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Warum heute in Frankfurt die meisten Apotheken geschlossen sind

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Erhofft sich vom Streik ein starkes Signal für die Forderungen ihrer Branche: Apothekerin Pia Beyhl im Griesheimer Rewe-Center.
Erhofft sich vom Streik ein starkes Signal für die Forderungen ihrer Branche: Apothekerin Pia Beyhl im Griesheimer Rewe-Center. © Maik Reuß

Medikamente gibt’s am Mittwoch, 14. Juni, nur per Notdienst: In Frankfurt streiken Apotheken einen Tag lang. Eine Apothekerin aus Griesheim erklärt, warum.

Frankfurt - Absperrklebebänder und Infozettel an den Fenstern und den Plexiglasscheiben der Bedientheken künden in der Apotheke im Griesheimer Rewe-Center in Frankfurt schon seit Wochen vom großen Streiktag - heute, am Mittwoch, 14. Juni, wird’s ernst. Um ihre Forderungen nach mehr Geld und Flexibilität zu untermauern, machen zahlreiche Frankfurter Apotheker wie ihre Kollegen im ganzen Land einen Tag lang dicht. Wer dringend ein Medikament braucht, muss auf Notdienstapotheken zurückgreifen. Die „überwältigende Mehrheit der Apotheken macht heute mit“, erklärt Alexander Schopbach vom Hessischen Apothekerverband, der die Aktion mit initiiert. Wie viele es in Frankfurt genau sind, könne er nicht beziffern.

Von etwa 80 Prozent in der Stadt geht dagegen Pia Beyhl aus, die mit ihrem Mann Martin seit vielen Jahren neben der Apotheke im Rewe-Center noch die Alte Apotheke in der Linkstraße und eine weitere in Maintal-Dörnigheim betreibt. Im Westen etwa hätten sich sämtliche Apotheker abgesprochen mitzumachen. Aber: „Es fällt uns sehr schwer, zu streiken“, betont sie. „Denn wir wollen schon von unserem Selbstverständnis als Heilberufler her immer für die Menschen da sein.“

Apotheken-Streik in Hessen: „Bürokratie geht uns an die Nieren“

Doch die Aktion ist nach ihren Worten unvermeidlich - „um die Menschen aufzurütteln, ihnen zu zeigen, wie existenziell bedrohlich unsere Situation ist“. Lieferengpässe, Personalnot, eine ausufernde Bürokratie und eine seit Jahren bestehende Unterfinanzierung; dies alles habe zum dramatischsten Apothekensterben in Deutschland seit Bestehen der Bundesrepublik geführt. Er sei Apotheker aus Überzeugung und Leidenschaft, ergänzt ihr Mann, aber vor allem die Bürokratie gehe ihm tagtäglich an die Nieren.

Er nennt ein Beispiel: Um sogenannte Hilfsmittel, Verbände, Kompressionsstrümpfe oder Diabetiker-Zubehör verkaufen zu können, brauche es einen Nachweis darüber, dass die Apotheke für die Erbringung der jeweiligen Leistung qualifiziert sei. Und dies immer wieder neu, selbst wenn die Qualifikation bereits früher erbracht worden sei. „Eine Mutter, die für ihr asthmakrankes Kind dringend einen Inhalator braucht, müssen wir beispielsweise erstmal wieder wegschicken“, erzählt Beyhl. Denn erst gelte es, auf die Genehmigung durch die Krankenkasse zu warten. „Das kann schon mal ein, zwei Wochen dauern, denn die sind nicht so schnell wie wir.“

Apotheken-Streik in Hessen: Inhaber-Paar aus Frankfurt erklärt Gründe

Schwer dem Kunden zu vermitteln seien auch die Folgen der Rabattverträge, die 2005 eingeführt wurden. Einer alten Dame etwa könne ihr seit Jahrzehnten vertrautetes Herzpräparat nicht mehr ausgehändigt werden, weil die Pharma-Firma keinen Rabattvertrag mit der Krankenkasse abgeschlossen habe. „Das sorgt für große Irritation“, sagt Beyhl.

Was das Apotheker-Paar nicht minder wurmt, sind die sogenannten Retaxationen: „Schon bei minimalen Formfehlern auf dem Rezept, oft schon vom Arzt begangen, zahlen uns die Krankenkassen kein Geld mehr“, klagt Pia Beyhl. Bedenke man, dass ein Hepatitis-C-Medikament bis zu 60 000 Euro kosten könne, sei der Verlust für den Apotheker schon mal existenziell gefährdend. Insgesamt zehn Punkte fasst die Liste der Forderungen, die die Branche zum Streiktag vorgelegt hat.

Dazu gehört die Kritik daran, dass die Vergütung für die öffentlichen Apotheken seit zehn Jahren eingefroren seien - trotz Inflation, steigender Energiekosten und Personalmangel. Die pharmazeutisch-technischen Assistenten, die als Mitarbeiter den Betrieb einer Apotheke erst möglich machten, verdienten besser bei den Krankenkassen - und seien entsprechend schwer für den Job zu gewinnen.

Apotheken während Corona im Dauerstress: „Wir waren rund um die Uhr beschäftigt“

Dennoch haben einige Politiker den Streiktag der Apotheken kritisiert. „In der Pandemie haben Apotheken sehr viel geleistet, aber auch sehr viel verdient“, sagte etwa Bundesgesundheitsminister Heiner Lauterbach (SPD). Das ärgert die Beyhls: „Wir haben in der Pandemie unheimlich viel Zeit und Mühen investiert, um erst mit Masken, dann mit Tests und Impfungen schnell zu helfen“, betont Pia Beyhl. „Wir waren rund um die Uhr beschäftigt.“

Angst, dass sich ihre Kunden wegen des Streiktages vor den Kopf gestoßen fühlen, haben die Beyhls nicht: „Wir haben ihnen schon seit Wochen die Hintergründe erklärt, weil wir verhindern wollten, dass jemand unversehens vor verschlossener Türe steht“, erklärt Martin Beyhl. „Und es gab keinen einzigen Kunden, der mit Unverständnis reagiert hat.“ (Michael Forst)

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