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Wenn die Haltestelle zur Stolperfalle wird

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Der Ausstieg mit dem Rollator - hier an der Station Südbahnhof - ist für Marieanne Voll immer eine Zitterpartie und auch eine Mutprobe. FOTO: michael faust
Der Ausstieg mit dem Rollator - hier an der Station Südbahnhof - ist für Marieanne Voll immer eine Zitterpartie und auch eine Mutprobe. © Michael Faust

„Da bin ich hingefallen, aber der Busfahrer hat mich nur angeschaut, das war ein Alptraum“: unterwegs mit zwei Seniorinnen.

Frankfurt -Einsteigen, aussteigen und dazwischen noch die Fahrt. Für gehbehinderte Menschen gibt es in den öffentlichen Verkehrsmitteln viele Herausforderungen. An einigen Stationen etwa misst der Höhenunterschied zwischen Bahn und Straße über 25 Zentimeter. Nur ein kleiner Hopps für junge Leute, ein Abgrund für Senioren. Zwei von ihnen haben wir auf ihrer Fahrt von der Innenstadt nach Sachsenhausen begleitet.

Bis zu drei Mal die Woche fahren Waltraud Hofmann (76), die sich auf zwei Krücken stützt, und Marieanne Voll (88) mit ihrem Rollator Straßenbahn. Beide wohnen im Pflegeheim neben dem Heilig Geist. Dort steigen sie auf dem Weg zum Arzt in Sachsenhausen in die 18 ein. Aber schon der Weg zur Tram ist eine Tortur. Keine Platte ist wie die andere. Mehrere stehen ab und entpuppen sich als Stolperfallen für gebrechliche Menschen. „Ich habe mich schon überall beschwert. Daraufhin wurde auch was auf den Boden gezeichnet. Nach drei Wochen und einem Regenschauer waren die Linien aber wieder weg“, sagt Voll.

Markierungen erneuert - bis zum nächsten Regen

Nach erneuten Beschwerden sperrte die Stadt eine Stelle und erneuerte die Markierungen. Michaela Kraft, die Leiterin des Straßenbauamtes, erklärt dazu: „Die Altenhilfe wies uns auf den schlechten Gehwegzustand hin. Der Zustand des Belages ist zum Teil nicht zufriedenstellend. Die abgesperrte Stelle ist derzeit eine potenzielle Gefahrenstelle.“ Im Moment werde die Sanierung geplant. Weil die Straßenbahn von den Arbeiten betroffen sein könnte, werde der Bürgersteig wahrscheinlich in Handarbeit ausgebessert. Das sei zwar teurer, aber schneller.

Reiseziel Sachsenhausen. Waltraud Hofmann muss mit den beiden Krücken besonders aufpassen. Sie schafft es nur mit der größten Vorsicht aus der Straßenbahn. „Wir haben Angst, zu stürzen. Denn dann kommen wir nicht mehr hoch“, sagt sie.

Das erinnert Freundin Marieanne Voll an eine Busfahrt: „Da bin ich hingefallen, aber der Busfahrer hat mich nur angeschaut, das war ein Alptraum.“

Kein Platz für alte Menschen

Doch das größte Problem seien die Straßenbahnen selbst. Auf der Strecke der 18 fahren zwei unterschiedliche Trams mit den Bezeichnungen R-Wagen und S-Wagen. Der R-Wagen ist etwas älter und war 1993 die erste niederflurige Straßenbahn. Der S-Wagen ist von 2003 bis 2007 von der Stadt Frankfurt bestellt worden. Wenn dieser Wagen einfährt, freuen sich die beiden alten Damen, da er viel Platz für Rollatoren, Kinderwagen oder Fahrradfahrer bietet. Anders sieht es beim R-Wagen aus. Von vorne bis hinten gibt es in der ganzen Straßenbahn nur einen Ort mit vier hochklappbaren Sitzen. „Wenn mal eine Mutter mit Kinderwagen und ein Fahrradfahrer mitfahren, dann habe ich fast keinen Platz mehr“, sagt Marieanne Voll. Dabei brauche sie gar keinen Sitz. „Die meisten Menschen bieten uns einen Platz an.“ Diesen müsse sie aber immer ablehnen, da sie aus den niedrigen und tiefen Sitzen nicht mehr hochkomme. Deshalb ist ihr Sitzplatz der Rollator. Weil aber im R-Wagen das einzige Mehrzweckabteil mit den hochklappbaren Sitzen oft besetzt ist, steht sie meist auf dem Gelenk der Straßenbahn. Mit einer Hand hält sie sich dann an der gelben Stange fest. Bei jeder Kurve und bei jedem Wackeln bewegt sich das Gelenk unter ihr mit. Es sei unbequem und eine große Kraftanstrengung, auf dem Rollator sicher zu sitzen.

Textorstraße: gefährlicher Zwischenstopp

Auf dem Rückweg wird ein Zwischenhalt an der Textorstraße eingelegt. Da gibt es eine Post. „Aber ich traue mich nicht, dort auszusteigen. Der Ausstieg auf die Straße ist zu hoch und gefährlich.“ Also fährt die 88-Jährige bis zum Lokalbahnhof, läuft den Rest zurück. „Ich verstehe, dass in der Textorstraße die Haltestelle nicht höhergelegt werden kann. Aber am Südbahnhof ginge das“, sagt Hofmann, die jede Woche dort zum Arzt muss. Der Sprecher der VGF, Bernd Conrads, bestätigt, dass es möglich wäre. Er erklärt, dass es in den nächsten Jahren geplant sei, den Ausstieg barrierefrei zu machen. Zu den Bahnen heißt es: „Im Dezember gibt es einen neuen T-Wagen mit vielen Mehrzweckabteilen. Dieser löst aber frühstens im Spätsommer 2023 die erste Serie der R-Wagen ab.“ Für Waltraud Hofmann und Marieanne Voll bleibt weiterhin jede Fahrt eine echte Herausforderung.

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