Wenn Eltern-Taxis vor der Schule Chaos stiften

Gefährliche Brems- und Ausweichmanöver im Minutentakt - gestern wurden Verstöße erfasst.
„Here comes the sun“ steht auf dem Lkw mit den Lebensmitteln für die Käthe-Kollwitz-Schule, der gestern um 7.30 Uhr in im Frankenthaler Weg zwecks Lieferung parkt. Doch während die Sonne noch auf sich warten lässt, ist das morgendliche Verkehrschaos vor dem Eingang der Schule längst losgebrochen.
Sogenannte Eltern-Taxis halten im ohnehin schmalen Sträßchen im Halbminuten-Takt, manche in der mit Fahrbahnschraffierung markierten Halteverbotszone direkt vor dem Schulhof, mehr noch auf der anderen Straßenseite, teils ebenfalls im Halteverbot und vielfach entgegen der Fahrtrichtung. Viele Eltern lassen ihren Nachwuchs zur Fahrbahnrichtung aussteigen, andere Verkehrsteilnehmer zwingt das zu gefährlichen Brems- oder Ausweichmanövern. Ein Schüler muss mit seinem Fahrrad blitzschnell ein Auto umkurven, das hinter dem Transporter hervorschießt.
Szenen, die Schulleiterin Nicole Karrock vom Bürgersteig aus mit Sorge verfolgt. Jeden Morgen wiederholen sich nach ihren Schilderungen die Beinahe-Unfälle und brenzlige Situationen. Schulleitung und Elternbeirat drängen seit langem auf Lösungen, um die Gefahrenlage zu entschärfen.
Viele steigen auf der Fahrbahnseite aus
Gestern könnte dafür ein wichtiger Schritt gemacht worden sein: Denn vier Mitarbeiter des „Ace Auto Club Europa“ haben sich ebenfalls an der Schule postiert, um Art und Ausmaß des morgendlichen Verkehrschaos genau zu dokumentieren. Sie kritzeln dezent Zahlen und Notizen auf ihre Bögen, erfassen genau, wo und wie lange die Eltern-Taxis halten, ob die Kinder auf dem sicheren Gehweg oder der gefährlichen Fahrbahnseite aussteigen, erfassen jedes Wendemanöver und jede Rückwärtsfahrt.
Belohnungen für das zu Fuß gehen
Die ausgewerteten Bögen sollen dann der Schule das nötige Futter liefern, um die städtischen Behörden für bauliche Schutzmaßnahmen zu gewinnen - und Überzeugungsarbeit bei jenen Eltern zu leisten, die ihre Kinder täglich am liebsten bis zum Klassenzimmer kutschieren würden. Dabei, so Ace-Rhein-Main-Kreisvorsitzender Alexander Klein, würden sie nicht nur für Verkehrschaos sorgen. Auch bleiben Verkehrskompetenz und gesunde Bewegung für die Kinder buchstäblich auf der Strecke.
Nicole Karrock lernte die Aktion „Goodbye, Eltern-Taxi“ schon seit ihrem Start im Jahr 2019 kennen - damals leitete sie noch die Friedrich-List-Schule in Nied und stellte da mit Kindern und Lehrern eine spektakuläre Protestaktion auf die Beine (wir berichteten). Auch an der Käthe-Kollwitz-Schule engagiert sie sich weiter für einen sicheren Schulweg.
So hat sie im vergangenen Herbst zum „Lauf zur Schule“ aufgerufen. Zwei Wochen lang kamen die Schüler zu Fuß zur Schule, täglich gab’s dafür einen Stempel ins Heft und am Ende eine Belohnung. „Leider war der Effekt aber wieder ganz schnell verpufft“, bedauert sie. Das Timing für den gestrigen Einsatz der Ace-Mitarbeiter aber sei günstig: „In der nächsten Woche haben wir eine Ortsbegehung in Sachen sichere Schulwege“, berichtet sie. „Da kann ich mit den Daten viel besser argumentieren.“
Die sind in der Tat alarmierend: Allein am Beobachtungsposten im Frankenthaler Weg haben die Ace-Männer in nur einer halben Stunde von 7.30 bis 8 Uhr insgesamt 27 Eltern-Taxis registriert - 18 davon hielten auf der anderen Straßenseite im Halteverbot, neun auf der schraffierten Fläche direkt vor der Schule.
Ein Problem für die Käthe-Kollwitz-Schüler erwachse nach Karrocks Worten auch wegen der vielen Raser auf der West-Höchster Straße. Die wenigsten hielten sich hier an das vorgeschrieben Tempo 30. Kürzlich habe sie es selbst beobachtet: In nur zehn Minuten seien von 23 Autos 21 zu schnell gefahren.
Aber was genau schwebt der Schulleiterin vor, um das allmorgendliche Chaos zu beseitigen: „Eine Einbahnstraße erscheint mir hier am sinnvollsten“, sagt sie.
Das war der Frankenthaler Weg in der Vergangenheit nämlich wegen einer Baustelle schon einmal, was die Situation vor der Schule deutlich entspannt habe. Der Elternbeirat plädiere für eine Schranke - das sei aber schon mit Blick auf eine benachbarte Arztpraxis wohl nicht praktikabel. Michael Forst