sinnvolles damit machen. Somit können wir auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen mitreden und Gutes bewirken. Das macht einfach Spaß, und die Stiftung wächst kontinuierlich weiter. Über weitere Zustiftungen und Spenden freuen wir uns sehr - zum Wohle von Naturschutz, Landschaftspflege und Kleingärtnerei.
