Wieso jeder in Frankfurt nun etwas auf die lange Bank schieben kann

Ein ungewöhnliches Kunstprojekt lockt in Frankfurt die Besucher an. Es ist derzeit am Mainkai zu erleben.
Frankfurt -Sie war schon an der Hauptwache, am Friedrich-Stoltze-Platz und steht jetzt auf Inseln am gesperrten Mainkai. Eine 60 Meter lange Bank, mal in mehreren Teilen, mal als Ganzes mit blauen und orangenen Dreiecken als Lehne oder Armstütze. Sie ist nicht nur eine Möglichkeit zum Ausruhen, sondern gleichzeitig ein Kunstobjekt zum Zuhören.
Ein Kunstwerk auf Tour durch die Stadt
Sie passt sich so in die Umgebung ein, dass sie kaum auffällt, aber trotzdem Leute anlockt. Die ältere Dame mit Einkaufstaschen und Rollator, Teenies, die kichern und schnattern, die Eltern, die ihrem Kleinkind beim Spielen zugucken, Geschäftsleute, die eilig ihr Mittagessen verspeisen. Die 60 Meter lange Bank ist nicht nur vorübergehender Aufenthaltsort, sondern bietet per App Lausch-Begegnungen mit Tänzern, Choreographen und Performern.
Anfangs stand sie rund um die Bäume neben dem Café Hauptwache, zog weiter an den Friedrich-Stoltze-Platz mit Blick auf Baustelle oder Café. Jetzt steht sie zweigeteilt an Verkehrsinseln auf dem gesperrten Mainkai.
„Das ist schön. Jemand hat hier wirklich mal out-of-the-box gedacht mit den neuen Sitzmöglichkeiten. Wenn die Bank jetzt noch im Schatten stünde, wäre es perfekt“, sagt Shereen Akbar, die bei der Aktion Tanz + Basketball mit den Frankfurt Skyliners und der Crespo Foundation Passanten über die sportliche Kombination aufklärt und am Abend vorher bei der Cypher Dojo Community zu Hip-Hop mit eingeladen hat. Am Abend war die Bank gut besetzt mit Flanierern und atemlosen Tänzern.
Wenn es sonnig ist, gibt es ein Problem
Tagsüber kommen Leute, manche lassen sich nieder. „Die Bänke am Main und die Liegestühle sind leider alle besetzt. Hier ist der Fluss zwar weiter weg, aber immerhin kann man sitzen und mal die Füße hochlegen“, sagt Richie Hang, die aus Singapur zu Besuch ist. „Ich bin so viel gelaufen, ich brauche einfach eine Pause, bevor ich Blasen an den Füßen habe“, sagt sie, bevor sie sich dann doch aufmacht direkt ans Ufer vom Main.
Schatten ist rar auf der Bank, aber man lernt sich kennen. Touristen fragen Sitznachbarn nach dem Weg und Restaurant-Tipps, Frankfurter babbeln über dies und das. Die Aufkleber mit QR-Code auf den breiten Sitzflächen nehmen sie kaum wahr. Eigentlich schade, denn das Audio-Programm ist spannend.
„Meet me at the Bench“ - triff mich an der Bank - heißt das künstlerische Zuhören via Kopfhörer und Ear Buds. Per App kann man 15 internationalen Künstlern lauschen. Tänzer, Choreographen und Performer erzählen über Sitzbänke. Chto Delat zum Beispiel ist Russe und wurde ins Exil gezwungen. Ishvara Devati aus Indonesien und Zora Snake sprechen über ihre Heimatländer Indonesien und Kamerun, wo aufgestellte Bänke als Zeichen des Kolonialismus betrachtet werden. Aus Teheran sind Bänke gefährliche Orte, in Athen verschwinden sie immer mehr aus dem öffentlichen Raum.
Manche Künstler regen die Fantasie an. Die Choreographin Wen Hui verwandelt eine Bank in einen fliegenden Teppich und reist damit um die ganze Welt.
„Hauptsache, man kann sich mal hinsetzen. Es gibt eh viel zu wenige Bänke zum Ausruhen in der Stadt“, findet Matthias Müller (79). „Wenn die Stadtplaner mal in mein Alter kommen, wissen sie, was es heißt, Strecken zurückzulegen, wenn die Beine und der Rücken schmerzen. Wüssten sie es, gäbe es viel mehr Sitzgelegenheiten.“
Das Audioprogramm ist ihm zu kompliziert, er genießt einfach den Blick auf junge Leute, die Basketball spielen, Kinder, die mit Kreide die Straße kunterbunt malen, Spaziergänger mit Hunden und Leute, die auf Rädern und E-Scootern am Mainufer entlangfahren. Dass sich neben ihn ein junges Liebespaar setzt, lässt ihn strahlen. „Es gibt sie noch, die Schmetterlinge im Bauch“, freut er sich und scheint sich zu erinnern an seine erste Liebe.
Wohin die Lange Bank noch reisen soll
Noch bis zum 9. September kann man die Bank, die von dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) und dem Stadtplanungsamt präsentiert wird, in Frankfurt im Wortsinn besetzen.
Sie gehört zum Reallabor des DAM „Wohnzimmer Hauptwache“ aus dem letzten Jahr. Danach reist die Bank weiter nach Hamburg und Köln. Dann wird es wieder ein Stück weniger gesellig und bequem, weil 60 Meter Bank mit ihren blauen und orangenen Dreiecken fehlen werden in der Frankfurter Innenstadt. ( SABINE SCHRAMEK)