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Zoo Frankfurt züchtet Ziegen und verfüttert sie an Raubtiere: Ist das legitim?

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Von: Florian Leclerc

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Zwergziegen im Streichelzoo des Frankfurter Zoos – sie landen später auf dem Speiseplan von Löwen und Tigern.
Zwergziegen im Streichelzoo des Frankfurter Zoos – sie landen später auf dem Speiseplan von Löwen und Tigern. © Andreas Arnold

Der Zoo in Frankfurt züchtet und verfüttert Zwergziegen an Löwen und Tiger. Ist das legitim? Der stellvertretende Zoo-Direktor und die zuständige Peta-Referentin haben unterschiedliche Sichtweisen.

Frankfurt - Der Frankfurter Zoo züchtet und verfüttert Zwergziegen an Raubtiere. Ist das legitim? Stefan Stadler, der Vize-Direktor des Frankfurter Zoos argumentiert, wenn Tiere im Zoo nicht artgerecht gehalten werden können, sollte die schmerzfreie Tötung zum Zwecke der Verfütterung möglich sein. Yvonne Würz, Referentin für Tiere in Zoos und im Zirkus bei Peta, sagt, das Züchten und Töten von Tieren in Zoos sei ein ethisch fragwürdiger Teufelskreis.

Der Frankfurter Zoo züchtet und verfüttert Zwergziegen, die zuvor im Streichelzoo waren, an Löwen und Tiger. Das berührt viele Menschen. Können Sie deren emotionale Reaktion verstehen?

Stefan Stadler: Natürlich können wir die Reaktion der Menschen verstehen. Insbesondere unsere Tierpflegerinnen und Tierpfleger entwickeln eine enge Bindung zu „ihren Tieren“; sie sind sicher die Gruppe, der es am schwersten fällt, wenn ein Tier zum Verfüttern getötet wird.
Yvonne Würz: Es ist verständlich, dass viele Menschen darüber entrüstet sind, vor allem, weil sogenannte „Überschusstötungen“ meist verschwiegen werden. Diese kommen allerdings weit häufiger vor, als Zoobesucher wahrhaben wollen. Unwissentlich unterstützen sie diese Praxis mit ihrem Besuch.

Zoo Frankfurt: Tiere haben ein gutes Leben

Was spricht aus Sicht der Zoos für die Verfütterung eigener Tiere?
Stefan Stadler: Drei Hauptargumente sind hier zu nennen: Zum einen wissen wir genau, dass unsere Tiere bei uns ein gutes Leben haben; darüber hinaus wissen wir auch, dass sie nicht noch auf einen möglicherweise langen Transport zum Schlachthof gehen müssen; und schließlich wissen wir auch ganz genau, dass sie nicht mit irgendwelchen möglicherweise problematischen Medikamenten behandelt wurden.

Yvonne Würz: Zoos sind zuallererst Wirtschaftsunternehmen. Es ist daher nicht überraschend, dass sie den maximalen Nutzen aus der Tierhaltung ziehen. Zuerst werden Geburten von Tierbabys medienwirksam bekannt gegeben und Besucher mit der Zurschaustellung der Tiere angelockt. Später werden dieselben Tiere unter Ausschluss der Öffentlichkeit getötet und als Futter verwertet.

Der Grundsatz des Tierschutzgesetzes lautet: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Ist Zucht und Töten von Tieren zwecks Verfütterung ein „vernünftiger Grund“?
Stefan Stadler: Ja. Das deutsche Tierschutzrecht anerkennt das Töten zum Zwecke des Verfütterns eindeutig als „vernünftigen Grund“.

Yvonne Würz: Das Züchten und Töten von Tieren ist vor allem ein von Zoos selbst geschaffener Teufelskreis. Zum einen werden in deutschen Zoos sinnlos Raubtiere wie Eisbären oder Großkatzen gezüchtet, die verhaltensbedingt ohnehin nicht ausgewildert werden können. Die Zucht und das Töten anderer Tierarten, wie Huftiere, wird wiederum mit deren Futterbedarf gerechtfertigt. Hinzu kommt, dass Zoos auch aus anderen Gründen gesunde, überzählige Tiere töten. Peta setzt sich dafür ein, dass die Zucht in Zoos gänzlich eingestellt wird, damit die Haltungen mittelfristig auslaufen, und stattdessen echte Artenschutzprojekte im natürlichen Lebensraum der Tiere gefördert werden.

