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„Wir müssen die Ängste nehmen“

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Torsten Schulte steht vor dem Flüchtlingsheim des ehemaligen Hotels Seegewann im Rödelheimer Gewerbegebiet.
Torsten Schulte steht vor dem Flüchtlingsheim des ehemaligen Hotels Seegewann im Rödelheimer Gewerbegebiet. © Holger Menzel

Torsten Schulte (34) ist bei „Willkommen in Rödelheim“ aktiv. Das Netzwerk verschiedener Rödelheimer Initiativen und Bürger kümmert sich um Flüchtlinge. FNP-Mitarbeiter Thomas J. Schmidt hat mit ihm über die Arbeit im Netzwerk gesprochen.

Wie kam es zur Gründung von „Willkommen in Rödelheim“?

TORSTEN SCHULTE: Es gab 2015 ein Treffen. Dabei ging es um Schilder für „Stadtteil gegen Rassismus“. Zeitgleich wurde bekannt, dass in das leerstehende Hotel im Seegewann Flüchtlinge kommen. So war rasch klar, dass wir ein Netzwerk bilden müssen, um Hilfe zu leisten. Bei unserem ersten Treffen im Oktober 2015 waren die Flüchtlinge schon eingetroffen.

Wie viele Aktive sind es denn?

SCHULTE: Unsere E-Mails gehen an 110 Adressen. Aktive Teilnehmer haben wir je nach Aktion 20 bis 40. Es gab noch einmal einen großen Zulauf und viele Interessenten, als bekannt wurde, dass In der Au auch Flüchtlinge unterkommen sollen.

Und worin besteht die Arbeit?

SCHULTE: Wir haben im Seegewann einen Sprachtreff mit den Teachers on the Road. Wir nennen es bewusst nicht Sprachkurs – aber wir wollen den Bewohnern die Gelegenheit geben, die langen Wartezeiten zu überbrücken, bis sie in einen Sprachkurs bei der Volkshochschule einsteigen können. Es gab schon zwei Umsonst-Flohmärkte für die Bewohner. Im Frühjahr planen wir einen solchen Flohmarkt für ganz Rödelheim. Daneben gibt es ein Paten-Netzwerk, es gibt eine Ausfluggruppe, eine Fahrrad-Reparaturgruppe und nicht zuletzt die Möglichkeit, sich juristisch beraten zu lassen. Allerdings wird dieses Angebot noch nicht häufig wahrgenommen, denn die wenigsten Bewohner sind mit ihren Asylverfahren schon so weit, dass sich juristische Fragen stellen.

Was sind Ihre Erfahrungen mit der Stadt Frankfurt?

SCHULTE: Die Stadt hat ein offenes Ohr. Sie reagierte auf die Kritik, die laut wurde, als bekannt wurde, dass weitere 400 Flüchtlinge nach Rödelheim kommen. Ich verstehe, dass es ein schwieriges Konglomerat aus Zuständigkeiten ist. Da ist die Stadt, der Betreiber, es sind Rechtsfragen zu beachten. Wir glauben nach wie vor, dass es schwierig ist, die alleinstehenden Männer in Wohn-Boxen unterzubringen. Aber wir verstehen auch, dass die Stadt in einer Notlage ist und es wohl kurzfristig nicht anders geht.

Also keine Klagen über die Stadt?

SCHULTE: Nein. Das ist alles so transparent wie möglich. Das Sozialamt hat im Ortsbeirat sehr frühzeitig informiert. Da war noch gar nicht klar, wer der Betreiber wird, und schon wurde alles offen präsentiert. Die Stadt hat ja auch auf Proteste reagiert und die Zahl der Bewohner In der Au von 500 auf 400 reduziert.

Immer noch 400 – das heißt auch, dass Sie Ihre Anstrengungen vervielfachen müssen. Im Seegewann werden schließlich nur rund 170 Flüchtlinge betreut. Suchen Sie Mitstreiter?

SCHULTE: Wir sind froh über jeden, der mitmacht. Wir müssen unsere Aktivitäten sicher ausweiten. Aber das ist nicht von heute auf morgen erforderlich. Erst im Sommer wird das Heim vollständig bewohnt sein. Aber wir sind ja nicht alleine da. Der Betreiber, die Johanniter Unfallhilfe, scheint mir sehr kooperationsbereit zu sein. Die Leiterin des Heims hat sich bei unserem Koordinatorentreffen vorgestellt, es gibt eigens jemanden, der die ehrenamtlichen Angebote koordinieren soll. Das schaffen wir schon, die Johanniter und der Stadtteil.

Der größte Engpass scheint ja bei den Schulplätzen zu bestehen...

SCHULTE: Ja, das Schulamt und vielleicht auch die Johanniter müssen darauf reagieren. Die Grundschule und die Kitas sind voll, und Ende Mai sollen die ersten Familien ins Notquartier In der Au einziehen.

Gibt es für die Flüchtlingshilfe noch weitere Aktivitäten im Stadtteil?

SCHULTE: Der Ortsvorsteher lädt jetzt zu einem Treffen ein. Es geht auch um die Sportvereine, die sich noch stärker als bislang öffnen sollen. Die Vorsitzende des Vereinsrings möchte auch aktiv werden.

Hat Rödelheim nicht doch Angst vor den vielen Flüchtlingen?

SCHULTE: Es fällt mir schwer, die Stimmung einzuschätzen. Die AfD hat leider viele Stimmen bekommen. Aber ich zum Beispiel werde nicht von besorgten Bürgern angesprochen. Gut, die wenden sich nicht unbedingt an uns. Tatsache ist, mit den Flüchtlingen im Seegewann haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Da ist meines Wissens nichts vorgefallen. Wir müssen die Ängste nehmen. Dazu trägt sicher auch die Bürgersprechstunde der Stadt bei. Wir werden das im Stadtteil schon alles gemeinsam schaffen. Wir freuen uns auf die neuen Mitbürger.

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