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Wer in die Ferne will, muss jetzt flexibel sein

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Anke Dannesberger vom Berger Reisebüro zeigt Prospekte, die für bevorzugte Reiseziele werben: Gran Canaria und Lanzarote, Mallorca und Ibiza, Ägypten und Asien. Sie spricht von einer Renaissance der Reisebüros, weil das Internet für Reisewillige zu unübersichtlich geworden sei.
Anke Dannesberger vom Berger Reisebüro zeigt Prospekte, die für bevorzugte Reiseziele werben: Gran Canaria und Lanzarote, Mallorca und Ibiza, Ägypten und Asien. Sie spricht von einer Renaissance der Reisebüros, weil das Internet für Reisewillige zu unübersichtlich geworden sei. © michelle Spillner

Frankfurter Reisebüros melden mehr kurzfristige Buchungen, aber weniger günstige Last-Minute-Angebote.

Frankfurt -Zwei Wochen vor Beginn der hessischen Sommerfreien haben die Frankfurter Reisebüros alle Hände voll zu tun. Die zurückliegende Pandemie, Inflation und Energiepreissteigerungen haben das Geschäft der Branche verändert. „Die Kunden stürmen uns zurzeit die Bude“, lacht Marcelina Strobach vom ReisebüroFrankfurt.de in Sachsenhausen. Klar, es habe immer Spätbucher und Last-Minute-Reisende gegeben, aber in diesem Jahr sei sie selbst überrascht gewesen über die Kurzfristigkeit der Buchungen. Und sie hat eine Erklärung dafür: Der schwierige Winter voller Kostensteigerungen, speziell bei den Energiekosten, hätten die Menschen bei der Urlaubsplanung zögern lassen. „Die Kunden haben sich aufgrund der unsicheren Lage im Winter zurückgehalten, weil sie Angst vor der Steigerung der Nebenkostenabrechnung hatten, und jetzt merken sie: Es geht doch, dass wir verreisen.“

Reisefreude weiterhin groß

Die Reisefreude sei nach den einschränkenden Corona-Jahren weiterhin groß. „Die Leute gönnen sich was.“ Nach dem Wenn-schon-denn-schon-Prinzip zahle man lieber ein wenig mehr, um dann aber auch das Zimmer mit Meerblick zu haben. Der diesjährige Auslandsurlaub - für viele der erste nach langer Zeit - solle richtig schön werden.

Eine Beobachtung, die Karen Endler von der „Reisegalerie“ im Westend bestätigt. Viele verreisten jetzt statt dreimal im Jahr vielleicht nur ein- oder zweimal, aber dann richtig gut. „Aber man kann es nicht pauschalisieren“, betont sie. Als Anbieterin von Luxusreisen spielt für ihre Kundschaft der Preis häufig eine nachgeordnete Rolle. Sie suchten das Erlebnis, individuelle Eindrücke, die sie sich von der Expertin zusammenstellen lassen, und alles gerne mit Direktflügen ohne Umsteigen. Aber auch sie bekommen Preissteigerungen zu spüren. Um etwa 20 Prozent seien die Preise für Flüge gestiegen, hat Karen Endler beobachtet.

An manchen Stellen seien die Preissteigerungen noch höher. „Für 800 Euro bekommt man jetzt vielleicht fünf Tage Mallorca, vorher konnte man für 450 oder 500 Euro eine ganze Woche in Mallorca verbringen“, nennt Anke Dannesberger vom Berger Reisebüro ein Beispiel. Sie bemerkt einen Anstieg bei der Buchung von Gruppenreisen: Freundinnen, die zusammen etwas unternehmen, Vereine oder Familien - mit dem Flugzeug oder auch per Busreise. „Die Menschen wollen nach der Pandemie wieder mehr zusammen machen.“ Im Gegensatz zu den Individualreisenden von Karen Endler bevorzugten ihre Kunden das Rundumsorglospaket, die Pauschalreise oder das von ihr zusammengestellte Angebot, eben etwas, das alles inkludiert von Flug über Transfer, Hotel, Verpflegung bis hin zu geplanten Programmpunkten.

