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Wider die Helikopterpolitik

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Eine Stadt ist niemals fertig. Seit 2010 ist die Einwohnerzahl Frankfurts bis Ende 2022 um fast 100 000 Personen auf 773068 gewachsen. Weil all diese Menschen irgendwo wohnen müssen, verändert sich die Stadt, die permanent erneuert werden muss.

Dennoch wünschen sich Frankfurts Stadtpolitiker, allen voran die Grünen, dass alles so bleibt, wie es ist. Zu diesem Zweck wurden in 15 von 46 Frankfurter Stadtteilen Erhaltungssatzungen, auch Milieuschutzsatzungen genannt, erlassen.

Sie umfassen etwa ein Drittel der Stadtfläche. Darunter sind beliebte Stadtteile wie das Nordend und Bockenheim, die Berger Straße, Teile Sachsenhausens und des Ostends. Das Ostend hat mit dem Neubau der Europäischen Zentralbank einen enormen Aufschwung genommen. Anderswo freut man sich über positive Entwicklungen, Frankfurt setzt auf Konservierung.

Denn in den Milieuschutzgebieten unterliegen Änderungen an Bestandswohnungen strengen Auflagen. Schon allein die Bezeichnung „Milieuschutz“ ist Schönfärberei: Als ob sich menschliche Gemeinschaften per Verordnung aufrecht erhalten ließen. Das verhindert schon die Sterblichkeit.

In den Milieuschutzgebieten müssen Änderungen an Bestandswohnungen mit der Bauaufsicht abgesprochen werden. Nachverdichtung, beispielsweise durch Dachausbau, wird schwierig. Selbst energetische Sanierung nach modernsten Maßstäben wird verhindert. Diese ist nur erlaubt, wenn sie „den Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes angepasst wird“. Der Zukunft zugewandt, ist diese Verordnung nicht. Dabei haben Standards glücklicherweise die Tendenz, besser zu werden. Die revolutionäre Frankfurter Küche der Architektin Margarete Schütte-Lihotzky von 1926 würde heute nicht einmal mehr in eine Sozialwohnung eingebaut, weil es knapp 100 Jahre später für das Urmodell der Einbauküche fortschrittlichere Exemplare gibt.

In den Milieuschutzgebieten sollen Mieter vor so genannten „Luxussanierungen“ bewahrt werden, die im Anschluss Mieterhöhungen zur Folge haben könnten. Spötter behaupten allerdings: Die meist gutsituierten Grünen wollen in ihren Hochburgen Bornheim, Nordend und Ostend nur weiterhin günstige Mieten zahlen. Es waren SPD und Grüne, die das Instrument in den Koalitionsvertrag 2016 mit der CDU festschrieben.

Um nicht missverstanden zu werden: Bürokratie im Sinne von Arbeitsschutz, Gebäudesicherheit, Rechtswegen und der Durchsetzung von Verfassungsrecht ist der Standortvorteil einer Demokratie. Im Grundgesetz spielen Eigentumsrechte übrigens eine wesentliche Rolle.

Über Jahrzehnte hat sich der Rechts- und Sozialstaat immer weiter verdichtet. Wenn sich dann Vorschriften gegenseitig in die Quere kommen, beispielsweise Milieuschutz contra energetische Sanierung, die dem Klimaschutz dient, ist Einhalt geboten. Die Bürger brauchen keine Helikopter-Politik, die sich obrigkeitlich auch noch in das kleinste Detail einmischt.

Erfolgreiche Politik ist immer die Gestaltung von Veränderung im Sinne des guten Lebens der Bürger. Nicht die Verhinderung der Veränderung.

Thomas.Remlein@fnp.de

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