Wahlanalyse: So eng war es bei einer Direktwahl noch nie

Der neue Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef profitierte von den Grünen-Wählern und von seiner Beliebtheit bei jungen Frauen.
Frankfurt -Nur drei Stunden Schlaf haben sich die städtischen Statistiker des Bürgeramts in der Nacht nach der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters gegönnt. Am Montagmorgen konnten sie deshalb die druckfrische Analyse der vorläufigen Ergebnisse vorlegen - und die zeigt: Der neue Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) konnte nur 21 der 44 Stadtteile* für sich gewinnen, sein Herausforderer Uwe Becker (CDU) immerhin 23. Dennoch gewann Josef die Wahl mit 51,7 Prozent der Stimmen. Für Becker entschieden sich 48,3 Prozent der Wähler. Das machte einen Unterschied von 6064 Stimmen aus. „So ein knappes Ergebnis gab es seit Einführung der OB-Direktwahl im Jahr 1995 noch nie“, sagte die für Wahlen zuständige Dezernentin Eileen O’Sullivan (Volt) bei der Präsentation der Analyse.
Hier kommen die wichtigsten Erkenntnisse, kurz und knapp zusammengefasst:
Die Vorbilder: Am Sonntag waren 510 336 Frankfurter aufgerufen, einen neuen Oberbürgermeister zu wählen. Aber nur 180 442 Menschen machten ihr Kreuz auf dem Stimmzettel. Damit lag die Wahlbeteiligung bei 35,4 Prozent und um 5,0 Prozentpunkte niedriger als noch bei der Hauptwahl vor drei Wochen, zugleich aber höher als bei der Stichwahl 2018, als nur 30,2 Prozent der Frankfurter wählen gingen. Die höchste Wahlbeteiligung gab es mit 52,2 Prozent in Nieder-Erlenbach, gefolgt von Harheim (49,7 Prozent) und dem Nordend-West (47,6 Prozent). Die wenigsten Wähler hatten Fechenheim (20,1 Prozent) und Höchst (20,5 Prozent). Fast die Hälfte der Wähler stimmte am Sonntag per Brief ab.
Frankfurter Rottmann-Wähler wandten sich Josef zu
Der Gewinner: Mike Josef bekam bei der Stichwahl 92 371 Stimmen. Der 40-Jährige schnitt deutlich besser ab als bei der Hauptwahl am 5. März und verbesserte sich um 43 338 Stimmen. Damit konnte er fast dreimal so viele Wähler hinzugewinnen wie sein Konkurrent. Allerdings machten die Wähler, die ihn auch im ersten Wahlgang gewählt haben, nicht einmal die Hälfte seiner Stimmen aus. Er profitierte stark von Wählern, die zuvor die Grünen-Kandidatin Manuela Rottmann gewählt haben (41,2 Prozent). Nach Angaben der Statistiker wechselten etwa 38 000 Anhänger aus dem grünen Lager zu dem Sozialdemokraten. Zudem stimmten viele vormalige Linken-Wähler für ihn.
Der Verlierer: Uwe Becker konnte 86 307 Stimmen der Wähler auf sich vereinen. Damit konnte auch er sich im Vergleich zur Hauptwahl verbessern und erzielte ein Plus von 15 896 Stimmen. Seine Wählerschaft bestand zu 79,9 Prozent aus Frankfurtern, die ihn auch schon am 5. März gewählt hatten. Zudem konnte er viele Menschen für sich gewinnen, die zuvor für den FDP-Bewerber Yanki Pürsün sowie die unabhängige Kandidatin Maja Wolff gestimmt hatten.
Nordend-Ost ist Josefs Hochburg
Die besten Ergebnisse: Mike Josef erzielte mit 68,7 Prozent der Stimmen im Nordend-Ost sein bestes Ergebnis. Aber auch in Bornheim, seinem Heimatstadtteil, schnitt er mit 66,5 Prozent sehr gut ab, ebenso wie im Riederwald (65,8 Prozent). Diese Stadtteile sind eher grün und sozialdemokratisch geprägt. Uwe Becker hingegen gewann in den klassischen CDU-Hochburgen wie seinem Heimatstadtteil Nieder-Eschbach (68,6 Prozent), Nieder-Erlenbach (66,8 Prozent) und Harheim (65,9 Prozent).
Die schlechtesten Ergebnisse: Wenig überraschend fielen die Ergebnisse für Mike Josef in den CDU-Hochburgen im Frankfurter Norden aus. So entfielen auf ihn in Nieder-Eschbach nur 31,4 Prozent der Stimmen, gefolgt von Nieder-Erlenbach (33,2 Prozent) und Harheim (34,1 Prozent). Uwe Becker hingegen bekam die wenigsten Stimmen im Nordend-Ost (31,3 Prozent), in Bornheim (33,5 Prozent) und im Riederwald (34,2 Prozent).
Der Liebling der Frauen: Besonders beliebt ist der neue Oberbürgermeister bei Frauen zwischen 18 und 24 Jahren. Drei Viertel von ihnen gaben Mike Josef ihre Stimme (77,8 Prozent), dasselbe bei den Frauen zwischen 25 und 34 Jahren (75,2 Prozent). Allerdings kann man auch generell sagen, dass Josef besonders gut bei den eher jüngeren Frankfurtern ankommt. So konnte er in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen sein Ergebnis von 26,8 Prozent auf 72,7 Prozent fast verdreifachen, ebenso wie in der jüngsten Altersgruppe.
Ältere geben Becker die meisten Stimmen
Der Liebling der Männer: Uwe Becker hingegen ist besonders beliebt bei Männern ab 70. Von ihnen bekam er 68,3 Prozent seiner Stimmen. Generell kann man sagen, dass der Christdemokrat besonders gut bei den älteren Frankfurterinnen und Frankfurtern ankommt. In der Altersgruppe der über 70-Jährigen erhielt er fast zwei Drittel der Stimmen (66,3 Prozent), in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen immerhin die Hälfte der Stimmen.
Der Ausblick: Das endgültige Endergebnis wird am Freitag, 31. März, durch den Gemeindewahlausschuss festgestellt.
*) Normalerweise zählt Frankfurt 46 Stadtteile. Bei dieser Statistik wurden das Gutleut- und Bahnhofsviertel sowie Sachsenhausen-Süd und Flughafen zusammengefasst.