Wo die Sicherheit einen hohen Preis hat

Hausbesitzer im Bahnhofsviertel haben bereits eine Million Euro investiert - und ärgern sich über die Stadt
Wer aufmerksam durchs Bahnhofsviertel geht, sieht sie überall: Männer in schwarz, die anscheinend in Hauseingängen herumlungern oder vor Restaurants auf Bänken hocken und mit ihrem Handy herumspielen. Es sind Mitarbeiter von privaten Sicherheitsdiensten, für die manche Immobilienbesitzer mehr als 60 000 Euro pro Jahr ausgeben.
„Das Gewaltmonopol liegt beim Staat“, hatte Ordnungsamtsleiterin Karin Müller gesagt, als das Thema private Sicherheitsdienste vor rund zehn Monaten schon einmal aufkam - und ihnen Patrouillen im öffentlichen Raum verboten. Doch diesen Staat, der gleichermaßen für die Sicherheit aller sorgt, „den gibt es im Bahnhofsviertel nicht“, sagt Ralph Haerth. Er ist Sprecher der vor einigen Monaten gegründeten Eigentümerinitiative Bahnhofsviertel, deren zwölf Mitglieder allein zwischen Juni 2022 und Juni 2023 insgesamt eine Million Euro ausgegeben haben, um ihre Gebäude zu schützen.
Haerth steht im Gründerzeitgebäude Am Hauptbahnhof 10, dessen prunkvolle Lobby ganz aus Marmor besteht. Das schmiedeeiserne Tor und die Eingangstür sind offen, damit Mitarbeiter und Kunden der ansässigen Unternehmen, unter anderem einer Fluggesellschaft, zu ihren Büros kommen. Doch das nutzten immer wieder auch Drogenabhängige, um dort zu schlafen, zu konsumieren oder ihre Notdurft zu verrichten, insbesondere hinter der breiten, geschwungenen Treppe zum nächsten Stockwerk, sagt Haerth. „Das ist für diese Menschen besser als draußen auf der Straße“ - aber natürlich keine Lösung.
Vor der Tür endet die Macht der Privatdienste
Während es dem Sicherheitspersonal in den vielen Häusern des Viertels, in denen die Situation ähnlich ist, immerhin möglich sei, einzugreifen, gehe das bei den Menschen, die vor den Häusern liegen, nicht. Eben genau deshalb, weil dort nur Polizei und Ordnungspolizei Handlungsbefugnis haben. „Wenn man als Mitarbeiter oder Kunde in ein Haus will, muss man die Menschen davor oft fünf oder sechsmal ansprechen, bevor sie aufstehen und zur Seite gehen. Weil sie durch Crack völlig aufgedreht sind, ist das dann oft gleich mit Drohungen verbunden“, sagt Haerth. Viele der Unternehmen, die Räume in den Gebäuden der Initiativen-Mitglieder gemietet haben, hätten darauf keine Lust mehr. „Denen kündigen die Mitarbeiter.“ Zudem übertrage sich das schlechte Image auf die ganze Stadt. „Viel weiter runter geht’s jetzt wirklich nicht mehr.“
Natürlich sei auch den Hauseigentümern bewusst, dass die Probleme im Viertel vielschichtig seien. Die Einrichtung der Koordinierungsstelle sei deshalb ein richtiger und wichtiger Schritt gewesen. „Aber wir haben uns das jetzt ein halbes Jahr angeschaut und bemerken keine sichtbare Verbesserung.“ Das liege nicht an den drei Mitarbeitern der Koordinierungsstelle, „die sind sehr engagiert“. Doch ihnen fehlten die passenden Werkzeuge.
Dem Problem, dass viele Gastronomen ihre Mülltonnen teils Tage vor der Abholung an die Straße stellen, und diese dann durchwühlt werden, wolle die Stadt beispielsweise dadurch begegnen, dass sie einen Flyer verteilt habe. Auf ihm wird erklärt, wie man Mülltonnen richtig hinausstellt. „Das ist doch lächerlich“, sagt Haerth. Stattdessen müsse die Ordnungspolizei die Gastronomen in flagranti erwischen und ihnen empfindliche Strafen aufbrummen. „Alles andere ist denen völlig egal.“
Nicht nur das gesellschaftliche Klima insgesamt habe sich verschlechtert: Im Bahnhofsviertel seien in der Corona-Pandemie die Hemmschwellen gesunken. „Die Gegenmaßnahmen der Stadt wirken hilflos“, sagt Haerth. Eine Kritik, die man von vielen hört, die im Bahnhofsviertel arbeiten. Nächstes Frühjahr stünden schon wegen der Fußball-EM 150 000 zusätzliche „potenzielle Opfer mit Rausch und viel Geld in den Taschen“ vor der Tür. Die meisten müssten nun mal über den Hauptbahnhof. Daher wünscht sich Ralph Haerth im Namen der Eigentümerinitiative, dass die Stadt endlich umsetzt, was sie versprochen hat: „Weitere Hilfsangebote für die Drogenabhängigen und härteres Durchgreifen gegen aggressive Dealer.“ Mit-Initiator Gunnar Berendson ergänzt: „Nicht nur der Schutz von Fußballfans, auch der Schutz von privatem Eigentum ist eigentlich eine hoheitliche Aufgabe.“