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„Wir können auf keine einzige Halle verzichten“

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Mike Josef (39) ist seit 2016 Planungs- und Wohnungsdezernent sowie seit seiner Wiederwahl im Herbst 2021 auch Sportdezernent in Frankfurt. FOTO: Rainer Rüffer
Mike Josef (39) ist seit 2016 Planungs- und Wohnungsdezernent sowie seit seiner Wiederwahl im Herbst 2021 auch Sportdezernent in Frankfurt. © Rainer Rüffer

Sportvereine leiden unter Platznot, die Stadt schafft es über Jahre nicht, eine Multifunktionshalle zu bekommen - und nun stehen erstmal zwei Sport-Megaveranstaltungen im Waldstadion an: US-Football und die Fußball-Europameisterschaft. Viel zu erklären für Sportdezernent Mike Josef (SPD) im Interview mit Redakteur Dennis Pfeiffer-Goldmann.

Die Multifunktionshalle soll nun am Stadion entstehen, warum nicht am Kaiserlei, Herr Josef?

Die Halle wäre mir auch am Kaiserlei recht gewesen. Am Stadion haben wir auf der Fläche des heutigen Parkplatzes P9 den riesigen Vorteil, dass wir seit 2006 schon Bau- und Planungsrecht haben für eine Halle mit 13 500 Zuschauern. Das Planungsrecht ist sonst die größte Hürde. Die Multifunktionshalle ist bisher nicht am Standort gescheitert.

Sondern woran?

Am Ende an der Investition: Hat jemand den Mut, das Geld in die Hand zu nehmen für eine Halle, die unseren Sportvereinen außerhalb des Fußballs nutzt und sich wirtschaftlich trägt?

Es gab Investoren - Sie schlagen aber vor, dass die Stadt selbst investieren soll. Warum verschmähen Sie privates Geld?

Das tue ich ja nicht, denn das ist nur eine Möglichkeit, und es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Der Ausbau des Stadions hat die Eintracht sehr beflügelt, das wünsche ich mir auch für die Löwen und die Skyliners. Beim Bau des Stadions gab es eine ähnliche Diskussion und dort haben wir das Modell realisiert, bei dem die Stadt baut und dann Pachteinnahmen erzielt. In der Multifunktionshalle werden neben den Sport- auch andere Veranstaltungen stattfinden. Die Einnahmen, die die Stadt von einem Betreiber erhalten könnte, sind durchaus erheblich, so dass sich daraus die Investition amortisiert.

Wie ist der Stand der Gespräche mit den privaten Investoren?

Es spricht nichts dagegen zusammenzuarbeiten. Dass die Stadt investiert, ist eine Möglichkeit, damit wir vorankommen und der gordische Knoten durchschlagen wird. Wir brauchen eine Unterkunft für unsere Vereine, da die Ballsporthalle und die Eissporthalle nicht auf Dauer für die Profi-Vereine nutzbar sein werden. Aktuell laufen Veranstaltungen wie die Europameisterschaft im Basketball oder die Bewerbung um die Eishockey-WM 2027 völlig an Frankfurt und Hessen vorbei, weil wir die Halle nicht haben.

Wann soll gebaut werden?

Wir müssen die EM 2024 abwarten, weil die Fläche noch als Parkplatz genutzt wird. Danach könnte man, nach Abschluss aller Prüfungen und allen Entscheidungen, 2025 mit dem Bau beginnen.

Die Verkehrsprobleme rund ums Stadion werden aber mit der Halle noch gravierender. Wie lösen Sie das?

Wir haben einen der am besten erschlossenen Standorte für eine Multifunktionshalle bundesweit. Die Anbindung für das Stadion funktioniert auch für die Halle. Die Herausforderung besteht darin, wenn es Parallelveranstaltungen im Stadion und der Halle gibt. Wir brauchen das Waldparkhaus und wir müssen ein intelligentes Verkehrsleitsystem etablieren, das Niederrad vom Autoverkehr entlastet. Aber wir haben ja schon die Parkplätze, die S-Bahn, die Straßenbahn, Busse und ab 2027 auch die Regionaltangente West, die dort halten wird.

Und wie transportieren Sie die 8500 zusätzlichen Fußballfans ab diesem Sommer, wenn die Stadionerweiterung in Betrieb geht? In den S- und Straßenbahnen ist es schon jetzt immer sehr voll.

Der Bebauungsplan von 2006 sah diese Kapazitäten für das Stadion bereits vor. Im Verkehrs- und Sportdezernat gab es schon Vorschläge für andere Verkehrsführungen und die Frage, wie sich die Taktung der Bahnen verbessern lässt. Es braucht Pünktlichkeit, weniger Ausfälle, mehr Kapazität und Shuttle-Angebote. Derzeit erhöhen wir zum Beispiel die Anzahl der Fahrradstellplätze am Stadion. Ich glaube, das ist alles machbar, aber nur, wenn alle an einem Strang ziehen.

