Geschäftsschließungen in Frankfurt: Der Zeil droht der Leerstand

Die Geschäfte in der Zeit in Frankfurt gehen schlecht. Nun muss sich in der Einkaufsstraße etwas ändern. Kritiker sprechen von mangelnder „Aufenthaltsqualität“.
- Auf der Zeil in Frankfurt drohen mehrere Geschäftsschließungen
- Die zentrale Einkaufsstraße Frankfurts droht zu veröden
- Es ist nicht nur die Corona-Krise, die den Geschäftsleuten zusetzt – Auch der Online-Handel spielt eine Rolle.
Frankfurt - Auf der Zeil kommt der Einzelhandel nur mit Ach und Krach durch die Corona-Krise. Einen weiteren Lockdown würden auch die noch halbwegs gesunden Unternehmen kaum überleben. Darin sind sich Experten und Akteure einig. Zumal auch auf der Zeil viele schon vor Sars-Cov-2 zu kämpfen hatten. Karstadt/Kaufhof etwa, die Textilanbieter Appelrath Cüpper und Esprit, die sich in Insolvenzverfahren befinden. Deren Frankfurter Filialen stehen auf der Kippe, auch wenn im Falle von Esprit die Gläubiger-Versammlung vorgestern beschlossen hat, die Deutschland-Geschäfte „uneingeschränkt“ fortführen zu lassen.
Corona beschleunigt einen belastenden Trend für die Frankfurter Zeil
Für Textilhändler gilt, was für alle stationären Anbieter von online stark nachgefragten Produkten gilt: Der bequeme Einkauf zu Hause zieht ihnen mehr und mehr Kunden ab. Neu ist das nicht, Corona aber beschleunigt den Trend gewaltig. „Auf die Zeil kommen dramatische Zeiten zu“, sagt deshalb Stefan Müller-Schleipen. Er leitet die Immovativ GmbH, die Gewerbeimmobilien digital vermarktet und Leerstandsmanagement betreibt. Müller-Schleipen und Mitstreiter haben ein ambitioniertes Ziel, das sich im Namen einer von ihnen im Juni gegründeten Netzwerk-Initiative widerspiegelt: „Die Stadtretter“. Sie wollen Kommunen, Handel, Investoren und Immobilienbesitzer zusammenbringen. Auf dass schleunigst etwas geschehe, um den Innenstädten neues Leben einzuhauchen. 300 Kommunen hätten sich schon angeschlossen, sagt Müller-Schleipen - auch Frankfurt.
Der Gewerbeimmobilien-Vermarkter kommt aus Hanau. Dass Deutschlands umsatzstärkste Einkaufsmeile nicht nur hinter mancher Ladenfassade aus der Zeit gefallen ist, spürt er zwischen Konstablerwache und Hauptwache unwillkürlich. „Die Zeil hat keine Aufenthaltsqualität.“
29 Prozent der Flächen auf der Zeil in Frankfurt sind ungenutzt
So sehen das ja selbst viele Frankfurter. Viele eilen dorthin, um auf kurzen Wegen alles zu bekommen - und eilen genauso schnell wieder weg. Welches Argument gibt es also noch für die Zeil in Zeiten des Onlinehandels? Folglich drohen noch mehr Leerstände - manche marktbedingt, manche hausgemacht, weil Immobilienbesitzer ohnehin keine renditestarken Mieten mehr erzielen können. Aktuell sind laut der Immobilien-Gesellschaft Jones Lang LaSalle (JLL) 29 Prozent der Verkaufsflächen ungenutzt, Flächen mit mehr als 2000 Quadratmetern seien nicht mehr zu vermarkten. Manche wie „Stadtretter“ Müller-Schleipen sehen darin Vorboten der Verödung.
Daniel Kroppmanns will so schwarz nicht sehen für die Zeil: „So stark gewachsene Lagen werden weiter attraktive Läden haben.“ Kroppmanns vermittelt für den Immobiliendienstleister Savills zwischen Vermietern und Mietern. Eines seiner Großprojekte ist das „Flare of Frankfurt“, wo einst das Rundschau-Haus stand. Wohnungen gibt es dort, ein Hotel auch, womit im „Flare“ eine Zukunftsvariante erprobt wird - mit Erfolg, wie Kroppmanns sagt. Die beiden Gebäude seien voll vermietet; für eine Fläche, die zwei Jahre ungenutzt geblieben war, habe man nun den Elektroauto-Hersteller Polestar gewonnen. Gleichwohl räumt auch Kroppmanns ein, dass die Zeit der großen Flächen zu Ende sei. Wie überall müsse auch auf der Zeil kleinteiliger gedacht werden.
Karstadt-Gebäude in Frankfurt soll abgerissen werden
Dass sich Immobilienbesitzer und Investoren entsprechend umstellen müssen, sieht man am Beispiel Karstadt/Kaufhof. Albert Sahle, dessen Unternehmen das Karstadt-Gebäude gehört, denkt bereits kleinteilig: zwei Stockwerke für den Handel, im Erdgeschoss einen Supermarkt, oben Hotel und Büros. Zwar ist das Schicksal von Karstadt in Frankfurt noch nicht besiegelt, aber in Sahles Zukunftsplänen spielt das strauchelnde Traditionshaus keine Rolle mehr. Sahle, so verriet er der Sonntagszeitung der „FAZ“, erwägt den Abriss.
Experten erwarten ohnehin den radikalen Umbau der Innenstädte. Auch auf der Zeil eignen sich die meisten Gebäude nicht für flexible Konzepte. Allein das zeigt, wie groß die Umwälzung sein wird in den nächsten Jahren. Aber wer wagt den ersten Schritt? Und wie muss er aussehen? „Gute Frage“, sagt Immobilien-Vermittler Kroppmanns. „Stadtretter“ Müller-Schleipen fordert eine hauptamtliche Stelle in der Stadt, jemanden, der alle Akteure vernetzt und Prozesse steuert. „Wenn da wieder alle Ämter und Wirtschaftsverbände ungesteuert mitmischen, wird das nie was.“ (Von Dennis Pfeiffer-Goldmann)
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