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Zeugen Jehovas: Zur Taufe ins Frankfurter Waldstadion – „ein neues Leben“

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Tausende Zeugen Jehovas kommen zum Sommerkongress ins Frankfurter Waldstadion. Dafür wurden sogar Kaugummis von den Rängen gekratzt.

Frankfurt – Im Waldstadion in Frankfurt, wo sonst Eintracht Frankfurt ihre Spiele bestreitet, ist es erstaunlich ruhig. Statt grölender Fans sitzen Männer mit Hemd und Schlips und Frauen in langen Sommerkleidern in den Rängen. Sie blicken andächtig auf eine Bühne auf dem Rasen. Von Freitag (11.) bis Sonntag (13. August) haben die Zeugen Jehovas hier ihren Sommerkongress veranstaltet. Am Samstag (12. August) wurden dort 175 Menschen getauft.

Etwa 25.000 Zeugen Jehovas aus der Region sind zum Kongress eingeladen worden. Trotzdem ist das Stadion blitzsauber. Mehr als 1300 Freiwillige hätten das Stadion im Vorhinein grundlegend gereinigt, sogar Kaugummis von den Sitzen gekratzt, erzählt François Aerts. „Alles kann unsere Kirche sein, wenn es dann eine Kirche ist, soll es auch dementsprechend aussehen.“ Aerts ist Regionalsprecher der Zeugen Jehovas und begleitet an diesem Tag Vertreter der Presse über das Gelände. Drei Frauen tragen Wischmobs und Putzeimer mit der Aufschrift „Emergency Cleaning“ – um im Notfall schnell eingreifen zu können, erklärt Aerts.

Ein Redner hält die Taufansprache. Er ist einer der „Ältesten“, sagt Aerts. Zugänglicher finde er aber den Begriff „Seelsorger“. Der Mann fragt die Täuflinge auf der Tribüne, ob sie ihre Sünden bereuen und sich in Zukunft der Öffentlichkeit als Zeuge Jehovas zu erkennen geben wollen. Alle antworten unisono mit „Ja“. Sie ziehen sich um und betreten der Reihe nach ein großes Wasserbecken auf der Tartanbahn.

Taufe vor ganz großem Publikum im Waldstadion.
Taufe vor großem Publikum im Frankfurter Waldstadion. © Rolf Oeser

Zeugen Jehovas im Frankfurter Waldstadion: Intensives Studium der Bibel

Kindertaufen gebe es bei ihnen nicht, so Aerts. Der Weg zur Taufe sei ein langer Prozess, der ein intensives Studium der Bibel und Missionierungsarbeit voraussetze. Irgendwann kämen die Menschen an den Punkt, an dem sie sagen würden: „Ich bin nicht nur an den Zeugen Jehovas interessiert, sondern ich möchte diesen Weg gehen und das öffentlich kundtun.“

Für Justus Müller sei die Taufe ein „sehr bewegender Moment“ gewesen, auf den er lange hingearbeitet habe. Seine Eltern seien ebenfalls bei den Zeugen Jehovas. Für die Taufe habe sich der 18-Jährige aber selbst entschieden, erklärt er. Dennoch seien sie froh, dass er „die richtige Entscheidung getroffen“ habe. Seinen Glauben habe er schon immer gehabt. In seiner Taufe sieht er ein „Symbol der Dankbarkeit und Hingabe an Gott“. Auch das Missionieren bereite ihm Freude. Oft komme er mit seinen Klassenkameraden ins Gespräch.

„Heute fange ich ein neues Leben mit Jehova an. Ich will ihn nicht enttäuschen“, sagt Silvia Mambrini. Die 50-jährige Italienerin lebt seit sieben Jahren in Deutschland. Katholisch getauft, wechselte sie später zum evangelischen Glauben.

Volle Ränge: Kongress der Zeugen Jehovas im Waldstadion. Vorher wurde ordentlich geputzt.
Volle Ränge: Kongress der Zeugen Jehovas im Waldstadion. Vorher wurde ordentlich geputzt. © Rolf Oeser

Zeugen Jehovas im Frankfurter Waldstadion: Enge Auslegung der Bibel

Schon immer habe sie sich die großen Fragen des Lebens gestellt. Die Antworten der traditionellen Kirchen hätten sie aber nie wirklich überzeugt, erklärt Mambrini. Vor fünf Jahren habe sie dann ihr Bibelstudium mit den Zeugen Jehovas begonnen und „plötzlich hatte jede Frage eine Antwort“, sagt sie.

Die Zeugen Jehovas berufen sich auf eine enge Auslegung der Bibel als das „unfehlbare Wort Gottes“. Ausgehend davon lehnen sie Bluttransfusionen ab, gehen nicht wählen, feiern keine Geburts- oder Feiertage wie Weihnachten und Ostern. Sex vor der Ehe und Drogen sind tabu. Aussteiger:innen werfen ihnen repressive Strukturen vor, berichten von Isolation und Mobbing.

Für Aerts sind das „Gerüchte“, die von den Medien befeuert würden. Der „Gemeinschaftsentzug“ sei bei ihnen das „allerletzte Mittel“, so Aerts. Verstoße ein Mitglied gegen die Grundsätze, würden „Seelsorger“ versuchen, es zu einem Umdenken zu bewegen. Viele würden das mit „Stalking“ verwechseln, erklärt er. Die Isolation als „letztes Mittel“ sei für die Gruppe dann eine Form des „Selbstschutzes“. (Michael Theil)

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