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Warum Wildfremde in Frankfurt plötzlich Bernd Becker anfassen wollen

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Bernd Becker über den Dächern Frankfurts: Die Knöpfe des Schornsteinfegers zu reiben, soll Glück bringen.
Bernd Becker über den Dächern Frankfurts: Die Knöpfe des Schornsteinfegers zu reiben, soll Glück bringen. © Enrico Sauda

So richtig daran gewöhnt hat er sich noch nicht: Immer zum Jahresende wollen Wildfremde in Frankfurt unbedingt Bernd Becker (31) anfassen.

Frankfurt -Die Festtracht hat Bernd Becker (31) extra fürs Foto angelegt. Vor allem der Zylinder sei im Arbeitsalltag nicht praktisch, sagt der Flörsheimer. Dennoch wird er auf der Straße als Schornsteinfeger und Glücksbringer erkannt. Mit welchen Folgen, erzählt hier der Meister seines Fachs, dessen Bezirk der Frankfurter Stadtteil Rödelheim ist.

Werden Sie am Jahresende öfter als sonst als Glücksbringer in Anspruch genommen?

Es kommt häufig vor, dass einem jemand zuruft: Bleiben Sie mal stehen! Dann rennt der über die Straße, um an einem meiner Knöpfe zu reiben. Vor Weihnachten und Silvester ist das für manche ein besonderes Highlight.

Haben Sie schon mal wissentlich Glück gebracht?

Ich bin mal spontan zu einer Hochzeit eingeladen worden. Ich war bei der Familie einen Tag vorher zum Kehren, und da hat die Mutter mich gefragt, ob ich kommen und mein Sprüchlein aufsagen würde: Zum Glück gibt’s den Schornsteinfeger. Das Paar ist noch immer verheiratet, also hat es wohl funktioniert.

Woher kommt der Spruch?

Dafür gibt es verschiedene Ansätze. Der bekannteste bezieht sich auf das Mittelalter. Damals gab es mancherorts Verordnungen, die besagten: Wenn bei jemandem der Schornstein brennt und das Feuer auf andere Häuser übergreift und sie zerstört, verliert derjenige sein Haupt. Da waren die Leute froh, dass es den Schornsteinfeger gab.

Warum sind Sie selbst einer geworden?

Unser Nachbar war Schornsteinfeger, und ich dachte mir, das ist etwas Extravagantes. Er hat mir bei einem Kollegen 2007 eine Ausbildungsstelle besorgt. Man hat viel Kontakt mit Menschen. Der technische Aspekt ist sehr interessant, wie sich die Heizungsanlagen entwickeln. Viele gehen davon aus, der Schornsteinfeger schmeißt einfach den Besen oben rein, aber diese traditionelle Arbeit hat den geringsten Anteil. Wir sind Energieberater, machen Sanierungsfahrpläne, Baubegleitung. Durch die Energiekrise sind wir deutlich mehr gefragt.

Haben Sie spontan ein paar aktuelle Tipps parat?

Man sollte regelmäßig lüften, nicht unter 16 Grad heizen, damit sich kein Schimmel bildet. Zuletzt habe ich häufig gesehen, dass sich die Leute Gasflaschengeräte oder andere Öfen in die Wohnung stellen, die für draußen oder für Zelte mit viel Lüftung gedacht sind. Drinnen ist das lebensgefährlich. Wahrscheinlich habe ich da einige Leben gerettet.

War Ihnen immer klar, dass mit Ihrem Beruf eine gewisse Popularität verbunden ist?

Anfangs dachte ich nur, dass einen die Leute gerne sehen. Als das erste Mal jemand an die Autoscheibe geklopft und gefragt hat, ob er an meinen Knöpfen drehen darf, war das komisch. Aber man gewöhnt sich daran. Leider hört man auch traurige Geschichten, wenn die Leute erzählen, wofür sie das Glück brauchen.

Was verspricht am meisten Glück?

Wenn man einen Knopf findet oder einer beim Reiben oder Drehen abgeht. Aber von meinen sechs Knöpfen habe ich noch keinen verloren. Oft werde ich gefragt, wo ich besonders schwarz bin, weil auch Ruß Glück bringt: an der Schulter, wo die Kette mit dem Besen hängt, oder an der Brust, wo die Kugel aufliegt.

Werden Sie vor den Feiertagen gebeten, die Kamine gründlicher zu reinigen, damit der Weihnachtsmann besser durchkommt?

Immer ab Ende November! Aber wir machen das das ganze Jahr, sonst wäre das nicht zu schaffen. (Katja Sturm)

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