Wie Kunst Senioren in Frankfurt gegen Einsamkeit hilft

Corona hat auch in Frankfurt zu noch mehr Einsamkeit unter Senioren geführt. Ein Kultur-Projekt soll ihnen nun helfen.
Frankfurt -Wer zum Hausarzt geht, hat nicht immer ein medizinisches Problem. Manche Menschen besuchen ihn schlicht, weil sie einsam sind. Eine Untersuchung in Großbritannien hat gezeigt: Bietet man diesen Menschen eine geeignetere Anlaufstelle, reduziert sich die Zahl der Hausarztbesuche um rund 20 Prozent. Die Studie wurde vor der Corona-Pandemie durchgeführt.
Mittlerweile hat sich das Problem verschärft: Während bei einer europaweiten Befragung vor der Pandemie rund zwölf Prozent der Befragten angaben, sich mehr als die Hälfte ihrer Lebenszeit einsam zu fühlen, waren es im ersten Pandemie-Jahr 25 Prozent. Besonders betroffen sind ältere Menschen. "Wir mussten aktiv werden", sagt Matthias Roos, der beim Frankfurter Gesundheitsamt für Gesundheit im Alter zuständig ist. Denn Einsamkeit ist nicht nur ein soziales Problem, sondern erhöht unter anderem auch das Risiko für Herz-Kreislauf- und psychische Erkrankungen.
Covid-19 hat das Problem verschärft
Roos und seine Abteilungsleiterin Christiane Schlang recherchierten. Und stießen auf das EU-Projekt "Kultur auf Rezept", das genau das zum Ziel hat, was der Name sagt: Herauszufinden, wie einsame Menschen gezielt dazu ermuntert werden können, an kulturellen Aktivitäten teilzunehmen, Kontakte zu knüpfen und selbst künstlerisch aktiv zu werden. Innerhalb Deutschlands kooperiert das Gesundheitsamt mit dem gemeinnützigen Institut für angewandte Sozialforschung (ISIS), europaweit sind Projekte in Portugal, Rumänien, Irland und den Niederlanden dabei.
Dadurch, dass die Kooperationspartner sehr unterschiedlich sind - in Irland eine Uni, in Rumänien ein Seniorenverband - soll Vielfalt entstehen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Zusammenarbeit unheimlich befruchtend ist und dazu führt, dass nicht jeder das Rad immer neu erfinden muss", sagt Schlang. Das Gesundheitsamt arbeitet zum Beispiel bereits beim jährlich stattfindenden Europäischen Filmfestival der Generationen, das den sozialen Austausch durch gemeinsame Kinonachmittage fördert, mit Partnern aus anderen EU-Ländern zusammen.
Zusammenkommen bei Malerei, Kunst, Gesang, Kochen
In der vergangenen Woche trafen sich die Projektpartner zum ersten Mal und konzipierten gemeinsam mit dem Frankfurter Künstler und Filmemacher Andreas Hett einen Modell-Kurs, der zehn Treffen umfasst, und in dem es vorwiegend um Malerei geht. Kurse zu Musik, Gesang, Tanz und Kochen sollen folgen, so dass für jeden das perfekte Rezept dabei ist. "Erfahrungen zeigen: Kurse, bei denen man gemeinsam an einer Aufgabe arbeitet, sind eine sehr effektive Art, Leute aus der Einsamkeit zu holen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man weiter in Kontakt bleibt, wenn der Kurs zu Ende ist, ist hoch", erklärt Karin Stier, die bei ISIS für das Projekt verantwortlich ist.
"Kultur auf Rezept" richtet sich insbesondere an ältere Frankfurter, die sich in Pandemiezeiten einsam gefühlt haben und gerne wieder in einem geschützten Rahmen an kulturellen Aktivitäten teilnehmen möchten. Allem voran steht ein persönliches Gespräch. Nicht nur, um die Vorlieben zu erkunden, sondern auch, um herauszufinden, ob ein Kultur-Rezept wirklich das richtige ist. "Zwar sind beispielsweise auch Menschen mit psychischen Erkrankungen einsam. Sie brauchen aber erst andere Hilfen, zum Beispiel eine Therapie, bevor sie vom kulturellen Austausch profitieren können", sagt Christiane Schlang vom Gesundheitsamt.
In einem halben Jahr sollen Kurse starten
Nach der Ideenfindung folgt nun die Konzeptphase: "Wir brauchen zum Beispiel ein Erhebungsinstrument, das Einsamkeit misst", sagt Schlang. Denn nur so könne man herausfinden, ob das Angebot überhaupt hilfreich sei. Zudem müssen weitere Künstler gefunden werden, die Interesse haben, sich ehrenamtlich zu engagieren, und passende Kurse erarbeitet werden. Und dann müsse das Projekt auch noch bekannt gemacht werden. "Es wird wohl mindestens noch ein halbes Jahr dauern, bis wir mit den Kursen beginnen können", sagt Schlang.
Das Projekt "Kultur auf Rezept" läuft zwei Jahre, dann soll seine Wirksamkeit überprüft und die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen unter Federführung des Gesundheitsamts in die deutsche und europäische Politik hineingetragen werden. Außerdem sind eine Lernplattform und eine Broschüre für andere Kommunen geplant. Alle sieben Partner bekommen zusammen 377 000 Euro EU-Förderung. "Das wird sicher nicht reichen", sagt Schlang, aber daran solle es nicht scheitern. Dazu sei das Thema einfach zu drängend. ( Sarah Bernhard)