Wie laufen die Vorbereitungen für die EM 2024?

Wir bekommen fünf Spiele inklusive einem Heimspiel. Wir sind in den Vorbereitungen auf einem guten Weg, wir sind in guten Gesprächen mit den Sicherheitsbehörden und anderen Dezernaten. Die Stadtverordnetenversammlung ist meinem Vorschlag gefolgt, dass wir eine tolle Fan-Zone gestalten werden.

Wo wird die sein?

Am Mainufer. Das ist für uns keine neue Situation, das hat die Tourismus+Congress GmbH schon 2006 bei der Männer- und 2011 bei der Frauen-Fußballweltmeisterschaft sehr gut realisiert. Unser Sportdezernat koordiniert das Gesamtprojekt.

Im Oktober wurde ein Spaziergänger im Stadtwald von einem Ast erschlagen, das Stadion befindet sich auch im Stadtwald. Wie garantieren Sie Sicherheit?

Die Vorkehrungen, die getroffen werden müssen, sind nicht neu. Wir werden eine Liste aufstellen von dem, was wir sofort umsetzen müssen. Vor einigen Wochen hatten wir einen großen Termin mit den Sicherheitsbehörden, allen betroffenen Ämtern und Dezernaten. Es handelt sich aber nicht um ein sportspezifisches Sicherheitsthema. Wir bereiten aktuell eine Oberbürgermeister-Verfügung vor, um diese Fragestellung grundsätzlich anzugehen.

Das Umweltdezernat warnt immer wieder nur vor den Gefahren im Wald, lehnt aber Verantwortung ab. Wer kümmert sich denn nun?

Mir geht es nicht darum, wer zuständig ist, sondern es sind Sachen, die gemacht werden müssen. Wir müssen aufhören, mit dem Finger auf andere zu zeigen, und ins Machen kommen. Am Ende ist die ganze Stadt dafür verantwortlich.

Bisher verweist aber einer auf den anderen.

Das werden wir nicht mehr machen. Wir werden die Aufgaben so verteilen, dass die Ämter und Dezernate ihre Aufgaben umsetzen. Wir müssen ins Machen kommen, und wenn Fehler passieren, müssen wir nachjustieren.

Was lernt Frankfurt aus den Münchner Erfahrungen mit der NFL? Beim Spiel dort hatte es Kritik gegeben, zum Beispiel weil den Fans Platz zum Feiern fehlte.

Es gab drei Millionen Ticketanfragen für München! Daher ist es ein toller Erfolg, dass wir trotz großer Konkurrenz die Spiele nach Frankfurt holen konnten. Anders als in München ist unser Stadion mit den Erfahrungen von Frankfurt Galaxy so gebaut, dass Football möglich ist. Wir müssen zum Beispiel die Umkleidekabinen nicht vergrößern. Wir können aber lernen, dass wir auf öffentlichen Plätzen ein Angebot für die Fans machen.

Wo sollen die Fans feiern?

Die Fangemeinde zelebriert das schon viele Stunden vor Beginn des Spiels. Zu der Homebase-Gastronomie sind wir im Gespräch mit der NFL. Wir werden dafür eine Million Euro aus dem Innenstadtprogramm nutzen, um die Plätze nachhaltig umzugestalten, auch später für die EM.

Um welche Plätze geht es?

Wir prüfen momentan das Mainufer, den Roßmarkt, Goetheplatz und Rathenauplatz. Dazu werden wir in den nächsten Monaten eine Entscheidung treffen.

Zum Breitensport in Frankfurt: Seit einiger Zeit saniert die Stadt die Sportanlagen energetisch. Wie weit sind Sie vorangekommen?

Wir sind gut auf dem Weg. Als nächstes sind Hahnstraße und Denisweg dran, nächstes Jahr Sindlingen. Den Schwimmverein in Höchst haben wir unterstützt beim Einbau einer Wasserpumpe, mit dem er 40 bis 50 Prozent am Strom spart. Das zeigt, wie wichtig diese Investitionen sind. Bei zehn Sportanlagen haben wir die Beleuchtung auf LED umgerüstet.

Viele Vereine leiden schon lange unter fehlenden Trainingsflächen. Es ist aber schon bald sechs Jahre her, dass die Stadt in Preunges-heim letztmals einen neuen Sportpark gebaut hat. Wann tut die Stadt mehr?