Dauerbrenner Spanien und Griechenland

Bevorzugte Reiseziele seien in diesem Jahr nach wie vor die Dauerbrenner Spanien und Griechenland. „Während der Pandemie haben diese Länder alles gut abgewickelt, ich denke, das hat das Vertrauen in sie gestärkt“, erklärt Marcelina Strobach. Die Türkei sei aufgrund von Preissteigerungen für viele nicht mehr so attraktiv. Clubs stehen nach wie vor hoch im Kurs, gerade bei Familien mit Kindern.

Luxus-Touristikerin Karen Endler versucht, ihre Kunden auch mal für unbekanntere Ziele zu begeistern: „Montenegro ist zurzeit ein angesagter Hotspot, oder auch die kleineren Inseln wie Tassos.“ Als Expertin für den Indischen Ozean und die Karibik legt sie Reisenden auch eher die kleinen Boutiquehotels ans Herz als die großen Häuser - gerne auch mit Hotelwechseln während eines Urlaubs, um mehr zu erleben.

Ihre Kunden wünschen sich, überrascht zu werden, etwas zu erleben, von dem sie gar nicht wussten, dass es das gibt. Wer als Ziel beispielsweise Abu Dhabi hat, dem baut Endler noch einige Schlenker um die Reise und in den Aufenthalt ein, wie eine Ballonfahrt in der Wüste, eine Quadtour oder den Ausflug in ein Wüstencamp.

Rund- und Gruppenreisen sind gefragt

Etwas von der Welt sehen möchten auch die Kunden von Anke Dannesberger in Bornheim: Bei ihr würden besonders viele Rundreisen gebucht. Jetzt im Sommer liegen bevorzugte Reiseziele ihrer Erfahrung nach in Europa. Bei den Fernreisen sind laut Dannesberger Asien, Thailand, Vietnam, Ägypten und die Dominikanische Republik ganz vorne. Beliebt sind auch die Malediven, deren Besuch einem kein Jetlag beschert. Seit Donald Trump nicht mehr im Amt sei, werde auch wieder mehr in die USA gereist, so Dannesberger.

Viele Hotels und Flüge sind bereits ausgebucht. Wer jetzt noch schnell verreisen wolle, dem raten alle drei Reiseexperten zu Flexibilität - und zwar hinsichtlich des Zielortes, des Reisezeitpunkte und natürlich auch des Budgets. „Man muss offen sein, gerade wenn das Portemonnaie ein wenig kleiner ist“, sagt Dannesberger. Man müsse vielleicht auch in Kauf nehmen, dass man während des Flugs mal umsteigen muss, so Karen Endler. Ein Umstand, der umso mehr akzeptiert wird, je mehr es bei uns in Hessen regnet. Denn an Regentagen steigen die Anfragen an die Reisebüros - nicht nur bei Marcelina Strobach.

Beratung im Reisebüro ist wieder gefragter

Für Anke Dannesberger, seit 30 Jahren Inhaberin der Berger Reisebüros, fühlt es sich gerade wie die Renaissance der Reisebüros an - aus mehreren Gründen. Zum einen nähere sich das Geschäft wieder dem Vor-Corona-Jahr 2019 an. Zum anderen hat sie den Eindruck, dass sich immer mehr Menschen des guten alten Reisebüros besännen und lieber dort buchten, als sich selbst durch das Internet zu forsten. „Es gibt eine Studie, die besagt, dass sich Privatpersonen im Schnitt drei Tage durchs Internet klicken, bis sie ein passgenaues Angebot gefunden haben, und dass Reisebürokaufleute für dasselbe Ergebnis 20 Minuten benötigen.“ Das erkläre sich zum einen durch die Kompetenz und Erfahrungen der Profis, „zum anderen greifen wir ja auf ganz andere, professionelle Portale zu“.

