Bundestagswahl: Wähler sind der CDU in Frankfurt davon gerannt

Ein historisch schlechtes Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 muss die CDU in Frankfurt verarbeiten. Nun beginnt die Debatte um das Debakel.
Frankfurt - Es ist kurz nach halb neun, da werden im "Frankfurter Salon" an der Braubachstraße bereits die Stühle hochgestellt. Die Frankfurter CDU hatte zur Wahlparty in das Lokal eingeladen. Doch zu feiern gibt es nichts an diesem Wahlabend.
Die CDU hat in Frankfurt ein historisch schlechtes Bundestagswahlergebnis einstecken müssen. Mit 18,1 Prozentpunkten kam sie nur auf den dritten Platz hinter SPD und Grüne. Sie verlor beide Direktmandate. Hinter dem Ergebnis der CDU im Bund (24,1 Prozent) liegt die CDU in der Mainmetropole deutlich zurück. Tatsächlich steht sie bezogen auf Bundestagswahlen seit 1949 so schlecht da wie noch nie.
Bundestagswahl 2021 in Frankfurt: CDU nur bei alten Leuten noch über 30 Prozent
Das Ergebnis reiht sich in eine Serie von Wahlniederlagen ein. Bei der Kommunalwahl im März, der Europawahl 2019, der Landtagswahl 2018, der OB-Wahl 2018 lag stets eine andere Partei vorn. Was kann die Partei mit Blick auf die nächsten Wahlen, die Landtagswahl 2023 und die OB-Wahl 2024, lernen? Schon am Wahlabend ging die Debatte darüber unter den Parteimitgliedern los.
Erkenntnis Nummer eins: Die CDU in Frankfurt ist die Partei der alten Leute. Das zeigt die Wahlanalyse des Bürgeramts, Wahlen und Statistik. Nur bei den über 70-Jährigen erreichte sie noch mehr als 30 Prozent der Stimmen. In keiner anderen Partei ist die Kernwählerschaft so alt wie bei der CDU - nicht einmal bei der AfD. Bei Menschen bis 44 Jahre kam die CDU gerade auf zwölf Prozent der Stimmen. Das ist ganz weit weg vom Niveau einer Volkspartei.
CDU in Frankfurt: Nur in vier von 46 Stadtteilen noch vorn
Erkenntnis Nummer zwei: Der CDU sind die Wähler förmlich davon gerannt. Etwa 40 Prozent der Wähler gingen verloren. Für Axel Kaufmann, der im Wahlkreis 182 im Frankfurter Westen das bisherige CDU-Direktmandat verlor, steht fest, dass "Armin Laschet den Namen dieses Ergebnisses trägt". Schon im Wahlkampf erzählten Parteimitglieder hinter vorgehaltener Hand, dass sie Laschet-Plakate lieber in abgelegeneren Nebenstraßen aufhängten. An prominenteren Orten mussten sie sich allzu oft bissige Kommentare von Passanten anhören.
Auch in der Cucina delle Grazie ist es für niemanden eine Überraschung, dass Laschet nicht zog. Ins italienischen Restaurant im Haus am Dom hat Bundestagsabgeordnete Bettina Wiesmann ihre Unterstützer eingeladen. 2017 hatte sie den stets für die CDU sicheren Wahlkreis 183 von Erika Steinbach übernommen. Wiesmann verliert ihn nun.
CDU-Kreisvorsitzender Schneider: Gegenkandidaten waren zu stark
Erkenntnis Nummer drei: Nur noch in vier Stadtteilen im Norden - Nieder-Eschbach, Harheim, Berkersheim und Kalbach-Riedberg - gewann die CDU. Auch das entspricht keiner Volkspartei mehr. "Wir müssen uns fragen, wie wir uns die Zukunft der Frankfurter CDU vorstellen", sagt Bettina Wiesmann. Europa, starke Wirtschaft, internationale Zusammenarbeit seien nicht genug thematisiert worden; Klima sei "nur ein Thema von vielen".
CDU-Kreisvorsitzender Jan Schneider merkt an, Omid Nouripour (Grüne) sei ein starker Kandidat im Wahlkreis 183 gewesen, und Armand Zorn (SPD) habe im Wahlkreis 182 viele Stimmen von Grünen-Wählenden bekommen, weil Deborah Düring (Grüne) eher unbekannt gewesen sei. Aber erklärt das ein so schlechtes Abschneiden von Axel Kaufmann?
Eine programmatische Diskussion dürfte der Frankfurter CDU nun bevorstehen: Sollte sie wieder stärker das Konservative herauskehren? Oder den Modernisierungskurs von Jan Schneider verstärken? Am Donnerstag trifft sich die Parteispitze. Schneider hebt hervor, die CDU-Fraktion im Römer sei jünger und weiblicher geworden, die CDU habe ihr Programm zur Kommunalwahl erstmals basisdemokratisch bestimmt.
Debatte um Wahl-Debakel in Frankfurt: "Wie frisch werden wir wahrgenommen?"
Die Erneuerung hat die Partei aber nicht den Wählern verkauft bekommen, raunt ein Stadtverordneter in der Cucina. Im Gegenteil: Die Frankfurter CDU ließ es zu, dass ihr linke, junge Grüne das Image einer Partei von gestern überstülpten - obschon die Grünen selbst so lange am Stück in Frankfurt regieren wie keine andere Partei. Und Jan Schneider wurde öffentlich vor allem bei Scharmützeln mit SPD-Bildungsdezernentin Sylvia Weber wahrgenommen. Ob er weiter der Richtige ist für die CDU-Spitze? "Es fehlt an Selbstkritik", moniert ein Parteimitglied, spricht leise, nippt am Weißwein.
Der Parteichef selbst sieht den Verlust der Regierungsmacht in Frankfurt als Chance zur Erneuerung. In der Opposition im Römer, sagt Schneider, profiliere sich die CDU, "auch wenn es unser Anspruch ist, zu regieren". Ob das reicht? "Die Frage ist," sagt Axel Kaufmann, "wie frisch wir wahrgenommen werden." (Florian Leclerc und Dennis Pfeiffer-Goldmann)