Zum Reinbeißen zu schade - die Goldene Waage

Architektur-Studenten backen berühmtes Fachwerkhaus nach
Frankfurt -Mehl, Zucker, Honig, Butter, Eier, Nelke, Kardamom, Zimt.... Das ergibt einen perfekten Pfefferkuchen-Teig, um daraus ein Häuschen zu bauen. Je nach Rezept wohl abgewogen auf einer Waage. Wenn auch auf keiner goldenen. Die wird erst dann daraus, wenn die Rohmasse in die geschickten Hände zweier angehender Architekten kommt, die auch gerne backen. Beides trifft auf Emil Schumann und Malcolm Unger zu, die aus knapp vier Kilo die Goldene Waage - historisch rekonstruierte Krone der Neuen Altstadt - zum wohlduftenden Modell werden ließen.
Frankfurter Buben
„Hauptsächlich zum Spaß, ein wenig für das Studium“, sagt Malcolm. „Und als echte Frankfurter lag es für uns nahe, die Goldene Waage als Vorlage zu nehmen“, so der in Praunheim aufgewachsene Student, der seinen Kommilitonen und Mit-Zuckerbäcker Emil schon seit der gemeinsamen Zeit an der Liebigschule in Westhausen kennt.
Stegreif nennt sich im Uni-Jargon diese zu Lebkuchen gewordene Kurzaufgabe, die an der TU Darmstadt traditionell den Architekturstudenten gestellt wird. Die Teilnahme ist freiwillig. Thema in diesem Jahr: Fachwerk. Die Ergebnisse werden von heute an ausgestellt und gegen eine Spende für das Kinderhospiz Darmstadt abgegeben.
Bis dahin war es ein langer Weg. „Wir mussten uns die Pläne besorgen, anpassen, vereinfachen und dann die Pappschablonen zum Ausschneiden der Wände und Fenster anfertigen“, sagt Malcolm. „Unser Häuschen ist also nur eine Interpretation der Goldenen Waage“, erklärt Emil. Die aber im Maßstab von ungefähr 1:50, bestehend aus knapp drei Dutzend Lebkuchenteilen. Firsthöhe 45 Zentimeter, die Bodenplatte entspricht einem Din A4 Blatt, grob 20 mal 30 Zentimeter. Die Fenster in den Rundbögen des Erdgeschosses des Nachbaus des Originals von 1619 - dort ist heute ein Café untergebracht - sind aus Gelatineplatten, die Dachschindeln belgische Waffeln. „Am undankbarsten war es, die Wände zusammenzusetzen“, sagt Emil. Um sie exakt passend zu machen, wurde schon mal ein Dremel bemüht. „Nur den Zuckerguss - von dem wir mehr gebraucht haben als gedacht - würden wir das nächste Mal etwas einfärben.“
Zwei Tage oder mehr als 20 Stunden brauchten die beiden jungen Männer, die im Herbst ihren Bachelor gemacht haben und jetzt im ersten Mastersemester sind. „Keine Aufgabe, um sich die Zähne daran auszubeißen, aber so lange, wie die Lebkuchenplatten im Ofen waren...“, sagt Malcolm und lässt die Antwort auf einen möglichen Verzehr offen. Gleichwohl müssen alle Zutaten und Teile essbar sein. Allein mit dem Backen und Bauen ist es aber nicht getan. Auch Rezept und einen Schnittplan der Schablonen müssen die Teilnehmer abgeben. Fast 80 waren es im vergangenen Jahr, die ihre ebenso einmaligen wie kreativen Modelle im Restaurant Tibits im Alnatura Campus in Darmstadt präsentierten. „Die Besten waren ganz schnell weg. Fast noch am Tag“, erinnert sich Sascha Falk, Geschäftsführer des ursprünglich aus der Schweiz stammenden vegetarischen Familienunternehmens. 1300 Euro kamen so zusammen. „Alle übrigen Häuser werden über Foodsharing an Menschen verteilt, die eine weihnachtliche Aufmunterung gut gebrauchen können“, heißt es in der Ausschreibung für die Studenten. Die wurde am 28. November veröffentlicht. Heute, 14. Dezember, ist Abgabe. So erklärt sich auch der Begriff Stegreif. Einen Wertungspunkt - gut Neudeutsch Creditpoint - bekommen die Studenten dafür gutgeschrieben. Nicht viel. Bis zum Master braucht man 300. „Was aber mehr als Mehl, Zucker, Eier und die Wertung wiegt, ist der Spaß“, sagt Malcolm. Eine gute Einstellung. In diesem Fall goldrichtig. ou
Die Ausstellung
Restaurant Tibits, Eschollbrücker Straße 65, Darmstadt, wochentags 11 bis 14.30 Uhr, sonntags ab 10 Uhr. Die Lebkuchen-Häuser werden für eine Spende abgegeben.