Die Ehe für alle kommt in Hessen gut an

Seit Oktober vergangenen Jahres haben sich zahlreiche homosexuelle Paare in Hessen für eine Heirat entschieden. Viele weitere ließen ihre Lebenspartnerschaft umwandeln.
In Kiedrich im Rheingau heiratete Wiesbadens Oberbürgermeister Sven Gerich im Sommer seinen Mann Helge. Damit nicht genug, der Kiedricher Bürgermeister Winfried Steinmacher traute auch Gerichs Vater Gustav und dessen Lebenspartner Michael. «Es war ein tolles Fest, noch viel toller als wir uns das gedacht hatten», erinnert sich Gerich an die Doppelhochzeit und fügte an: «Wir wollten unsere bereits eingetragenen Lebenspartnerschaften noch mit dem I-Tüpfelchen versehen und haben uns deshalb, nachdem im Oktober vergangenen Jahres die Ehe für alle kam, gemeinsam trauen lassen.»
Mit dieser Entscheidung war der Stadtchef nicht alleine. 110 Wiesbadener Paare, die eine Lebenspartnerschaft führten, haben diese seit 1. Oktober 2017 in eine Ehe umwandeln lassen. Zudem schlossen 40 schwule oder lesbische Paare die Ehe nach dem neuen Recht, teilte die Stadt mit. Im Vorjahreszeitraum waren 35 Paare eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingegangen.
Es ist nicht möglich, die Zahl der Ehen zwischen homosexuellen Paaren exakt zu beziffern, denn eine amtliche Statistik liegt dem Bundesverband der deutschen Standesbeamten (BDS) nicht vor. Nach Anfragen bei einigen Standesämtern ergebe sich folgendes Bild: Im Mittel sind etwa fünf Prozent der Ehen zwischen zwei Männern oder zwei Frauen geschlossen worden. Das Verhältnis von weiblichen Paaren zu männlichen Paaren liegt dabei in etwa bei 4:3, wie BDS-Sprecher Jürgen Drewitz sagt. Dazu komme noch «eine nicht unerhebliche Anzahl von Umwandlungen von Lebenspartnerschaften in Ehen». Dies zeige, dass die Ehe für alle sehr gut angenommen werde und dem Wunsch entspreche, «eine dauerhafte Bindung mit allen Rechten und Pflichten von Ehepartnern einzugehen».
Dieses Bild spiegelt sich auch in Hanau. Dort wurden bislang 13 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen, hinzu kommen 16 Umwandlungen von Lebenspartnerschaften. Im Vergleichszeitraum wurden 15 Lebenspartnerschaften begründet. «Sehr berührend» empfand der Standesbeamte die Eheschließung zwischen zwei älteren Damen, die sich nach vielen Jahren das "Ja-Wort" auf Schloss Philippsruhe geben konnten. «Die beiden kamen ganz alleine zu der Zeremonie, wollten die Sache nicht an die große Glocke hängen, fanden es aber sehr schön, dass sie sich nun auch den staatlichen Segen abholen konnten», berichtet Stadtsprecherin Güzin Langner.
In Fulda wurden seit der Einführung der Ehe für alle vor einem Jahr drei männliche Paare und ein weibliches Paar getraut. Zum Vergleich: In den zwölf Monaten zuvor (1. Oktober 2016 bis 30. September 2017) wurden vier Lebenspartnerschaften geschlossen. Neben den Eheschließungen wurden bis heute zwölf Lebenspartnerschaften umgewandelt, wie die Stadt mitteilt. Im mittelhessischen GIEßEN sind nach Angaben des Standesamtes bislang 15 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen worden, 15 Paare haben ihre Lebenspartnerschaft umwandeln lassen.
In Marburg feierten seit Oktober vergangenen Jahres 26 gleichgeschlechtliche Paare Hochzeit. Im Vergleichszeitraum vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2017 seien zwölf Lebenspartnerschaften eingetragen worden, teilt die Stadt mit. Seit der Einführung der Ehe für alle ließen 13 Paare ihre Lebenspartnerschaften umwandeln. Ein Hochzeitspaar hatte nach Angaben der Stadt den Wunsch, von Oberbürgermeister Thomas Spies getraut zu werden. Das Paar kenne den Rathauschef schon länger persönlich. «Der Oberbürgermeister darf zwar bislang nicht als Standesbeamter agieren und offiziell trauen - aber hier fand sich schnell ein Weg», berichtet eine Sprecherin. «Eine Standesbeamtin der Stadt Marburg übernahm den offiziellen Akt der Trauung, Spies hielt die Traurede.»
Auffällig sei, dass für die Eheschließung gerne der gleiche Tag im gleichen Monat wie bei der Begründung der Lebenspartnerschaft ausgewählt werde, erklärt Marion Karcz von der Stadt Offenbach. «Die meisten Umwandlungen wurden als schlichte Amtshandlungen im Büro des Standesbeamten durchgeführt.» In der Stadt wurden zwischen Oktober 2017 und Juli 2018 insgesamt 57 gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen - weit mehr als Lebenspartnerschaften im gleichen Vorjahreszeitraum, das waren elf. 46 der nun verheirateten Paare waren zuvor verpartnert.
In der größten Stadt Hessens, Frankfurt, schlossen zwischen 1. Oktober 2017 und Ende August 2018 insgesamt 2999 Paare den Bund fürs Leben, darunter 673 gleichgeschlechtliche. Rund zwei Drittel waren Männer (knapp 68 Prozent). Die meisten der gleichgeschlechtlichen Paare hatten zuvor schon eine Lebenspartnerschaft geschlossen (503). Zum Vergleich: Zwischen 1. Oktober 2016 und Ende September 2017 waren 139 Lebenspartnerschaften geschlossen worden, wie die Stadt mitteilt.
Auch in Kassel ist die Resonanz positiv: «Eigentlich alle Paare haben in Gesprächen die Möglichkeit begrüßt, nun auch mit verschieden geschlechtlichen Paaren hinsichtlich einer Ehe gleichgestellt zu sein», sagt Stadtsprecher Michael Schwab. Im Standesamt fanden bisher 109 Eheschließungen gleichgeschlechtlicher Paare statt, 45 unter Männern, 64 unter Frauen. Das sind deutlich mehr als Lebenspartnerschaften in den Vorjahren. Im Jahr 2015 wurden 27 Lebenspartnerschaften begründet, im Jahr 2016 waren es 21. 77 Paare ließen ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umschreiben.
Für die Umwandlung bietet das Kasseler Standesamt den gleichen feierlichen Rahmen wie zuvor bei der Begründung der Lebenspartnerschaft an, sagt der Sprecher: «Die meisten Paare nehmen diesen Service auch gern in Anspruch, einigen reicht bei der Umwandlung aber auch eine Zeremonie im Büro des Standesbeamten.»
Viele Paare halten auch in Darmstadt am Datum fest, an dem sie ihre Lebenspartnerschaft geschlossen hatten, wie ein Sprecher berichtet. 73 gleichgeschlechtliche Ehen seien bisher geschlossen, 54 Lebenspartnerschaften umgeschrieben worden. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres hatten 19 Paare eine Lebenspartnerschaft besiegelt.
Bundestag und Bundesrat hatten die Ehe für alle kurz vor der Sommerpause 2017 beschlossen, was die völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller und heterosexueller Partnerschaften mit sich brachte. So haben seither auch homosexuelle Paare das uneingeschränkte Adoptionsrecht.
dpa