Yvonne Würz ist als Referentin der Tierschutzorganisation Peta Deutschland zuständig für Tiere in der Unterhaltungsbranche, in Zoos und beim Zirkus. Die promovierte Biologin ist 35 Jahre alt.
Yvonne Würz ist als Referentin der Tierschutzorganisation Peta Deutschland zuständig für Tiere in der Unterhaltungsbranche, in Zoos und beim Zirkus. Die promovierte Biologin ist 35 Jahre alt. © Privat

Was ist ein „vernünftiger Grund“?

Stefan Stadler: Der „vernünftige Grund“ für das Töten eines Wirbeltieres ist ein Begriff aus der Rechtssprache. Was juristisch als „vernünftiger Grund“ anerkannt wird, unterliegt, wie viele unbestimmte Rechtsbegriffe, letztlich dem gesellschaftlichen Diskurs und ist damit durchaus veränderlich. Deshalb ist es nicht möglich, eine eindeutige Definition zu geben, die alle möglichen Einzelfälle abdeckt. Unstrittig ist aber, dass es zur artgerechten Haltung von vielen Wildtierarten gehört, Fleisch zu verfüttern.

Yvonne Würz: Fühlende Lebewesen wie Inventar zu behandeln, das man für Unterhaltungszwecke ausstellt und nach Belieben loswerden, austauschen oder sogar töten kann, ist sicherlich kein vernünftiger Grund und ethisch höchst fragwürdig.

Der Tierpark Hellabrunn in München hat 2017 zwei Banteng-Bullen getötet und an Löwen verfüttert. Dabei ist die asiatische Rinderart stark gefährdet. Als Grund hieß es, kein seriöser Abnehmer wurde gefunden, für die Bullen sei kein Platz in der Herde gewesen. Wie definiert sich, ob ein Tier „überschüssig“ ist?

Stefan Stadler: Der Begriff „überschüssig“ führt in die falsche Richtung, zumal er sprachlich eine Degradation impliziert. Es sollte möglich sein, ein Tier zu töten, wenn damit dauerhaftes Leiden vermieden wird. Wenn also keine Tierhaltung gefunden werden kann, die dem Tier gute Lebensbedingungen bietet, dann sollte es – auch juristisch – möglich sein, eine schmerzfreie Tötung zum Zwecke der Verfütterung durchzuführen.

Yvonne Würz: Durch die sinnlose Zucht kommt es häufig zu Platzmangel. Gerade bei in Haremsgruppen lebenden Tieren sind männliche Nachkommen oft unerwünscht und schwer vermittelbar. Zum Teil werden Individuen auch als „überschüssig“ betrachtet, weil sie genetisch als weniger wertvoll für die Zuchtlinie gelten oder nicht „reinrassig“ sind. Die Tötung der Banteng-Bullen verdeutlicht, dass Zoobesucher mit der Behauptung, Zoos trügen mit der Zucht gefährdeter Arten zu deren Schutz und Erhalt bei, an der Nase herumgeführt werden. Letztlich sind die Tiere reine Ausstellungsstücke, die so gut wie nie ausgewildert werden. Und selbst bei bedrohten Arten machen Zoos vor „Überschusstötungen“ nicht halt.

Zoo Frankfurt: Raubtiere ernähren sich nicht von Salat

Hätten diese sogenannten „überschüssigen Tiere“ nicht kastriert weiterleben können?

Stefan Stadler: Natürlich sind Situationen denkbar, die das Weiterleben ermöglicht hätten. Aus tierethischer Sicht macht dies allerdings keinen Sinn. Denn, anstelle der beiden Bantengs hätten andere Tiere getötet werden müssen, um die Raubtiere zu füttern. Letztere ernähren sich nun einmal nicht von Salat. Die Vorteile, zooeigene Tiere zu verfüttern, sind bereits genannt worden.

