Weniger Bahnen, überfüllte Züge: Seit Monaten herrscht bei der Verkehrsgesellschaft Personalnotstand

An manchen Haltestellen kommt niemand mehr in die volle Tram rein. Seit einem Vierteljahr fallen viele Fahrer krankheitsbedingt aus.
Frankfurt -Über mehrere Monate hinweg hat die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) zwei Straßenbahnlinien zum Teil eingestellt. Überdurchschnittlich hohe Krankheitsfälle beim Personal werden als Ursache genannt. Dabei stehen die großen Personalprobleme bei der VGF erst noch bevor.
Nur noch ein Stummel ist übrig, und der wird auch teils in wenig stadttauglichem Takt bedient: Lediglich zwischen Ernst-May-Platz und Zoo rollt die Straßenbahnlinie 14. Die restliche Strecke via Altstadt, Mainzer Landstraße, das Kleyerviertel bis zur Mönchhofstraße erreicht die Tram nicht. Seit Mitte Oktober fallen alle Fahrten aus, anfangs gab es einen Busersatzverkehr für den Abschnitt durch die Wittelsbacherallee, seit Mitte November rollt dort ein Rumpfangebot an Trams.
Ebenfalls gestrichen hat die VGF die Fahrten der Linie 15 nachmittags zwischen Sachsenhausen und Oberrad. Dort müssen Fahrgäste auf die dort noch verkehrende 16 umsteigen. Für die 14 empfiehlt die lokale Nahverkehrsorganisation Traffiq die Trambahnen 11 und 21 als Ersatz. Beide Linienausfälle hatte die VGF mehrfach verlängert, zuletzt sogar noch über das Ende der Weihnachtsferien hinaus um zwei weitere Wochen bis zum 22. Januar.
Die VGF begründet die Ausfälle mit einem hohen Krankenstand. Statt üblicherweise neun Prozent der Fahrer seien bis zu 17 Prozent des Fahrpersonals erkrankt, erklärt der frisch in Rente gegangene VGF-Arbeitsdirektor Thomas Wissgott. „Wer nicht krank ist, macht freiwillig mehr Dienste“, lobt er die Einsatzbereitschaft der Fahrer. „Aber das ist auch nicht gesundheitsfördernd, das ist ein übler Kreislauf.“ Die allgemeine Erkältungswelle sei die Ursache, die in dieser Saison nach den beiden Jahren mit sehr effektivem Maskenschutz wegen Corona schwerer ausfalle. „Der Körper ist nicht mehr so widerstandsfähig.“
Dass zwei Linien zum Teil komplett ausfallen, ist dabei bewusst gewollt und Teil eines Notfallkonzepts, erklärt Traffiq-Sprecher Klaus Linek. „So können wir einen stabileren Betrieb auf anderen Linien sicherstellen.“ Die Ausfälle gebe es dort, wo wenige Fahrgäste unterwegs seien und es direkte Alternativen gebe. So sei die Lage für die Fahrgäste verlässlicher und die Änderungen ließen sich besser kommunizieren. Die Notfallpläne liegen seit den ersten Corona-Tagen in der Schublade, mussten aber erst im Oktober erstmals in Kraft treten. Auch zwei Buslinien - die 31 im Osthafen und die 79 in Niederrad - fielen einige Wochen lang aus.
Trotz Alternativen ist die Lage für viele Fahrgäste mindestens unbequem. So sind die Bahnen der Linie 11 und 21 in der Mainzer Landstraße wegen der fehlenden 14 in der Rush-hour teils so überfüllt, dass Fahrgäste an Haltestellen zurückbleiben müssen. Davon weiß man bei Traffiq jedoch nichts: „Hinweise auf überfüllte Züge der Linien 11 und 21 liegen uns nicht vor“, sagt Sprecher Klaus Linek.
In zehn Jahren droht ein großer Personalmangel
Warum aber trifft die allgemeine Krankheitswelle die VGF so stark? Trotz Personalreserve führe die außerordentlich schwere aktuelle Krankheitswelle „unweigerlich“ zu Ausfällen, erläutert der Traffiq-Sprecher. Schließlich bestehe branchenweit Fachkräftemangel. In den vergangenen Jahren habe die VGF „eingestellt, was wir kriegen können“, beteuert Thomas Wissgott. Die VGF zahle zwar etwas weniger als andere, biete aber einen krisensicheren Job. Impfungen biete das Unternehmen seinen Mitarbeitern sowie Fitness- oder Muskelunterstützungskurse. Erheblich über Bedarf einzustellen oder höhere Gehälter zu bezahlen sei letztlich eine politische Entscheidung, da der Nahverkehr ja defizitär arbeite, so Wissgott. In diesem Jahr liegen die VGF-Personalkosten bei 183 Millionen Euro.
Allerdings stehe auch der VGF angesichts des demographischen Wandels und der Rente der Babyboomergeneration ein noch viel größerer Personalbedarf ins Haus: Angesichts eines Durchschnittsalters von 44 Jahren der aktuell 2760 Mitarbeiter müssten in den zehn Jahren 1000 Stellen neu besetzt werden, erklärt Wissgott. Um ein Drittel sei bereits die Zahl der Azubis aufgestockt worden, wo 30 auf 40 je Jahrgang, aktuell sind es 136 insgesamt. „Jeder hat einen Anspruch darauf übernommen zu werden“, sagt der langjährige Personalvorstand. „Wir wollen niemanden gehen lassen.“
Geld für die ausfallenden Fahrten erhält die VGF übrigens nicht. Ausfälle flössen in die Bonus-Malus-Berechnung ein, erklärt Traffiq-Sprecher Linek. 2020 hätten sich Maluszahlungen auf mehrere hunderttausend Euro summiert. Das Geld bleibt im Nahverkehrsetat und finanziert andere Leistungen.
Für Fahrgäste gibt es aber nichts zurück: „Da eine Mindestanbindung gegeben ist,“ erklärt Klaus Linek, „sehen wir nicht die Notwendigkeit einer allgemeinen Kompensation.“ Das ärgere aber auch die Menschen nicht: „Mit Blick auf unsere Beschwerdestatistik ist, so unser Eindruck, unser konzeptionelles Vorgehen für die Fahrgäste nachvollziehbar.“
So bleibt für Fahrgäste nur die 10-Minuten-Garantie des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV). Sie greift, wenn etwa die überfüllte Tram so verspätet fährt, dass Anschlüsse flöten gehen und Fahrgäste ihr Ziel mit mehr als zehn Minuten Verspätung erreichen. Dann gibt es Geld oder - nach 21 Uhr - die Taxikosten zurück.