Krise auf dem Bau: Wohnungsbau in Frankfurt geht zurück
Vielerorts in Frankfurt entstehen Wohnungen. Doch der Schein trügt: Immer weniger wird gebaut, zeigen neue Zahlen – mit drastischen Folgen für Mieter.
Frankfurt – Das Mieten in Frankfurt werden weiter steigen – und das betrifft vermehrt Mieter in Bestands- statt Neubauwohnungen. Davon geht die Immobilienberatung Colliers aus. Eine wieder ansteigende Nachfrage nach Wohnraum treffe in der Mainmetropole auf einen zurückgehenden Wohnungsbau.
Dabei klingen die aktuellen Zahlen zunächst sehr positiv: „Frankfurt ist hinsichtlich des Wohnungsneubaus bezogen auf die Haushalte unter den sieben deutschen Top-Städten Tabellenführer“, erklärt Kai-Alexander Krummel, Co-Head of Residential Investment Wohn- und Geschäftshäuser Germany bei Colliers. In den zurückliegenden fünf Jahren seien in der Main-Metropole pro Jahr 10,3 neue Wohnungen pro 1000 Haushalte entstanden.

Fertige Wohnungen in Frankfurt: Zahlen gehen seit 2021 zurück – schon vor Krieg in der Ukraine
Auch Wohnungsdezernent Mike Josef (SPD) ist hochzufrieden mit der Situation, wie er erst Anfang dieser Woche in einem Interview mit dieser Zeitung unterstrich: „Im Vergleich zu vielen anderen Städten bundesweit liegen wir an der Spitze bei den Baufertigstellungen.“ Seit er vor sechs Jahren Dezernent geworden sei, habe die Stadt knapp 30 000 Wohnungen genehmigt und 23 000 seien gebaut worden.
Allerdings sieht die Gegenwart nicht mehr so positiv aus, wie ein frisch erschienener Marktbericht von Colliers aufzeigt. So habe im vorigen Jahr ein Rückgang im Wohnungsbau eingesetzt. „Die Zahl der Fertigstellungen zeigte sich bereits 2021 mit mehr als 16 Prozent deutlich rückläufig“, sagt Kai-Alexander Krummel. Und das war sogar noch vor dem Beginn des Ukraine-Krieges. Deshalb, ist der Fachmann überzeugt, werde sich der Rückgang „durch die Kombination extrem gestiegener Baukosten und einem verdreifachten Zinsniveau beschleunigen“.
Nach Corona-Pandemie: Zuzüge nach Frankfurt ziehen wieder an
Das trifft in einem unpassenden Moment auf den Markt. Während der Corona-Pandemie hatte es einen Stillstand bei den Zuzügen gegeben, teils sogar eine Stadtflucht. Inzwischen aber zögen die Zuzüge wieder an – auch weil sich die Zahl der Beschäftigten in Frankfurt binnen fünf Jahren um 9,4 Prozent erhöht hat, laut Colliers ein Spitzenwert.
Mehr Zuzüge bei weniger Wohnungsneubau: „Im Ergebnis kann das Angebot mit der stetig wachsenden Nachfrage noch weniger mithalten als zuvor.“ Und das habe Folgen: „In Kombination mit der weiter auseinanderklaffenden Angebotslücke wird dies langfristig zu höheren Mieten führen“, erklärt Krummel. Aus Sicht der Wohnungssuchenden und Mieter ist das wenig erfreulich, aber Vermieter und Investoren dürften sich freuen: „Knappes Angebot und hohe Nachfrage sorgen für eine robuste Entwicklung der Mieten“, erwartet Colliers.
Angebotsmiete in Frankfurt inzwischen bei 13,89 Euro – es geht nur noch bergauf
Und auch hier ändert sich offenbar einiges. Schließlich waren es bisher vor allem Neubaumieten, die durch die Decke schossen. So meldete das Portal statista.com fürs zweite Quartal ein Allzeithoch bei den Angebotsmieten zu 13,89 Euro, mehr als zwei Euro höher als noch vor sechs Jahren. Die Mieten im Neubau hätten sich im ersten Halbjahr 2022 allerdings rückläufig gezeigt, erklärt Krummel. Kein Wunder: Neubaumieten liegen zumeist preislich weit oben, das können sich in Zeiten der Inflation und steigender Zinsen aber weniger Menschen leisten. Folge ist eine sinkende Nachfrage auch beim Wohnungserwerb: „Neubauwohnungen im höheren Preissegment lassen sich aufgrund steigender Zinsen und fallender Kaufkraft schwerer verkaufen.“
Daher steigen laut Colliers nun Kaufpreise für Luxuswohnungen in Edel-Hochhäusern sowie Wohnungen in guten Lagen weniger stark, während besonders die Preise in einfachen Lagen anziehen. Wohnungen im unteren Preissegment seien am wenigsten von einem Preisverfall betroffen, betont der Investment-Experte. Und das untere Preissegment finden sich vorwiegend in schon lange stehenden Häusern. Mit Folgen für die Mieter dort: „Die Mieten präsentierten sich im ersten Halbjahr 2022 im Bestand steigend.“
Ganz überraschend kommt der Rückgang beim Wohnungsneubau übrigens nicht: Schon im Frühjahr vorigen Jahres ließ sich das an Zahlen der städtischen Bauaufsicht ablesen. Dem Amt zufolge hatte die Stadt 2020 nur 4228 Wohnungen genehmigt, der zweitniedrigste Wert im 10-Jahres-Vergleich. Im Rekordjahr 2018 hatte die Stadt noch Baugenehmigungen für 7329 Wohnungen erteilt. (Dennis Pfeiffer-Goldmann)