Vorwurf der Vetternwirtschaft in der VHS Frankfurt – Stadt zeigt Hinweisgeber an

Ein anonymes Schreiben beklagt Missstände in der VHS Frankfurt. Die Stadt weist die Vorwürfe zurück – und zeigt den Briefschreiber an.
Frankfurt – Selbstbereicherung, Postengeschacherei, Vetternwirtschaft, Wertverfall: Mit diesen Worten beklagt ein anonymer Hinweisgeber vermeintliche Missstände in der Volkshochschule (VHS) Frankfurt.
In einem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, heißt es, dass die Mitarbeiter in der städtischen Bildungseinrichtung unzufrieden mit dem Arbeitsumfeld seien und resignieren würden, teils herrsche „ein Klima der Angst“. „Wer Missstände anspricht, dem wird nahegelegt sich etwas Neues zu suchen“, schreibt der offensichtlich gut informierte Insider weiter. Zuerst hatte die Hessenschau über die Vorwürfe berichtet.
Vorwurf: Posten in der VHS seien nach Verwandtschaft vergeben worden
Die anonyme Quelle beklagt zudem, dass Posten bei der Volkshochschule nicht nach Qualifikation, sondern nach verwandtschaftlichen Beziehungen und SPD-Parteibuch vergeben werden. „Das Leitbild der Frankfurter Volkshochschule, sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden zu orientieren und deren Zufriedenheit als Maßstab der Arbeit der VHS zu nehmen, wich den privaten und politischen Wünschen und Bedürfnissen einiger weniger“, heißt es in dem Schreiben.
Als Beleg für die Vorwürfe des Nepotismus werden in dem Schreiben Namen sowie Verwandtschafts- und Herkunftsbeziehungen zwischen gut zwanzig Mitarbeitern, teils in leitenden Positionen, detailliert aufgelistet. Dazu zählt unter anderem die zum 31. Juli abberufene Leiterin des Fachbereichs Sprachen. Der Leiter der Volkshochschule soll die Einstellung der Führungskraft vorangetrieben haben, trotz ihrer „mangelnden sprachlichen und schriftlichen Deutschkenntnisse sowie teils fehlender Fachkenntnisse“. Nach Informationen des Hinweisgebers sollen die beiden aus derselben schwedischen Stadt kommen. Darüber hinaus sollen in der Bildungseinrichtung Verwandte und Vertraute des VHS-Leiters arbeiten.
Personalverantwortlicher und Bildungsdezernentin weisen Vorwürfe gegen VHS zurück
Auf der Liste steht zudem der Name von Jan Pasternack. Er leitet seit 2022 den Fachbereich „Sozialer Zusammenhalt“. Zuvor war das SPD-Mitglied lange Jahre Referent im Büro von Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD), in deren Zuständigkeit die Belange der VHS fallen. Aktuell tritt Pasternack bei der Landtagswahl als Direktkandidat für die Sozialdemokraten im Wahlkreis 35 (Frankfurter Nordwesten) an. Gegenüber dieser Zeitung wollte er sich ebenso wenig wie der Leiter der VHS zu den erhobenen Vorwürfen äußern. Beide verwiesen auf die Pressestellen der zuständigen Dezernate.
In einer ausführlichen Stellungnahme weisen Bildungsdezernentin Weber und der für das Personal in der Stadtverwaltung zuständige Stadtrat Bastian Bergerhoff (Grüne) die Vorwürfe zurück. Alle neu zu besetzenden Stellen in der VHS würden ausgeschrieben und gemäß „dem Prinzip der Bestenauslese“ besetzt. Für Leitungsstellen gebe es ein mehrstufiges Auswahlverfahren, an dem auch „externer Sachverstand“ sowie das städtische Personal- und Organisationsamt beteiligt seien. Die zuständigen Dezernenten bestreiten zudem, dass die Fachbereichsleiterin Sprache aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse in Wort und Schrift abberufen worden sei.
Stadt hat Anzeige gegen den Verfasser des Beschwerdebriefs erstattet
Warum die Vorwürfe erst jetzt, nur wenige Wochen vor der Landtagswahl, doch noch den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben, wirft zumindest Fragen auf. Der anonyme Hinweisgeber hatte sein Schreiben bereits im Januar an verschiedene Adressaten innerhalb der Stadtverwaltung, auch an die damals noch neue Hinweisgeberstelle gesandt. Wie Weber und Bergerhoff jetzt mitteilten, seien die geäußerten Hinweise von Anfang an „sehr ernst genommen“ worden, jedem einzelnen sei „sorgfältig unter der Federführung des städtischen Personal- und Organisationamtes“ nachgegangen worden. Mit dem Ergebnis: „Es konnten keine Hinweise auf manipulative Einflussnahmen bei Stellenbesetzungsverfahren festgestellt werden.“
Im Februar hat die Stadt Strafanzeige „wegen des Verdachts der Verletzung von Privatgeheimnissen“ gegen unbekannt erstattet. Nach Ansicht der zuständigen Stadträte stehe dies auch nicht im Widerspruch zum Hinweisgeberschutzgesetz. Die Begründung: Der Whistlerblower habe sein Schreiben mit „sehr persönlichen Angaben zu einer Reihe namentlich genannter Mitarbeiter der VHS“ auch an die Mitglieder des Stadtparlaments geschickt. Hätte sich der Informant nur an die zuständige Meldestelle gewandt, wäre seitens der Stadt Frankfurt auch keine Strafanzeige gestellt worden. (Julia Lorenz)