Yvonne Würz: Die Möglichkeit der Populationskontrolle, beispielsweise durch Kastration, besteht natürlich. Dadurch entgeht den Zoos allerdings der gesteigerte Besucherandrang, der sich mit niedlichen Tierbabys erzielen lässt. Paradoxerweise wird die Fortpflanzung um jeden Preis von Zoos oft gerechtfertigt, weil die Aufzucht der Nachkommen eine „natürliche Beschäftigung“ für die Tiere sei. Dabei greifen Zoos gleichzeitig ohne Bedenken in viele andere Aspekte im Leben der Tiere ein – eine Doppelmoral. Ein Beispiel wäre hier das Flugunfähigmachen von Vögeln in Zoos, das die Tiere ihrer natürlichen Fortbewegungsweise beraubt oder das Einsperren an sich.

Stefan Stadler ist stellvertretender Zoodirektor in Frankfurt und promovierter Biologe. Der 60-Jährige leitet die wissenschaftliche Abteilung des Frankfurter Zoos.
Stefan Stadler ist stellvertretender Zoodirektor in Frankfurt und promovierter Biologe. Der 60-Jährige leitet die wissenschaftliche Abteilung des Frankfurter Zoos. © Privat

Wann dürfen Zoos Tiere töten? 

Stefan Stadler: Nach deutschem Tierschutzrecht nur, wenn ein „vernünftiger Grund“ vorliegt, und damit sind wir wieder auf der juristischen Ebene, die bereits oben beschrieben wurde.

Yvonne Würz: Laut Tierschutzgesetz dürfen Wirbeltiere nicht ohne „vernünftigen Grund“ getötet werden, dazu zählen aus rechtlicher Sicht Fütterungszwecke. Hinzu kommt allerdings das Töten überzähliger Tiere, das eigentlich nur Ausnahmefällen praktiziert werden sollte. Bei mehreren tausend gesunden Tieren, die in europäischen Zoos jährlich aus „Managementgründen“ getötet und nicht verfüttert werden, kann jedoch nicht mehr von Ausnahmen die Rede sein. Überschusstötungen, auch aus Platzmangel, sind ein systembedingtes Problem und in Zoos gängige Praxis.

Was wiegt im Zweifel schwerer, der Tierschutz oder der Artenschutz?

Stefan Stadler: Diese Frage ist sicher nicht mit schwarz oder weiß zu beantworten. Wiederum werden unterschiedliche Menschen auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen; damit sind wir letztlich wieder bei dem bereits erwähnten gesellschaftlichen Diskurs, der am Ende Antworten liefern kann. Beide Schutzkategorien können tatsächlich im Konflikt liegen, und dieser Konflikt löst immer wieder heftige Debatten darüber aus, ob der Schutz eines Einzeltieres ethisch höher einzuschätzen ist als der Erhalt einer Tierart. Letztlich hängt das Überleben der Biosphäre, und damit selbstverständlich auch des Menschen, vom Erhalt der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten ab. Schaffen wir es nicht, unsere Lebensräume mit ihrer organismischen Vielfalt zu erhalten, dann leiden darunter und sterben schließlich auch die Einzelindividuen. Insofern erscheint eine Debatte darüber, ob in Einzelfällen Individuen, für die kein geeigneter Lebensraum gefunden werden kann, getötet werden, wenn damit das Überleben der betreffenden Tierart wahrscheinlicher gemacht werden kann, durchaus sinnvoll.

Yvonne Würz: Peta vertritt die Position, dass das Leben jedes einzelnen Individuums zählt. Die Zucht und Haltung in Zoos stellt ohnehin keinen effizienten Beitrag zum Artenschutz dar, da sie die Ursachen des Artenschwunds nicht bekämpft. Zoos in der derzeitigen Form lehnt PETA ab. Wir sehen deren zukünftige Rolle als Auffangstationen für Tiere aus schlechter Haltung.

Zusammengestellt von Florian Leclerc

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