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Zwischen Blitz-Adler und Hechtkopf: Die Funde aus Nida

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Carsten Wenzel, der Kustos der provinzialrömischen Sammlung, zeigt einen Wandputz aus dem „Heiligen Bezirk“ Nida. Die Funde lagern in der Borsigallee.
Carsten Wenzel, der Kustos der provinzialrömischen Sammlung, zeigt einen Wandputz aus dem „Heiligen Bezirk“ Nida. Die Funde lagern in der Borsigallee. FOTOs: rainer rüffer/archäologisches museum © rüffer

So gehen die Arbeiten an den spannenden Artefakte voran

Als beim Bau der Römerstadtschule ein Adler mit Blitzbündel sowie Götterstatuen von Merkur und Diana gefunden wurden, war das Erstaunen groß: Der Westteil des mutmaßlichen Forums im Kern des antiken römischen Nida entpuppte sich als Sakralbezirk. Doch bei den Ausgrabungen gab es weitere Überraschungen, darunter auch verblüffend gut erhaltene Wandmalereien, deren abgeschlagene Reste in einem Graben im östlichen Areal geborgen wurden.

Gut sieben Jahre später geht die mühsame Puzzle- und Forschungsarbeit im Depot des Archäologischen Museums in der Borsigallee voran: Alleine die geborgenen Wandmalereien bestehen aus rund 5000 Fragmenten, darunter ein Jünglingsbild mit Ziegenbock im Hintergrund sowie ein Eimer mit Früchten. „Hinzu kommen rund 250 Münzen, 70 Fibeln sowie tausende Knochenfunde“, erklärt Carsten Wenzel, Kustos der provinzialrömischen Sammlung.

Insgesamt dürfte es sich um Objekte für mindestens 500 Depotkisten aus dem Frankfurter Denkmalamt handeln, von denen einige vor der eigentlichen Untersuchung noch gereinigt und aufgearbeitet werden müssen. „Darunter befinden sich auch außergewöhnliche Funde wie ein Hechtkopf mit Zähnen, und die Knochen eines jungen Kranichs, die aus einer Grube geborgen wurden“, staunt Wenzel.

Handelt es sich hier um Opfergaben oder Reste einer Mahlzeit - und wie passt das mit dem Geißbock und anderen Tierdarstellungen zusammen? Tatsächlich beginnen die spannenden Forschungen erst jetzt mit der Suche nach vergleichbaren Kulten und Fundorten.

Bei den ersten Auswertungen vor sieben Jahren hatten die Frankfurter Archäologen Glück wegen klarer Indizien für ihre Objekte: Der gefiederte, auf einem Blitzbündel sitzende Adler ließ sich dank einer rechteckigen Tafel mit dem Schriftzug „Iovi Dolicheno“ eindeutig dem kleinasiatischen Kult um den Göttervater Jupiter Dolichenus zuweisen. Ein einzelner Fuß passte genau in den Abdruck eines Sockels mit der Inschrift „Mercurio“, dem römischen Handelsgott. Sogar der Tag der Widmung „am 5. Tag vor den Iden des September“ ließ sich auf den 9. September 246 n. Chr. errechnen. Und eine kleinere Statuette ließ sich dank ihres stilisierten Köchers auf dem Rücken als Jagdgöttin Diana identifizieren.

Doch ausgerechnet der so gut erhaltene Jüngling der Wandmalerei gibt Rätsel auf: „Es ist bislang aus unserer Region einfach keine passende ähnliche Darstellung bekannt, die bei der Identifizierung und richtigen Einordnung hilft“, räumt Wenzel ein. Nach der Einschätzung eines Kollegen passe der Stil eher ins römische Mutterland Italien. Der Jüngling als Tempeldiener oder junger Gott, der Ziegenbock als Opfertier - bislang klinge das alles ziemlich spekulativ. Hoffnung gibt ein weiteres Fragment mit einer Girlande und einer Namensinschrift, die noch entziffert und gedeutet werden muss.

„Der Fischkopf und die anderen Knochenstücke dürften wohl keine weggeworfenen Speisereste sein, denn sie wurden in dem durch die Mauer abgegrenzten heiligen Bezirk gefunden“, erläutert Wenzel. Hier liegen die Hoffnungen auf einem Expertenteam des Instituts für prähistorische und naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Basel, das mit Röntgengeräten die Knochenfunde durchleuchten kann. Zusammen mit den Kollegen der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts und der Frankfurter Goethe-Universität ergibt das ein Team von 15 Forschern und einen Forschungsauftrag mindestens für die nächsten drei Jahre, der noch bewilligt werden muss.

Dass es sich lohnt, zeigt aber auch eine seltene Münzprägung mit einem Porträt von Domitian, die als Tempelopfer für einen einfachen Hauptort einer Provinz eher ungewöhnlich ist. „Daher muss wohl die Bedeutung des Sakralbezirks und die Rolle Nidas als ein sakrales Zentrum in Obergermanien völlig neu bewertet werden“, sagt Wenzel. Bislang konnte man im Tempelbezirk die Fundamente von fünf Kapellen nachweisen, davon eine mit Apsis.

Und hier verhält es sich ähnlich wie bei einer Kirche: Kapellen können eigenständige heilige Gebäude oder auch Teile eines großen Gotteshauses sein, in denen auch lokale Heilige verehrt werden. Wie der Kult um den Göttervater Jupiter und seine Familie im Sakralbezirk praktiziert wurde, wird die Forschung noch lange beschäftigen.

Jedoch bestätigen die neuen Funde einmal mehr die Tendenz der ausgegrabenen Mithräen und Jupiter-Gigantensäulen: Neben den römischen Kulten des Mutterlandes und der lokalen keltisch-römischen Götterverehrung spielen auch religiöse Einflüsse aus den klein- und vorderasiatischen Provinzen eine bedeutende Rolle: Denn die Bewohner Nidas waren multikulturell, wenigstens für antike Verhältnisse.

Gernot Gottwals

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