Wie die Politik Frankfurts Digitalwirtschaft bremst

Rechenzentren beklagen immer mehr Einschränkungen - Minister und Stadträtin weichen bei Thema aus
Frankfurt -„Was die Wirtschaft braucht, damit Frankfurt Digitalhauptstadt Europas bleibt“: Die Antwort verspricht die Industrie- und Handelskammer (IHK). Gut, diese Antwort ist bekannt. Interessant ist, wie die Politik darauf reagiert. Das zeigt sich am Dienstagmorgen, als der Bundesminister für Verkehr und Digitales, Volker Wissing (FDP), zu Gast ist im altehrwürdigen Börsengebäude. Ihn blicken gut 70 Augenpaare erwartungsvoll an.
„Wir brauchen Rückenwind auf allen Ebenen“, fordert Volker Ludwig vom Branchenverband German Datacenter Association. Der Deutschland-Geschäftsführer von Digital Realty lässt gerade eine Phalanx von Rechenzentren an der Hanauer Landstraße wachsen. Sie werden Teil des boomenden Digitalstandortes mit dem weltweit größten Internetknoten und einem der allergrößten Rechenzentren-Cluster des Planeten.
Viel Bürokratie, wenige Flächen, teurer Strom
Frankfurt sei „die europäische Hauptstadt der Digitalisierung“, schwärmt IHK-Präsident Ulrich Caspar. Diese Stärke dürfe die Stadt nicht gefährden. Viele Ansiedlungsalternativen habe sie wegen der hohen Grundstückspreise auch nicht. Betriebe mit Produktion könnten sich Frankfurt gar nicht mehr leisten.
Die Stadt aber hatte zuletzt den Rechenzentren enge Grenzen für ihre Expansion gesetzt. Zuvor hatten sich die Grünen und ihnen nahe stehende Bürgerinitiativen dafür stark gemacht. Seither dürfen sich Data-Center nur noch an bestehenden Standorten an der Hanauer Landstraße, in Seckbach, Sossenheim, Rödelheim, Gallus, Nieder-Eschbach und Griesheim sowie in den Industrieparks ansiedeln. „Wir brauchen ausreichend Flächen“, fordert Ludwig.
Als nächstes bremst nun der Bund die Rechenzentren aus. Mit dem neuen Energieeffizienzgesetz drohe Betreibern massive Bürokratie, kritisiert Ulrich Caspar. „Wir hätten uns eine gemeinsame Lösung gewünscht“, verpackt Volker Ludwig seine Kritik höflich. Die Bürokratie sei schon massiv, er würde sich etwa bundeseinheitliche Regeln für Neubauten wünschen statt variierende in 16 Bundesländern. Drittens leiden die Data-Center unter den hohen Strompreisen. „Die Kosten sind bei uns dafür doppelt so hoch wie in Frankreich oder den Niederlanden“, warnt Volker Ludwig. Strom mache 40 Prozent der Betriebskosten aus. Nicht Subventionen, nur freie Bahn für die Firmen fordert Präsident Caspar.
„Digitale Infrastruktur erfüllt keinen Selbstzweck“, erinnert Betreiber Ludwig. Nur mit ihr sei die Digitalisierung möglich, wenn noch rechenintensivere Anwendungen für Künstliche Intelligenz oder autonomes Fahren hinzukämen. Wer Datensouveränität wolle, müsse dafür sorgen, dass die deutschen Daten auch im Land verarbeitet werden könnten.
Zudem seien Rechenzentren nicht klimaschädlich, sondern klimaschonend, betont Ludwig. „Wir sparen durch die Digitalisierung einen sehr großen CO2-Fußabdruck gegenüber der analogen Welt ein“, wenn Menschen virtuell konferierten, statt mit dem Flugzeug zueinander zu reisen. Die Data-Center nutzten Strom aus erneuerbaren Quellen. Und die digitale Infrastruktur sei in Frankfurt ja schon da. „Wir wollen sie erhalten und ausbauen.“
O’Sullivan: „Durch Brille der Verwaltung“
Auch Minister Wissing weiß: „Ohne leistungsfähige digitale Infrastruktur geht gar nichts.“ Sie aufzubauen sei Sache der Unternehmen. Er verteidigt, dass der Bund im Energieeffizienzgesetz Einsparungen wenigstens „nicht einseitig auf die Unternehmen“ abwälze. Und fordert: „Wir brauchen einheitliche Strompreise in Europa.“ Dann aber spricht Volker Wissing über den Glasfaserausbau, den der Bund nur fördere, wo er sich wirtschaftlich nicht lohne. Er spricht über die neue digitale Kfz-Zulassung. Er lobt sich dafür, dass es das neue Deutschlandticket nur digital gebe.
Frankfurts Digitaldezernentin Eileen O’Sullivan (Volt) spricht über die Europastadt, die gewünschte Ansiedlung der EU-Geldwäschebehörde Amla, den dafür nötigen Neubau der Europäischen Schule. Die Regulierung der Ansiedlung von Rechenzentren verteidigt sie: „Wir müssen die Brille der Verwaltung tragen, die viele Facetten hat.“
Als Volker Ludwig dann interkommunale Zusammenarbeit für mehr Standorte vorschlägt, stimmt ihm O’Sullivan zu. Allerdings wandern die Betreiber längst mit ganz großen Investitionen ins Umland ab - nach Hattersheim, Liederbach, Schwalbach, Eschborn, Bad Vilbel, Hanau, Offenbach. Die Digitaldezernentin erzählt derweil, wie gut die Stadtverwaltung mit der Digitalisierung vorankomme, etwa in der Ausländerbehörde oder beim Ausstellen von Führungszeugnissen. (Dennis Pfeiffer-Goldmann)
In einer ersten Version dieses Textes wurde Eileen O’Sullivan mit einem Zitat zur Zukunft der Rechenzentren in Frankfurt widergegeben. Dieses war inhaltlich falsch zugeordnet. Wir haben es entfernt und bitten um Entschuldigung.