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Warum das Parlament in Frankfurt den Oberbürgermeister abwählt

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Von: Dennis Pfeiffer-Goldmann

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Ohne jedes Vertrauen in den Oberbürgermeister: die grünen Fraktionschefs Dimitrios Bakakis und Tina Zapf-Rodriguez.
Ohne jedes Vertrauen in den Oberbürgermeister: die grünen Fraktionschefs Dimitrios Bakakis und Tina Zapf-Rodriguez. © Rainer Rüffer

Abwahl statt Rücktritt von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD): Warum das nötig ist, erklärt die Führungsspitze der Grünen-Fraktion.

Frankfurt -Die Koalitionsfraktionen von Grünen, SPD, FDP und Volt haben zusammen mit der CDU beantragt, Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) abzuwählen. Wie sie am Donnerstag in der Stadtverordnetenversammlung ab 16 Uhr vorgehen wollen, erklären die Vorsitzenden der größten Koalitionsfraktion im Römer, der Grünen: Tina Zapf-Rodriguez und Dimitrios Bakakis, im Interview mit Römer-Reporter Dennis Pfeiffer-Goldmann.

Was passiert heute Nachmittag, Frau Zapf, Herr Bakakis?

DIMITRIOS BAKAKIS: Wir werden das Abwahlverfahren gegen Peter Feldmann einleiten, sodass es am 6. November zum Entscheid der Bürgerinnen und Bürger kommt.

Mit welcher Reaktion des OB rechnen Sie?

BAKAKIS: Er wird wieder jegliche Verantwortung von sich weisen und sie an uns Stadtverordnete abschieben. Er wird wieder so tun, als hätte das alles mit ihm nichts zu tun. Er verkennt, dass das alles mit seiner Person und seinem Verhalten zusammenhängt. Er muss sich das selbst zuschreiben.

"Er ist nicht mehr in der Lage, sein Amt angemessen auszuführen"

Warum ist er aus Sicht der Koalition verantwortlich?

TINA ZAPF-RODRIGUEZ: Weil er nicht in der Lage ist, sein Amt angemessen auszuführen. Das sehen wir in Grundzügen schon seit Jahren, verstärkt an seinem Fehlverhalten in den vergangenen Wochen. Daraus müsste eigentlich er die Konsequenzen ziehen, nicht wir.

Glauben Sie, dass er nun Konsequenzen zieht? Nach dem Abwahlbeschluss hat er ja eine Woche Zeit dazu.

ZAPF-RODRIGUEZ: Wir würden es uns wünschen.

Warum gibt es kein Vertrauen mehr in den OB?

BAKAKIS: Er hat am Freitag den Stadtverordneten zwei Optionen angeboten, über die er ausscheiden könnte. Wir hatten den Eindruck, die Stadtverordneten hätten die Entscheidung darüber, was ihnen lieber ist. Keine 72 Stunden später hat er dann eine der beiden Möglichkeiten wieder kassiert. Das war keine vertrauensbildende Maßnahme.

Bis zuletzt "versucht, ihm ein Entgegenkommen abzuringen"

Er sagt, die Koalition habe gefordert, sich für eine Variante zu entscheiden.

BAKAKIS: Das ist nicht richtig. Wir wollten Klarheit und präzise hören, wie er sich das Ausscheiden vorstellt und die beiden Varianten mit ihm durchspielen. Dabei stellte sich heraus, dass die Variante vorzeitiger Ruhestand nach §76a doch nicht für ihn infrage kommt. Er zog dann diese Variante zurück. Er sagt jetzt, es sei ein Missverständnis gewesen.

Hat es seit Montag weitere Gespräche mit ihm gegeben?

BAKAKIS: Ja. Er hat darauf bestanden, dass das Angebot gilt, was er vorgelegt hat, und sonst nichts. Wir haben es bis zuletzt versucht, ihm ein Entgegenkommen abzuringen.

Warum bleibt der OB hart?

