Wahlkampf in Hessen: Die Parteien haben uns wieder so richtig eine geklebt

Manche Wahlplakate sind so sehr Ausdruck ihrer Zeit, dass sie ihren Platz in den Geschichtsbüchern gefunden haben. Die Plakate zur kommenden Landtagswahl werden es dorthin wohl höchstens wegen Blödheit schaffen.
Frankfurt - Nun, literarischen Wert hatten Wahlplakate wohl noch nie. Doch oft waren sie Zeugnisse ihrer Zeit, man denke an den ans Hakenkreuz gefesselten Arbeiter auf einem SPD-Plakat von 1932 oder Adenauers „Keine Experimente“ aus dem Bundestagswahlkampf 1957. Unvergessen ist auch „Sozial ist, wer Bier ranschafft“ - das Motiv aus dem Jahr 2017 stammte von der „Partei“. Solche Plakate sind heute sogar in Schulbüchern abgedruckt - nun, vielleicht nicht das mit dem Bier, aber die anderen.
Wahlplakate in Frankfurt: Plakativus praecox dank eines Tricks
Seit dem vergangenen Wochenende darf in Hessen für die Landtagswahl im Oktober plakatiert werden. Wie immer hingen einige natürlich schon Wochen vorher - dabei wird (von jeglicher Couleur) das Hintertürchen genutzt, dass die Unsitte des Plakativus praecox erlaubt ist, wenn auf eine Veranstaltung hingewiesen wird - zur Not baut man halt einen Tapeziertisch als Infostand in der Fußgängerzone auf, schon geht’s. Diese Aufkleber sind dergestalt gummiert, dass sie sich rückstandslos abziehen lassen - schon hat man die Plakatierungsregelung umschifft. Parteien und Gesetze, das ist eben so eine Sache.
Aber zurück zu den Zeugnissen der Zeit: Das Zeugnis, das sich die Parteien zur Hessenwahl selbst ausstellen, ist - gelinde gesagt - verheerend. Geradezu mystisch gibt sich da eine Grünen-Kandidatin: „Weg und Ziel“ steht unter ihrem Gesicht. Was soll das heißen? Durch adrettes Aussehen in den Landtag?
Frankfurt hat die Wahl
Die Hessen-Wahl steht bevor, in der Mainmetropole sind über 400.000 Menschen wahlberechtigt. Aber wer kandidiert? Alle Infos zu Wahlkreisen, Parteien und Ablauf der Landtagswahl in Frankfurt.
Eine Parteifreundin der Dame möchte „Was ändern, damit es gut bleibt“. Hübsch geklaut, der Satz „Es muss sich alles ändern, damit es bleiben kann, wie es ist“, stammt vom italienischen Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957). Der Autor von „Il Gattopardo“ (verfilmt von Luchino Visconti mit Burt Lancaster und Claudia Cardinale) war übrigens als sizilianischer Herzogs-Spross mit einer Sozialistin liiert, komplett lautet das Zitat: „Sind nicht auch wir dabei, so denken sich die Kerle noch die Republik aus. Wenn wir wollen, dass alles bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
Hessenwahl: „Make inflation small again“
Die FDP will mit Fremdsprachenkenntnissen beeindrucken: „Make inflation small again“ heißt es da. Ob dieser Trump sticht? Auf die Welt der Wunder setzt indes die SPD: „Zeit für 7500 neue Ärzte“ oder „Zeit für 25 000 neue Pfleger“ heißt es da. Zeit ja, aber wie ist es mit dem Geld? „Geld für 25 000 neue Pfleger“ ist ja nicht gefordert. Kleines Schmankerl am Rande: Alle „Zeit für . . .“-Plakate können die Kandidaten im SPD-Shop auch in der -innen-Version bestellen, also mit „Ärztinnen“ oder „Pflegerinnen“. Zusammen wären es dann 50 000 . . .
Die CDU will „Hessen weiter führen“ - nur bloß nicht über die Kante ihrer Weltsicht, denn Ministerpräsident Boris Rhein belehrt die Banken-Stadt: „Die wichtigste Bank ist die Schulbank“. Klar, irgendwo muss man ja Tintenfass, Schreibkiel und Abakus abstellen. Wollte man digitale Kompetenzen fördern, würde man ja nicht alles mit Plakaten zupflastern. Interessant, dass die CDU bei der Grundfarbe vom Orange vergangener Wahlkämpfe zum edlen Petrol übergegangen ist - „na klar, Autofahrerpartei“ hört man die Frankfurter Straßenanmaler schon rufen.
Heizen mit einem Lagerfeuer
Die Stimmung befeuern will die AfD, die „Grenzkontrollen statt Heizungskontrollen“ fordert, aber auch schon unmissverständlich klarmacht, wohin die Reise mit ihr gehen würde: Neben dem Satz „Heizen, wie wir wollen“ ist ein Lagerfeuer abgebildet . . . (Holger Vonhof)