Dondorf-Druckerei in Frankfurt: Zu Besuch bei den Besetzern
Die ehemalige Dondorf-Druckerei in Frankfurt wird von Aktivisten besetzt. Sie wollen den Abriss des historischen Gebäudes verhindern.
Frankfurt – Genau vor 150 Jahren hat Bernhard Dondorf an der Bockenheimer Landstraße 136 in Frankfurt auf 6000 Quadratmetern Grund die Dondorf’sche Druckerei mit dem gigantischen Schornstein, in den Muster von Spielkarten eingearbeitet sind, für die Abluft von Dampfmaschinen gebaut. Das Grundstück hatte der jüdische Lithograf, Unternehmer und Vater von acht Kindern von der Stadt Frankfurt für 73 000 Mark gekauft. Vor 133 Jahren baute er das fünfgeschossige Backsteingebäude auf dem 5200 Quadratmeter großen Nachbargrundstück und führte elektrisches Licht ein. Die Familie druckte hier fälschungssichere Banknoten für deutsche, luxemburgische und japanische Banken, Postwertzeichen und auch Spielkarten.
Jetzt hängen Banner an der Rückseite des historischen Gebäudes. Eines reicht über die ganze Länge und versammelt Namen jüdischer Bürger. „Sie alle waren im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld in der NS-Zeit. Im obersten Stockwerk, der sogenannten ,Judenabteilung’, die der Gestapo unterstand“, sagt eine junge Frau, die zu den Besetzern, die sich schlicht die „Die Druckerei“ nennen mit vielen anderen im Innenhof sitzt. Auf Sofas, auf dem Boden und auf Stühlen, die „von Unterstützern gebracht wurden“. Auch Hannes und Tatze sind da. Ihre Klarnamen wollen sie nicht nennen und auch nicht fotografiert werden. Was sie wollen, ist der Erhalt der geschichtsträchtigen Druckerei, die 1928 für 935.000 Mark an die Union-Druckerei verkauft wurde.

Besetzung der ehemaligen Dondorf-Druckerei in Frankfurt: „Wir wollen keinen Abriss“
Als die Nazis die Macht übernahmen, durfte die SPD-Zeitung „Volksstimme“ nicht mehr gedruckt werden, die SA besetzte die Druckerei, in der dann die NS-Zeitung „Volksblatt“ gedruckt wurde. Die Eigentümer der Union-Druckerei wurden verhaftet, deportiert und umgebracht. Ein Luftangriff am 8. Februar 1944 zerstörte das Verwaltungsgebäude, das Backsteingebäude brannte aus, der Schornstein mit den Spielkarten hielt Stand. Auch Familie Dondorf wurde von den Nazis verfolgt. Enkelin Clara floh in die Schweiz, Olga nach London. Ella und Marie begehen vor der Deportation in ihrem Haus in der Myliusstraße Suizid, Helene wird in die Großmarkthalle gebracht und nach Lodz deportiert. Sie stirbt dort mit ihrem Sohn.
Nach dem Krieg wird die Druckerei wieder frei gegeben an die Union, von 1854 bis 1959 druckt hier der Deutsche Gewerkschaftsbund. Zwei Jahre später werden mit der Goethe-Uni Grundstücke getauscht, von 1961 bis zu seinem Umzug auf den Campus Westend 2022 amtierte das Institut für Kunstpädagogik in der Druckerei. 1964 war hier auch die Stadt- und Universitätsbibliothek zu Hause. 2018 hat das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik seine Pläne für eine nachhaltige Sanierung des Industriegebäudes vorgestellt.
Besetzung der ehemaligen Dondorf-Druckerei in Frankfurt: „Weil es dringend nötig ist“
Anfang des Jahres 2023 wurden plötzlich Abrisspläne bekannt. Ein Ortsbeirats-Antrag aus 2017, die Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen, wurde abgelehnt. Dennoch sind die prächtigen Gebäude ein Teil der Route der Industriekultur. „Wir wollen keinen Abriss“, sagen die Besetzer. Es sind Studenten, Nachbarn, Berufstätige, junge Leute und ältere, die Putzpläne machen „damit es schön hier ist“, die Räume in Kunsträume verwandeln, „weil Kunst und Kultur wichtig sind“ und historische Spaziergänge durch die Räume anbieten, „weil sie so einzigartig sind, weil sie erhalten werden sollten“ und Bar-Abende zum Thema Antisemitismus, „weil es dringend nötig ist“.
Nach anfänglichem Hick-Hack gab es ein Treffen mit Vertretern des Landes Hessen, dem das Gebäude gehört, dem Max-Planck-Institut und der Goethe-Uni, die hier noch ihr Archiv untergebracht hat. „Von der Stadt Frankfurt ist niemand zum Treffen gekommen, obwohl sie eingeladen war. Die Vertreter, die das Gebäude abreißen wollen, waren darüber gar nicht amused“, sagt Tatze. Von Besetzer-Seite aus waren Architects for Future dabei und die Initiative Dondorf-Druckerei, die sich seit Jahren für den Erhalt der Gebäude einsetzt. „Auf jeder Seite waren fünf Personen und man hat sich fair, offen und ehrlich ausgetauscht“, so Hannes. „Die einen für den Abriss und darüber, dass Besetzer nicht erwünscht sind. Die anderen für den Erhalt, der durchaus machbar ist, um Historie, Klimaschutz und Kultur zu fördern. Das Gespräch war absolut demokratisch, auch wenn es völlig unterschiedliche Meinungen gibt. Es wird ein weiteres Gespräch geben. Der Termin steht noch nicht fest. Aufgeben werden wir nicht.“ (Sabine Schramek)