Das Angebot im Internet sei unübersichtlich geworden - „das überfordert“. Da komme es vor, dass jemand buche, und dann am Reiseziel feststelle, dass er am Abflughafen kein Gepäck mitnehmen darf oder bei der Ankunft keinen Shuttle zum zwei Stunden entfernten Hotel habe. Wer in eine solche Falle getappt sei, gehe lieber wieder ins Reisebüro - wissend, dass man da alles berücksichtige und immer einen persönlichen Ansprechpartner habe - auch während der Reise, so Dannesberger. Und teurer sei das auch nicht unbedingt: „Wir können ja besser vergleichen.“ Internetangebote wirkten auf den ersten Blick eventuell günstig. Doch häufig kämen viele Einzelposten dazu, die den Preis so sehr erhöhen, dass er mit dem ursprünglichen Schnäppchenangebot nichts mehr zu tun hat.

„Das Geschäft ist dynamischer geworden“

Karen Endler von „Die Reisegalerie“ steht der Bewerbung von 50-Prozent-Rabatt-Last-Minute-Reisen ohnehin kritisch gegenüber. Solche Rabatte und Angebote gebe es aktuell gar nicht oder nicht mehr in dem Umfang. „Das Geschäft ist dynamischer geworden, aufgrund der gestiegenen Kosten kaufen die Reiseveranstalter nicht mehr so viele Flugkontingente, also können sie auch nicht mehr so viel Günstiges anbieten“, erklärt sie. Was wenige wissen: An den Buchungen von reinen Flügen verdienen Reisebüros keinen Cent, wenn sie nicht selbst eine Servicegebühr auf den Preis addieren. „Die Fluggesellschaften geben schon seit zehn Jahren keine Provision mehr“, klärt Karen Endler auf. Das, überschaubare Provisionen bei Reisen und „Beratungsklau“ (im Büro beraten lassen und dann selbst im Netz buchen) habe schon vor der Pandemie dazu geführt, dass manche Reisebüros eine Beratungsgebühr nehmen, die im Falle einer Buchung auf den Reisepreis angerechnet wird. Das gebe es seit der Pandemie immer häufiger, so Endler, die dieser Praxis aber nicht folgt. Gleichzeitig beobachtet sie, dass Fluggesellschaften immer erfinderischer werden, um Gelder zu generieren: Bei manchen muss man inzwischen zusätzlich bezahlen, wenn man seinen Platz im Flugzeug frei wählen und nicht einfach irgendwo hingesetzt werden möchte.

Neuer Trend ist auch, dass man bei immer mehr Reisebüros einen Termin für ein Gespräch vereinbaren muss. „Das ist gar nicht so gut, wenn der Kunde vor einem sitzt und warten muss, dass man mit der Angebotserstellung fertig wird“, erklärt Anke Dannesberger. Sie freut sich über eine Anfrage per Telefon, Mail oder auch persönlich, kümmert sich dann um die Zusammenstellung von Angeboten und sendet sie zu. Aber Termine muss man bei ihr nicht machen - ebenso wenig bei Karen Endler.

Beratung auf der heimischen Couch

Marcelina Strobach hat die Terminorganisation hingegen schätzen gelernt. Das liegt auch daran, dass sie vielen Kunden ihre Angebote auf eine besondere Weise präsentiert: „Zum Beispiel wenn ein anfragendes Paar bei sich zu Hause gemütlich auf der Couch sitzt, dann machen wir eine Telefonkonferenz, die Kunden bekommen einen Link zu einer Seite, auf der sie parallel ihre Angebote sehen können - so, als würden sie bei mir im Reisebüro auf meinen Bildschirm schauen.“ Diesen Service schätzten viele Kunden, sie habe festgestellt, dass es seltener zu „Beratungsklau“ komme.

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