BAKAKIS: Er glaubt, er sei nach wie vor in der Position, selbst zu entscheiden, wann und wie er ausscheidet. Wir sehen das nicht so. Alle relevanten Fraktionen haben ihn zum Rücktritt aufgefordert. Diese Aufforderung besteht weiterhin, und sie lautet: sofortiger Rücktritt, nicht Rücktritt irgendwann.

Keine Erklärung für Rücktrittstermin Januar

Feldmann hat ja angeboten, im Januar zurückzutreten, und das Schreiben beim Notar zu hinterlegen. Warum genügt Ihnen das nicht?

BAKAKIS: Er konnte uns den 31. Januar als Rücktrittstermin nicht erklären.

Er sagt, den Termin habe die Koalition genannt.

BAKAKIS: Auch das stimmt so nicht. Wir haben immer gesagt: Es darf keine Hinterzimmerdeals geben. Peter Feldmann hat trotzdem immer wieder versucht, es wie eine Verhandlung aussehen zu lassen. Dagegen haben wir uns immer verwehrt. Wir haben verschiedene Daten durchgesprochen und die Grenzen dessen aufgezeigt, was wir vielleicht vertreten könnten. Er hat sich dann das späteste Datum gemerkt, das mal in einem Nebensatz gefallen ist, und behauptet nun, das sei ein Vorschlag der Koalition gewesen.

Ist eine Einigung noch in letzter Sekunde möglich?

BAKAKIS: Schwierig. Die Fraktionssitzungen waren gestern, wir haben gestern Abend die Beschlüsse gefasst. Er wusste auch sehr genau von dieser Deadline.

"Wir haben ein Vertrauensproblem"

Warum akzeptieren Sie sein Rücktrittsangebot nicht?

BAKAKIS: Wir haben ein Vertrauensproblem. Er kann zehnmal versichern, dass er im Januar zurücktreten wird, und hundert Mal versichern, dass er die entsprechenden Schreiben beim Notar hinterlegt. Aber es genügt ein Anruf beim Notar, damit der das Dokument wieder schreddert. Peter Feldmanns öffentliche Erklärungen haben natürlich ein gewisses Gewicht. Aber darüber hinaus haben wir keine weiteren Sicherheiten. Vor allem: Wenn wir das nun bis Januar zurückstellen, sind wir in gewisser Weise mitverantwortlich für all das, was bis dahin passiert. Das können wir bei diesem OB nicht zulassen.

Peter Feldmann ist überzeugt, den Bürgerentscheid zu gewinnen. Und Sie?

ZAPF-RODRIGUEZ: Die Hürden mit dem Quorum sind hoch, ja, aber ich gehe davon aus, dass die Abwahl gelingen kann. Ich nehme wahr, dass ein großer Groll gegen den Oberbürgermeister herrscht. Da scheint mir die Stimmung in der Stadt schon sehr in die Richtung zu gehen: Wir wollen diesen Zirkus nicht mehr. Wir wollen, dass Peter Feldmann zurücktritt. Und diese Empörung in der Bevölkerung wird hoffentlich anhalten. Zumal der Termin für den Bürgerentscheid mitten in der Zeit des Korruptionsverfahrens gegen ihn liegt.

Bevölkerung hat ein Recht zu entscheiden

Schön wird das Abwahlverfahren sicher nicht.

ZAPF-RODRIGUEZ: Es wird teuer, leider wird es auch destruktiv, das ist die hässlichste Seite der Kommunalpolitik. Aber die Verantwortung dafür trägt der Oberbürgermeister selbst.

Wird die Stimmung am 6. November ausreichen, um Feldmann abzuwählen?

BAKAKIS: Das ist die große Unsicherheit. Deshalb haben wir auch bis zuletzt versucht, das Abwahlverfahren abzuwenden. Aber die Bevölkerung hat in der aktuellen Situation ein Recht darauf, diese Entscheidung nun zu fällen.

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