Al-Wazir zur Wohnungsnot: "Es gibt noch viel zu tun"

Der hessische Wirtschaftsminister hofft auf mehr Wohnungen im "Großen Frankfurter Bogen"
Frankfurt -Um dem Wohnungsmangel im Rhein-Main-Gebiet zu begegnen, hat Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) vor knapp drei Jahren vorgeschlagen, einen Bogen rund um Frankfurt zu schlagen. Dieser soll innerhalb von 30 Minuten per S-Bahn oder Regionalbahn vom Frankfurter Hauptbahnhof aus erreichbar sein. Dort sollen mehr bezahlbare Wohnungen entstehen. Zudem sollen die Orte so weiterentwickelt werden, dass die Menschen dort gut und gerne leben. Dafür wirbt das Ministerium in den nächsten Wochen mit der Kampagne "GFB-Sommer'22". Was bislang im "Großen Frankfurter Bogen" erreicht wurde und wie es weitergehen soll, erklärt Al-Wazir im Interview.
Sie haben die Idee des "Großen Frankfurter Bogens" 2019 präsentiert. Was wurde bislang erreicht?
Unser Ansatz denkt die beiden großen Herausforderungen der Rhein-Main-Region zusammen: fehlender Wohnraum und zu viel Stau auf der Straße. Wir verbinden Wohnungsbau mit klimafreundlicher Mobilität, und zwar im Ballungsraum, wo bezahlbarer Wohnraum besonders knapp ist. Insgesamt 37 Städte und Gemeinden, die mit der S- oder Regionalbahn in maximal 30 Minuten vom Frankfurter Hauptbahnhof erreichbar sind, können inzwischen vom Großen Frankfurter Bogen profitieren. Das heißt: höhere Förderung, sei es beim sozialen Mietwohnungsbau, der Quartiersentwicklung oder Investitionen, etwa in Grünflächen.
Die Opposition spricht von einer Marketingkampagne, die bislang nicht dazu beigetragen habe, die dramatische Situation auf dem Wohnungsmarkt zu entschärfen...
Wir konnten im vergangenen Jahr den Rückgang von Sozialwohnungen in Hessen stoppen. 2021 gab es erstmals seit Mitte der 1990er Jahre wieder mehr Sozialwohnungen als im Vorjahr. Das ist ein Riesenerfolg und hat auch einen Grund: Wir haben die Fördermittel für den Wohnungsbau um ein Vielfaches aufgestockt und die Konditionen deutlich verbessert. Im vergangenen Jahr wurden 340 Mio. Euro für den Bau von Sozialwohnungen zugesagt - das ist Rekord. Und knapp drei Viertel der neuen Sozialwohnungen werden im Großen Frankfurter Bogen entstehen.
Dennoch steigen die Mieten im Rhein-Main-Gebiet immer weiter. Wie wollen Sie gegensteuern?
Wir drehen an verschiedenen Stellschrauben. Kurzfristig greifen wir regulierend ein, etwa mit der Mietpreisbremse. Mittelfristig helfen Neubau und Erhalt von Sozialwohnungen, dafür stellt Hessen Rekordmittel in Höhe von 2,2 Milliarden Euro bis 2024 zur Verfügung, auch zum Kauf von Belegungsrechten. In den Kommunen des Großen Frankfurter Bogens übernimmt das Land die kommunale Finanzierungsbeteiligung vollständig. Und langfristig unterstützen wir die Kommunen bei der Entwicklung von Flächen.
Die SPD hält die Bedingungen für den "Frankfurter Bogen" für zu eng gefasst. Denken Sie darüber nach, die Auflagen zu entschärfen?
Der Große Frankfurter Bogen ist noch jung. Selbstverständlich überprüfen wir kontinuierlich, ob die Kriterien und Förderprogramme helfen, Wohnraum zu schaffen, der gut erreichbar, lebenswert und bezahlbar ist. Mein Ziel ist, dass weitere Kommunen dem Großen Frankfurter Bogen beitreten und konkrete Projekte umsetzen, da lade ich alle vor Ort dazu ein, egal, welcher Partei sie angehören.
In welchem Zeitraum rechnen Sie mit spürbaren Erfolgen auf dem Wohnungsmarkt? Nach Einschätzung der FDP sind die angestrebten 200 000 Wohnungen erst in 40 Jahren fertig, wenn es beim bisherigen Tempo bleibt...
