Wehe, wenn die Viren kommen

An der Frankfurter BGU schlüpfen Jugendliche in die Rolle von Krankenpflegern und Ergotherapeuten.
Jannes fühlt sich ein bisschen wie ein Astronaut. Etwa eine Viertelstunde hat es gebraucht, um dem Zehnjährigen einen der gelben CBRN-Schutzanzüge anzuziehen und auch noch diejenigen Körperteile luftdicht zu verpacken, die dieser nicht bedeckt. Jetzt sieht der Schüler aus wie aus dem Epidemie-Thriller „Outbreak“ ausgebrochen. Atmen, versichert er, sei dank des Luftfilters auf dem Rücken kein Problem. Nur das Hören falle ihm schwer.
Wenn der Patient kontaminiert ist
CBRN, das steht für chemische, biologische, radiologische und nukleare Gefahren. Nicht unbedingt das, woran man zuerst denkt, wenn es um einen Pflegeberuf im Krankenhaus geht. Dennoch müssen diejenigen, die sich in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) in Frankfurt um die Patienten kümmern, auch damit umzugehen wissen, wenn jemand kontaminiert sein könnte.
Am Boys’ Day hatten sich jetzt neun Jungen dafür begeistern können, mal in den Alltag von Krankenpflegern und Ergotherapeuten hineinzuschnuppern, in Berufe also, in denen anteilsmäßig noch immer Frauen dominieren. Der Großteil der Neugierigen, so stellte sich heraus, ist verwandt mit Mitarbeitern. Nicht so der 13-jährige Ben, den, wie er sagt, die Leute beeindrucken, die „Menschen helfen, ins Leben zurückzukommen“. In dem Zimmer in einem Obergeschoss des Reha-Zentrums auf dem Klink-Gelände, in dem es laut Ergotherapeutin Gesa Pelz darum geht, unter ihrer Aufsicht Situationen zu imitieren, mit denen die Bauarbeiter oder Handwerker in ihrem Job beschäftigt sind, ging er denn auch am eifrigsten zur Sache. Mit der Schubkarre bahnte sich der Schüler den Weg über einen unebenen Boden und öffnete und schloss an einer Kette an der Wand mehrere Minuten lang Schrauben. „Ist schon anstrengend“, stellte er danach fest.
Um die drei Stunden am Vormittag möglichst abwechslungsreich zu gestalten, hatten sich die BGU-Vertreter einiges einfallen lassen. Bei der Kleingruppe, die Pflegedirektorin Margit Erbeldinger führte, umfasste das auch, sich gegenseitig mit Joghurt zu füttern und die Zähne zu putzen. Genau solche Aufgaben, direkt am Bett des Patienten, die „klassische Care-Arbeit“, übernehmen zu 80 Prozent noch Frauen, erklärte Erbeldinger. Männer fänden sich eher im OP. Aber gerade auf den Stationen mangele es an Fachkräften, die sich um die Patienten kümmern. Das führe dazu, dass diejenigen, die die Herausforderung noch annehmen, immer weniger Zeit haben, um sich näher mit den einzelnen Verletzten und Kranken zu beschäftigen. Es fehle an Zuwendung und damit einer wichtigen Komponente beim Genesungsverlauf. Eine Tablette, die einfach nur hingestellt werde, wirke nur halb so gut wie eine, die von netten Worten und ein bisschen Nähe begleitet werde, sagte Erbeldinger, die selbst diesen Teil ihrer Arbeit immer geliebt hat.
„Cool“ und „interessant“ fanden die jungen Praktikanten den Vormittag. Ihre Kameraden, von denen die meisten lieber in der Schule geblieben waren, als mal etwas anderes zu erleben, hätten es gar nicht komisch gefunden, dass sie mal mehr über Therapie und Pflege wissen wollten, sondern eher gut. Trotzdem sehen auch die meisten aus der Boys’-Day-Gruppe ihre Zukunft nicht in einem solchen Beruf.
Jannes würde lieber Arzt werden. Schon zweimal lag er selbst unterm Messer, laboriert gerade an einem Kapselriss am Finger. Sein Interesse an Chirurgie dürfte demnach auf eigenen Erlebnissen basieren. Der Schnuppertag in der BGU sei aber „schon spannend“ gewesen.