Kontinuierlich läuft die Umrüstung von Rasen- in Kunstrasenplätze. Das ermöglicht eine ganz andere Intensität bei der Nutzung. Wir sind auch dabei, unsere Plätze zu erweitern, und die Planungen für die zweite Sportanlage Riedberg mit einer Drei-Feld-Halle sind im Gange. Aktuell ist in der Prüfung, ein Leichtathletikzentrum in der Hahnstraße zu entwickeln - mit mehr Platz für unsere Leistungssportler und die Frankfurter Vereine. Dann brauchen wir aber auch einen Ausweichstandort für die TSG Niederrad. Dazu gibt es bereits gute Gespräche mit der Allianz, die Sportfläche der Allianz unter anderem der TSG zur Verfügung zu stellen und Synergien zur Union Niederrad aufzubauen. Es gibt auch Überlegungen, die Sportfläche an der Louisa so zu entwickeln, dass dort wieder Sport möglich ist.

Welche Folgen hat das für die von der Leichtathletik genutzte Halle in Kalbach?

Wir können auf keine einzige Halle verzichten. Die Nachfrage ist so riesig, dass wir weitere Hallen brauchen. Wir haben die Halle in Kalbach saniert, 2023 wird noch der Boden ausgetauscht. Wir werden dort auch weiter investieren. Gut ist auch, dass zum Beispiel Makkabi nun Klarheit hat, um die neue Sportanlage bauen zu können.

Es fehlen auch Schwimmbadkapazitäten. Die Bäderbetriebe sollten daher den Betrieb der Schulschwimmbäder übernehmen, damit Vereine diese nutzen können. Wie weit ist das?

Das ist prinzipiell eine kluge Lösung, weil wir mit vorhandener Infrastruktur mehr Kapazität zur Verfügung stellen können. Seit diesem Monat ist die Berthold-Otto-Schule übernommen. Dadurch gibt es an den Wochenenden 20 Stunden mehr für die Vereine. Die Dahlmannschule ist schon bereitgestellt, die Marie-Curie-Schule seit 2017. Weitere Schulschwimmbäder sollen folgen, dort müssen aber zunächst noch Sachen in Stand gesetzt werden.

Reicht das für den Bedarf?

2020 haben wir für 50 Vereine Bäderzeiten für 35 000 Bahnstunden zur Verfügung gestellt. Das wollen wir fortsetzen und schließen deshalb keine Bäder, so wie andere Kommunen, sondern bauen neu. Wir bauen das Rebstockbad neu, das Familienbad Bornheim, wir sanieren das Riedbad, wir haben die Traglufthalle in Hausen voriges Jahr umgesetzt und planen eine für Nieder-Eschbach. Wir brauchen aber noch mehr Wasserfläche, deshalb brauchen wir noch mehr Investitionen in Schwimmbäder.

Wo soll ein weiteres Schwimmbad hin?

Wir wollen die Idee des Schwimmsportzentrums in Ginnheim nicht aufgeben. Wir werden dazu Gespräche mit dem Land und der Uni führen. Wichtig sind mir schnelle Lösungen. Deshalb haben wir beim Neubau des Rebstockbades auch nachjustiert und die 50-Meter-Bahn ergänzt. Die Traglufthalle für Nieder-Eschbach ist ebenso eine pragmatische Lösung. Für einen Neubau sind lange Planungsprozesse nötig.

Sie stehen nun als OB-Kandidat für die SPD im Wahlkampf. Welchen Einfluss hat die Verurteilung ihres Parteifreunds Peter Feldmann wegen Korruption?

Die SPD hat sich klar entschieden, Peter Feldmann abzuwählen. Das war die richtige Entscheidung, denn es geht um die Stadt. Es war klar, dass jemand, der vor Gericht steht, nicht diese Stadt anführen kann. Die juristische Bewertung ist Sache des Gerichts. Für mich ist dieses Kapitel abgeschlossen, ich schaue nach vorne.

Wie hilfreich ist es, wenn Peter Feldmann in Revision geht und das Thema in Ihren Wahlkampf hineinzieht?

Für mich ist es kein Wahlkampfthema. Es geht den Leuten darum: Welche Antworten haben wir für die Stadt Frankfurt? Es stehen große Infrastrukturmaßnahmen bevor, die die Stadt wettbewerbsfähig halten, und viele Menschen stellen sich die Frage: Kann ich mir das Leben in dieser Stadt noch leisten? Es geht nun darum, die Stadt zu einen und zu führen.

Wie wollen Sie mit diesen Themen durchdringen gegen das Dauerthema Feldmann?

Die Entscheidung zu Peter Feldmann ist getroffen, das Gericht hat gesprochen. Die Themen, die jetzt wirklich oben stehen, sind andere. Das erlebe ich in meinen täglichen Gesprächen.

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