Wohnungsbau ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten mitwirken, also die private Immobilienwirtschaft, öffentliche Wohnungsbaugesellschaften, genossenschaftliche Bauträger, die Kommunen und das Land. Die Bürgerinnen und Bürger wollen wir mit dem "GFB-Sommer'22" für die Zukunft des Wohnens in der Region interessieren. Klar ist: Es gibt noch viel zu tun. Aber die Zahl der Baugenehmigungen und die Zahl der fertiggestellten Wohnungen zeigen: Die Trendwende ist geschafft. Natürlich gibt es momentan Unsicherheit durch Preissteigerungen und Lieferengpässe. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir den positiven Trend verstetigen können. interview: Christiane Warnecke
Zur Person
Tarek Al-Wazir ist seit 2014 Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen sowie Stellvertreter des Hessischen Ministerpräsidenten. Seit 2019 ist er der Wahlkreisabgeordnete für Offenbach-Stadt und somit wie bereits von 1995 bis 2017 Mitglied des Hessischen Landtags, in dem er von 2000 bis 2014 Fraktionsvorsitzender der Grünen war. Der 51 Jahre alte Politologe hat die deutsche und die jemenitische Staatsbürgerschaft, ist verheiratet und hat zwei Kinder. ch
Kreative Wohnprojekte erleben beim "GFB-Sommer'22" mit vielen Veranstaltungen
Frankfurt -Der Große Frankfurter Bogen umfasst inzwischen 37 Partnerstädte und -gemeinden. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen möchte die Initiative weiter ausweiten und startet in diesem Sommer eine Kampagne mit dem Titel "GFB-Sommer'22". Wie können wir gut und besser bauen? Wie wollen wir morgen in unseren Städten und Gemeinden und in der Region leben? Die Antworten will das Ministerium gemeinsam finden mit Kommunen und Bürgern bei zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen des GFB-Sommer'22. Das Programm startet an diesem Mittwoch und geht bis 4. September. Unsere Zeitung stellt als Medienpartner Auszüge aus dem Programm vor.
20. Juli: Auftakt GFB-Sommer mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in der Starkenburg-Kaserne, Darmstadt, Dornheimer Weg 7 bis 27, 14 bis 20 Uhr. Der Straßenraum wird zum Ausstellungs- und Begegnungsraum. Stay-Together ab 18.30 Uhr mit Musik, Essen und Getränken.
21. und 22. Juli: Kooperationsprojekt AKH "shifting realities - Die Transformation der Stadt nachhaltig gestalten" Dernsches Gelände, Friedrichstraße 16, Wiesbaden.
21. Juli : Neues Wohnen in Bad Homburg: Am Hühnerstein, Quartiersplatz Vilbeler Straße, 10 bis 11 Uhr. Durch die ländliche Prägung Ober-Erlenbachs erfolgt in dem rund 10 Hektar großen Wohngebiet eine aufgelockerte Bebauung mit überwiegend Reihen-, Doppel- und Einzelhäusern für circa 300 Wohneinheiten. Mit der Vergabe von etwa 50 Reihenhausgrundstücken durch die Stadt konnte die Eigenheimbildung und Ansiedlung junger Familien gefördert werden.
21. Juli: Neues Wohnen in Bad Homburg: Das Vickers-Areal, Horex-Brücke, Gehweg vor Schleußnerstraße 26, 12.30 bis 13.30 Uhr. Auf dem 2,6 Hektar großen, vormals industriell genutzten sogenannten "Vickers-Areal" entsteht ein zentral gelegenes Wohngebiet. Von den 285 Wohneinheiten sind insgesamt 30 Prozent öffentlich gefördert. Des Weiteren entstehen ein Lebensmittel-Vollsortimenter mit Bäckerei samt Café sowie eine Kindertagesstätte.
22. Juli: Fahrradtour zu drei Orten des Miteinanders, Rathaus Maintal, Klosterhofstraße 4-6, 10 bis 12.30 Uhr. Anmeldung: freiwilligenagentur@maintal.de bis 20. Juli.
22. Juli: 16 bis 17.30 Uhr, Dialog zum Brunnenquartier Karben, Brunnenstraße. Wissen, Wohnen, Wortakrobatik - Beim "Dialog im Brunnenquartier" wird nicht nur über das bevorstehende Bauvorhaben informiert, die Gäste werden im Expertendialog sowie durch kunstvolle Spoken-Word-Beiträge in die Planungen integriert.
27. Juli: 17.30 bis 19 Uhr, Offenbach und Bad Homburg - ein Städteaustausch und Barabend. Bad Homburg, Sinclair-Haus, Löwengasse 15. Offenbach und Bad Homburg sind gefühlte Antipoden in unserer Region, Gespräche über Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
29. Juli bis 1. September: Ausstellung "Das Schönhof-Viertel in Frankfurt - ein Vorzeigebeispiel der Stadtentwicklung", Atrium des Frankfurter Planungsdezernats, Kurt-Schumacher-Straße 10. Das Viertel im Frankfurter Westen wird mit rund 2000 Wohnungen, hiervon 600 geförderte Mietwohnungen, ein Vorzeigebeispiel der Innenentwicklung. Die Ausstellung bietet einen Einblick in die bisherige Entwicklung und ist von Montag bis Freitag von 8:30 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet.
4. August: 18 bis 22 Uhr, Stadtspaziergang mit Open-Air-Konzert in Friedrichsdorf, An der Bleiche. Bürgermeister Lars Keitel berichtet über Neuigkeiten in der Stadtentwicklung. Ab 19:30 Uhr Kultur auf der Sommerbrücke: It's Showtime! Die schönsten Hits des Musicals, kredenzt mit Humor. ch
Alle Programmpunkte
sind nachzulesen auf www.gfb-sommer22.de