1. Startseite
  2. Frankfurt

Zu wenig Nachfolger, zu viele Patienten: Ärztemangel trifft Frankfurt

Kommentare

Mediziner, die eine Praxis übernehmen, müssen nicht auch die Patienten übernehmen und weiter behandeln. Die Suche nach einem neuen Hausarzt ist in Frankfurt oft schwierig.

Griesheim – Für Frau S. war es ein Schock: 35 Jahre lang war sie Patientin in einer Arztpraxis in Griesheim-Süd. Dass die Praxis aufgegeben würde, wusste sie. Doch sie hoffte, weiter in die gewohnte Praxis zu gehen, wenn auch andere Ärzte dort ihren Dienst versehen würden.

Als Frau S. jedoch jetzt erstmals zur neuen Ärztin in die alte Praxis wollte, wurde sie abgewiesen. Sie sei keine Patientin. „Das kann doch nicht sein!“, empört sie sich darüber. „Ich bin sehr enttäuscht.“ Ihren Namen will Frau S. nicht genannt wissen; schließlich müsse sie sich jetzt einen neuen Hausarzt suchen. Das könnte schwieriger werden, wenn ihr Name in der Zeitung stehe. Jedenfalls brauche sie bald wieder Rezepte für ihre Medikamente. „Ich hatte gehofft, in der Praxis bleiben zu können. Jetzt muss ich mir einen neuen Arzt suchen“, sagt sie.

Hausärzte-Mangel macht sich in Frankfurt bemerkbar

Aber wie stehen ihre Chancen? Es gibt mehrere Hausärzte in Griesheim, die meisten davon im Süden des Stadtteils. In Griesheim-Süd praktizieren Martina Schaffner, Tasneem Saeed, Gernot Raab, Michael Haeder und Rainer Sperzel. In Griesheim-Mitte – zwischen Bahnlinie und Mainzer Landstraße – hat Rudolf Raab seine Praxis, nördlich der Mainzer Landstraße Sussan Assa und Eunice Mbuh, im Westen Griesheims kommen weitere Hausärzte hinzu. Dennoch: Dass Hausärzte keine Nachfolger finden, ist inzwischen auch in den Städten ein Problem. Nicht nur auf dem Land.

Wer Jahrzehnte lang bei einem Hausarzt war und nun nicht mehr weiter behandelt wird, weil die Praxis den Besitzer gewechselt hat, guckt oft in die Röhre: Es gibt keine Verpflichtung, angestammte Patienten zu übernehmen. FOTO: picture Alliance
Wer Jahrzehnte lang bei einem Hausarzt war und nun nicht mehr weiter behandelt wird, weil die Praxis den Besitzer gewechselt hat, guckt oft in die Röhre: Es gibt keine Verpflichtung, angestammte Patienten zu übernehmen. © picture alliance / Benjamin Ulme

Alleine in Frankfurt sind laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) Hessen derzeit acht Praxen zur Übernahme ausgeschrieben. Einen Nachfolger suchen sehr viel mehr Ärzte - 30 Angebote findet man alleine in der Praxisbörse der KV Hessen für Frankfurt. Viele dieser Praxen suchen auch Mitarbeiter. Zählt man zu den unbesetzten Hausarzt-Praxen auch Fachärzte und Psychotherapeuten hinzu, summiert sich die Zahl der zur Übernahme anstehenden Praxen in Hessen auf 296, in Frankfurt alleine auf 33. Häufig genug bleiben diese Praxen ohne Nachfolgeregelung.

Frankfurter Hausarzt-Praxen kämpfen um Nachfolger – Harte Folgen für Patienten

Die Folge ist für langjährige Patientinnen und Patienten wie im Falle von Frau S., dass sie sich zum Teil im fortgeschrittenen Alter noch um einen neuen Hausarzt kümmern müssen. Denn auch der Vorgänger von Martina Schaffner, Tobias Siebeneicher, hatte keinen Nachfolger gefunden. Martina Schaffner hat die Griesheimer Praxisräume übernommen.

Siebeneicher habe seine Zulassung zurückgegeben; Martina Schaffner, die ihre Praxis erweitern wollte und eine Ärztin angestellt hat, habe diese Zulassung später von der Kassenärztlichen Vereinigung erhalten.

„Ich kann nicht Griesheim retten“, sagt indes Dr. Schaffner. „Wir arbeiten am Limit, mehr geht einfach nicht.“ Ihr Vorgänger habe die Praxis aufgegeben. „Wir haben die Räume übernommen. Aber es ist unmöglich, alle Patienten zu übernehmen.“ Sie selbst habe Tausende Patienten; der Arzt, der die Praxis zuvor hatte, ebenso. „Es geht nicht, wir müssen sehen, wen wir übernehmen können.“

Hausärzte in Griesheim: Kaum Kapazitäten für neue Patienten

Dabei versuche sie, so viele Patienten wie möglich zu übernehmen, wenn gewünscht: „Ich bin eine Hausärztin alter Schule, ich mache noch Hausbesuche. Ich habe im eigenen Haus praktiziert, ich war immer ansprechbar für meine Patienten.“ In den neuen Räumen sei mehr Platz, trotzdem sei das Limit erreicht, selbst wenn sie mit einer angestellten Ärztin arbeite. „Meine Überlegung: Wer aus Griesheim-Mitte kommt, muss sich einen anderen Arzt suchen. Ich übernehme Patienten, wenn sie aus diesem Teil, aus Griesheim-Süd, sind.“ Aus Gesprächen mit Kollegen wisse sie, dass es noch Kapazitäten bei ihnen gebe, sie also von ihr abgewiesene Patienten aufnehmen könnten.

Karl Matthias Roth, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, bestätigt: „Es gibt keine Verpflichtung, die Patienten zu übernehmen. Es gibt keinen Bestandschutz, wenn ein Arzt eine Praxis aufgibt.“ (Thomas J. Schmidt)

In Frankfurt fehlt es außerdem an Kinderärzten. Besonders Neubürger suchen oft vergeblich eine Praxis, wie der Fall eines Paares mit zwei Töchtern zeigt.

Auch interessant

Kommentare